Der Weg nach unten war leicht. Der Schnee verschwand schnell und machte Platz der Wärme und die Grüne. Und dann, hinter einer Wegbiegung, waren hohe Türme zu sehen und ein Tal mit vielen Bäumen und Gebäuden. Millaray hielte an und betrachtete die Schönheit und die Ruhe, die sie seit sehr langem nicht mehr gespürt hatte. Sie war überwältigt und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass sie klein und vergänglich ist. Als sie nach eine Weile weiter gingen, war Millaray verstummt vor Ehrfurcht.
Bald erreichten sie die Türme, die den Eingang zum Imladris kennzeichneten. Dort wurden sie von einer Elbin aufgehalten. Grimweard wechselte einigen Wörter in einer unbekannten Sprache mit ihr. Millaray hatte das Gefühl, dass sie nicht willkommen waren, und doch gewehrte die Elbin ihnen einen Eintritt.
Sie forderte sie auf, ihr zu folgen. Auf dem Weg ins Tal kam ein anderer Elb zu der Gruppe hinzu und begleitete sie, während er leise vor sich hin summte. Die Augen von Millaray schauten neugierig in allen Richtungen, während sie gingen. Sie war beeindruckt. Mütterchen Maywine erzählte viel über die Baukunst der Elben, doch selber so was zu sehen verglich keiner Erzählung. Millaray hoffte, dass sie vielleicht etwas länger hier bleiben dürfte, um sich alles genauer anzuschauen. Und vielleicht würde sie auch einige interessante Einträge in ihren Büchlein schreiben können.
Der Weg windelte sich hin und her und schließlich führte die Elbin sie durch die Bäume an einem gemütlichen Plätzchen neben einem Fluss. Das Rauschen eines Wasserfalls konnte gehört werden.
"Wir haben eine große Gruppe Abgesandte zur Gast und wir haben keine freien Plätze mehr zu übernachten. Das Wasser hier ist sauber und Sie können hier bleiben." sagte die Elbin.
"Können wir vielleicht etwas Verpflegung bekommen?"
"Ich werde es veranlassen." Die Elbin drehte sich um und ging.
Millaray sagte nachdenklich, „Die Elben wirken kalt und nicht sehr gastfreundlich.“
Bherain antwortete prompt, „Schht, kleiner Kuduk, sag solche Sachen nicht laut. Du weißt nicht, wo es Ohren gibt.“
Millaray verstummte verunsichert. Sie schaute sich um und erschauderte leicht. Der Elb saß unweit von Ihnen und beobachtete sie.
Bald kam eine Elbin mit einem Tablett beladen mit Brot, Kuchen und trockenes Obst. Grimweard machte ein Lagerfeuer und alle versammelten sich um ihn herum. Er verschlang sofort einige Stücke Brot, während Millaray sich ein Stück Kuchen aussuchte.
"Wer sind Sie und wo kommen Sie her?" fragte die Elbin.
"Ich bin Grimweard. Wir wohnen östlich von Carrock." brummte Grimweard.
"Ich bin Millaray Maywine von dem Maywine Weingut westlich vom Carrock. Vielleicht haben Sie über unserem Wein gehört?" sagte Millaray mit geringer Hoffnung, dass sie eine Bestätigung bekommt. Mütterchen Maywine erzählte von früher, als die Kuduks bei den Elben in Grünwald gern gesehene Gäste waren. Es gab regelmäßige Lieferung für deren König, der den Maiwein hoch schätzte. Doch der Wald verdunkelte sich immer mehr. Die Lieferungen wurden unregelmäßig und schließlich brachen komplett ab. Jetzt kamen nur manchmal einige Elben zur Besuch, doch es half nicht. Das Geschäft mit dem Maiwein wurde immer kleiner und kleiner. Das Weingut verfiel langsam.
„Werdet Ihr den Kuduk bis Auenland begleiten?“ fragte Grimweard.
„Wir werden die Perianneth bis Breeland begleiten. Von dort können die Waldläufer sie nach Auenland bringen.“ antwortete die Elbin Tuiloril.
„Wer sind die Waldläufer? Kann ich ihnen vertrauen?“ fragte Millaray.
„Ja. Sie sind Nachkommen der Dúnedain. Sie können ihnen vertrauen.“
„Wer sind die Dunedain?“
„Die Menschen aus Númenor.“
„Numenor?!“
„Haben Sie von Issildur und Earendil gehört?“
„Nein.“
„Haben Sie von Gondor gehört?“
„Gondor…“ Millaray fühlte sich langsam ungemütlich. Musste sie das alles wissen?
„Die Waldläufer werden helfen.“ Versicherte Tuiloril, wohl spürend das Unbehagen des Kuduks.
Derweil sprachen Cugufaerhim und Grimweard über die Dunkelheit in die Welt. "Die Welt wird dunkler und dunkler. Die Elben werden immer weniger." erzählte der Elb Namens Cugufaerhim. "Wir können nicht mehr überall alle schützen."
