Erinnerungen

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Catly
Herbstwald-Echo
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Erinnerungen

Ungelesener Beitragvon Catly » Mittwoch 28. Oktober 2015, 02:16

Die gejagte Jägerin


Seufzend ließ Catly den Bogen sinken und suchte mit ihren Augen den Waldboden ab. Sie war schrecklich unkonzentriert heute. Den gesamten Vormittag war sie einer Fährte Richtung Osten gefolgt, hatte sie mehrere Male verloren, doch nach genauerer Untersuchung der Umgebung immer wieder gefunden.
Und nun war sie wieder weg.
Catly richtete sich auf, hängte sich den Bogen über die Schulter und schlich behutsam weiter, darauf bedacht so wenige Geräusche wie möglich zu verursachen.
Eine leichte Brise fegte zwischen den Bäumen hindurch, zerrte sacht an ihrem lila Hütchen und wehte ein paar rotbraune Blätter an der jungen Hobbitfrau vorbei. Es roch nach feuchtem Herbstlaub und Eicheln. Bestimmt ließen sich auch noch letzte Pilze finden, kam es Catly in den Sinn als ihr Bauch ein leises Grummeln von sich gab. Zaghaft bahnte sie sich ihren Weg durch das Unterholz, den ausgefransten Saum ihres Kleids gerafft, damit er sich auch ja nicht ständig im Geäst verfing.
Aufmerksam ließ sie ihren Blick zwischen den Bäumen umher schweifen.
Ein Vogel begann in der Ferne zu zwitschern und als Catly ihren Kopf hob und in die Richtung spähte, aus der die hellen Töne zu kommen schienen, bemerkte sie eine kleine sonnenbeschiene Lichtung. „Pilze mögen Lichtungen“, murmelte Catly schmunzelnd und hob dabei ihren rechten Zeigefinger, ganz wie es ihr Vater früher immer getan hatte, wenn .. Catly runzelte die Stirn und ließ den Finger wieder sinken. Wenn was? Entnervt schüttelte sie den Kopf und schritt auf die Lichtung zu. Plötzlich hatte sie das Bild ihres Vaters ganz deutlich vor Augen. Wie er in seiner Försteruniform mit den glänzenden Knöpfen und den grünen Kniestrümpfen vor ihr stand. Wie er sie zu sich her winkte, zu ihr hinunter beugte und in verschwörerischem Ton sagte: „Pilze mögen Lichtungen. Schau, mein Sonnenschein. Dort hinten, siehst du den?“ Catly hatte den weißen, fetten Pilz mit großen Augen betrachtet, dann zu ihrem Vater geblickt und flüsternd erwidert: „Aber der sitzt ja im Schatten?“ Daraufhin hatte Per ihr zugezwinkert und ihr ins Ohr geflüstert: „Nun weißt du, Pilze mögen Lichtungen, aber Schatten mögen sie noch mehr. Darum suchen sie sich am liebsten einen Platz am Rande einer Lichtung. Verstehst du? Wie bei einem Konzert auf der Methelbühne. Sie suchen sich den besten Platz und dann beobachten sie wie die Blätter im Herbst auf der Lichtung tanzen und wie die Rehe sich morgens zum Grasen treffen und wie abends der Fuchs dem Hasen gute Nacht sagt.“ Das kleine Mädchen hatte ihrem Vater mit offenem Mund gelauscht und bei seinen letzten Worten entzückt gekichert.
Das Keckern eines Eichelhähers riss Catly aus ihrer Erinnerung. Einen Moment lang schloss sie die Augen und stand ganz still. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich nicht an Weiteres erinnern.
Sie setzte sich wieder in Bewegung und nachdem sie sich an einem mit Efeu bewachsenen Baum vorbeigewunden hatte, stand sie plötzlich unvermittelt in der Sonne.
Es musste inzwischen früher Nachmittag sein.
Catly hob das Gesicht der Sonne entgegen und streckte beide Arme von sich. „Mein Sonnenschein.“
So hatte er sie immer genannt. Dabei war es Percival Roselli gewesen, der überall mit seinem herzlichen Lächeln die Sonne hatte aufgehen lassen. Catly hatte ihn nie missmutig erlebt.