"Gibt es dann keine Hoffnung?" fragte Millaray.
"Hoffnung gibt's immer." entgegnete Cugufaerhim lächelnd.
Bherain stand auf, da sie fertig mit dem Essen war. Sie ging an den Fluss und wusch ihre Hände. Dann kam sie zurück und schüttelte diese. Überall flogen Wassertropfen. Millaray schaute verdutzt mit nassem Gesicht. Grimweard brummte etwas vor sich hin und wischte sich das Gesicht. Cugufaerhim lächelte.
„Möchtet Sie noch essen?“ fragte Tuiloril.
„Ja. Noch etwas Brot wäre nicht schlecht.“ sagte Cugufaerhim.
Tuiloril stand auf und ging, um noch etwas Essen zu holen.
„Ich habe nicht so wirklich Hunger. Aber ich wollte ihr etwas Arbeit machen.“ murmelte Cugufaerhim.
„Was bedeutet eigentlich Euer Name, Cugufaerhim?“ fragte Bherain.
„Nun, so etwas wie ein kühler Geist der Taube.“ antwortete Cugufaerhim. “In Eurer Sprache klingt es recht ungelenk, wie ich zugeben muss. Aber daran kann man wohl nichts ändern. Das zumindest war wohl der Sinn, den man in meinem Falle darin sah.“
Tuiloril kam mit einem neuen beladenen Tablett zurück. Darauf gab es auch Erdbeeren.
„Darf ich etwas von den Erdbeeren haben, bitte?“ bat Millaray.
Tuiloril gab ihr eine Schale. Millaray bedankte sich und fragte, „Möchten Sie auch haben?“
„Esst alle die Ihr wollt.“ schüttelte Tuiloril den Kopf.
„Sie haben noch Hunger, kleiner Kuduk?“ fragte Grimweard.
„Wer weiß, ob und wie das nächste Essen ausfällt.“ nickte Millaray zu ihm.
„Bis Grenze Breeland wir bringen Lembas - Reisebrot. Sicher gut schmecken Euch.“ beruhigte Tuiloril Millaray.
„Mein Name, Bherain, bedeutet kleine Bärin. Bis gestern wusste ich nicht, warum meine Mutter mich so genannt hat.“ sagte Bherain gewand an Cugufaerhim.
„Das ist sehr Lieb von Ihnen, Frau Tuiloril. Werden die Rationen reichen für sechs Mal am Tag essen?“ fragte Millaray besorgt.
„Ah, und gestern habt Ihr es dann entdeckt oder erfahren?“ fragte Cugufaerhim der Bherain.
„So oft Essen am Tag?“ staunte Tuiloril.
„Ja, wie? Sechs Mal am Tag.“ Bherain schaute Millaray verwirrt. „Und dann seht ihr noch so schlank aus?“
„Ja. Es ist so üblich. Bei Ihnen etwa nicht?“ fragte Millaray erstaunt.
Grimweard atmete erleichtert aus, weil das Gesprächsthema wechselte. Cugufaerhim lächelte nur, sagte aber nichts.
„Yavanna bewahre, nein! Vier maximal.“ antwortete Bherain. „Außer... es gibt Honigkuchen.“
Tuiloril kicherte leise. „Nein. Aber ich höre Geschichten über großen Appetit von Perrianath.“
„Diese essen sie immer?“ fragte Millaray neugierig Bherain an.
„Nicht immer, aber gerne.“ antwortete Bherain.
„Nun, ist es verwunderlich mit einem Namen, der auf ein Tier deutet, dass den Honig liebt?“ fragte Cugufaerhim und legte den Kopf auf die Seite und musterte Grimweard einen Moment interessiert und mit einem seltsamen Lächeln und dann lächelte wieder freundlich in die Runde.
„Jetzt wo ihr es sagt. Es hat was für sich.“ Bherain wurde nachdenklich.
„Das ist nicht unüblich in unserem Volke.“ erwiderte Grimweard.
„Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Namen stets so treffend gewählt sind wie bei der werten Bherain, nicht wahr?“ sagte Cugufaerhim.
„Das wird sich noch zeigen, ob ich diesen Namen auch wirklich wert bin.“ sagte Bherain.
„Ah, wenn Ihr es bis hierher geschafft habt und auch wieder Euren Dienst am Pass zu stehen bereit seid, dann bin ich mir dessen sicher.“ Cugufaerhim klang sehr überzeugt.
„Ist Name gut passend? So klein sie nicht ist, denke ich.“ Tuiloril schaute Bherain ein wenig zweifelnd an.
„Ah, Tuiloril, für einen Menschen nicht, aber ich denke, im Vergleich zu einem Bären ist sie schon recht klein, hm?“ antwortete Cugufaerhim.
„Ich hoffe, dass unser Anführer Widuweard sie bald wieder nach Hause schickt. Auch für eine Beorninger ist sie eigentlich viel zu jung für diesen Dienst.“ sagte Grimweard.
„Nun, dann wäre dies wohl wünschenswert. Aber so sie nicht komplett heim geschickt wird, ist sie sicherlich hier im Tal stets willkommen, um sich auszuruhen.“ entgegnete Cugufaerhim.
Tuiloril wandte sich wieder an Millaray an, “Pedithon na Gildinfael... ich werde Gildinfael sagen, dass sie packt mehr Menge Lembas für Reise. Für sechsmal Essen.“
„Ich mag auch Kuchen zwischendurch essen.“ sagte Millaray mit der Hoffnung, dass es vielleicht auch was anderes zum Essen gibt, außer… diesem Lembas.
Tuiloril lachte fröhlich, „Dann auch Kuchen. Für einen Tag. Aber nicht viel, sonst hart wird. Wir sorgen, dass Ihr nicht hungrig seid bis Breeland.“
Millaray seufzte erleichtert, „Das ist sehr nett, Frau Tuiloril.“
Währenddessen sprachen Cugufaerhim und Grimweard über die Lage im Norden. Der Elb versprach Unterstützung. Grimweard warnte leise, „Sollte der Hohe Pass von uns aufgegeben werden, wird das Volk der Kuduks als erstes der Klinge der Orks entgegen sehen. Und es gibt nur noch wenige von ihnen in unseren Landstrichen.“ Er blickte Sorgenvoll zu Millaray hinüber.
Die letzten Wörter von Grimweard bekümmerten Millaray. Wird sie ihre Familie je wieder lebendig sehen?
Cugufaerhim nickte leicht zu Grimweards Worten, wobei er sich dann erneut ein wenig streckte und schließlich leise seufzte. Es wirkte beinah, als würde seine Aufmerksamkeit rapide abnehmen, ob er es nun wünschte oder nicht. Auch Bherain ertappte sich, wie ihre Augen ab und zu zufielen.
„Ich denke mit diesem Wissen werde ich heute Nacht gut schlafen können.“ sagte Grimweard. „Und wo ich gerade darüber rede...die Müdigkeit überkommt mich nun langsam.“
„Sollen wir hier nicht lieber unser Nachtlager aufschlagen?“ fragte Bherain.
„Doch. Das sollten wir. Den Weg ins Gebirge werden wir heute nicht mehr suchen.“ antwortete Grimweard.
„Dann solltet Ihr .... nun, schlafen, denke ich. Es ist hier so sicher wie an jedem andren Ort in diesem Tale, also seid unbesorgt.“ sagte Cugufaerhim.
„Ihr hier schlafen könnt. Nächte hier im Tal sind warm im Frühling.“ versicherte Tuiloril.
„Dann habt Dank für eure Gastfreundschat oder wie man bei uns sagt Behealdath thanc fore éower giestlithnéss.“ bedankte sich Grimweard.
„Gerne geschehen, Grimweard. Oder wie wir dann antworten: "Glass enni".“ antwortete Tuiloril.
„Nun, es war und ist und wird uns wohl stets eine Freude sein, Freunde zu bewirten, nicht wahr liebe Tuiloril?“ entgegnete Cugufaerhim.
Cugufaerhim erhob sich sachte und rieb sich kurz und nachdenklich über den Nacken, bevor er sich suchend umsah und dann murmelte etwas, was wohl eine Harfe und deren Abwesenheit betrifft. Tuiloril erhob sich auch und klopfte ein paar Grashälmchen von ihrem Gewand.
„Sollten Sie irgendwann mal bei mir vorbeikommen, wo auch immer es mag, dann sind sie auch stets Willkommen.“ fügte Millaray hinzu.
„Ich danke.“ sagte Tuiloril und verneigte sich lächelnd. „Losto vae... schlaft wohl. Hier Ihr alle sicher.“
„Das ist wohl kein schlechter Gedanke.“ Cugufaerhim nickte der guten Millaray freundlich zu und neigte Kopf und Schultern. “Also wünsche ich euch allen angenehme Träume.'
Grimweard sagt: 'Hannad nîn, Herr Elb.'
Tuiloril machte eine tiefe Verbeugung und ging fort. Cugufaerhim nickte nochmals mit diesem seltsam sanften und traurigen Lächeln und wanderte dann auch von dannen, wobei er schon nach wenigen Schritten leise und wohltönend vor sich hinsang.
„Werden wir uns jemals wieder sehen?“ fragte Millaray traurig. Sie hatte die Bherain in ihr Herz geschlossen, für die Tage, die sie zusammen verbrachten. Sie erinnerte sie stark an ihre kleine Cousine Lilly. Mit dem Grimweard war sie sich nicht sicher. Er war ein treuer Gefährte, mit dem ihr Leben sicher war. Aber doch recht rau.
„Nein. Wir gehen sofort zurück zum Hohen Pass.“ Grimweard antwortete grimmig.
„Vielleicht, wenn ich zurück komme…“ murmelte Millaray leise und dann horchte das Plätschern des Wassers. Sie erinnerte sich an den Spaziergängen an den Anduin entlang und das letzte Mal als sie ihre Familie sah.
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