Selbst an dem Tag als der Boden gebebt hatte, hatte er ihr tief in die Augen geblickt und voller Zuversicht lächelnd, jedoch mit eindringlichem Ton, gesagt: „Alles wird gut, mein Sonnenschein. Das ist bloß der Wald, der etwas aufgebracht ist. Wir sind gleich draußen, dann ist es vorbei.“
Und dann war es vorbei gewesen.
Catly blinzelte eine Träne weg und drehte sich langsam im Kreis. Ihre Augen huschten fieberhaft umher, auf der Suche nach etwas, das ihr halten geben könnte. Angestrengt versuchte sie das Bild zu verdrängen, das sich aus ihrem Gedankenchaos hervorhob.
Sie ballte ihre Fäuste so fest zusammen, dass sich ihre Fingernägel in ihre Handballen gruben und atmete tief ein. Dann hielt sie die Luft an, schloss die Augen und zählte in Gedanken langsam bis fünf.
Diesen Trick hatte ihr Vater ihr einst… Stopp. Nochmal. Eins, zwei, drei…Sie ließ langsam die Luft aus ihren Lungen strömen. Vier,… fünf! Catly merkte wie sie sich beruhigte und wie sich ihre Hände entspannten. Sie sog den frischen Duft der Gräser auf der Lichtung ein und lauschte dem sanften Wind, der durch die Baumkronen wisperte.
Dann öffnete sie langsam ihre Augen. Zuerst blendeten sie die Sonnenstrahlen, doch als sie sich nach wenigen Sekunden wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte,
nahm sie plötzlich am Rande der Lichtung etwas wahr. Unschuldig ‚saß‘ er da und schien diese komische Hobbitfrau, die eindeutig verrückt sein musste, interessiert zu beobachten.
Catlys erster Impuls war, zu dem Pilz zu rennen, ihn auszureißen und zu zertreten. Nichts war gut geworden. Gar nichts. Und Pilze konnten nichts beobachten, da sie nicht mal Augen besaßen!
Heiße Tränen liefen Catly die Wangen hinunter. Ihr war als bebte der Boden wieder, als zitterten die Baumwipfel, als grollte die Erde. Kraftlos sank sie auf den feuchten Boden und begann bitterlich zu weinen, während die Bilder der Erinnerung an den schrecklichen Erdrutsch auf sie niederprasselten.
Den Erdrutsch, der Catly nicht nur ihren größten Vertrauten genommen hatte, sondern sie auch um ihre Kindheitserinnerungen gebracht hatte. Um die unzähligen Stunden, die sie mit ihrem geliebten Vater im Wald verbracht hatte, ab dem Zeitpunkt, wo sie laufen und „Waldpapa“ sagen konnte.

Mit einem letzten Beben von Catlys Brustkorb versiegten ihre Tränen. Schwerfällig hob sie den Arm und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Dann nahm sie ihren Hut vom Kopf, wodurch sich die rote Lockenpracht über ihre Schultern ergoss, und legte sich ganz auf den Boden. Dieser war von der Sonne, die nun langsam hinter den Baumkronen verschwand, angenehm gewärmt. Catly schniefte nochmal und blickte dann hinauf zum Himmel. Über der Lichtung trudelten bunte Blätter umher. Hoch oben flog ein Vogel über sie hinweg. Mit müden Augen beobachtete Catly wie ein gelbes, gezacktes Blatt langsam auf sie hinab segelte und auf ihren Haaren landete. Sie wollte noch den Arm heben, um das Blatt wegzuwischen, doch da waren ihr schon die Augen zugefallen.

Der Pilz hockte stumm am Rande der Lichtung und wachte über das schlafende Hobbitmädchen.



-Ende-
;Jäger


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Ungelesener Beitragvon Catly » Sonntag 6. Dezember 2015, 01:50

Von Jägern und (Angst)Hasen


Sie wischte sich ihre schmutzigen Hände am Stoff ihres Kleides ab und richtete sich zufrieden auf. Das war die letzte Falle gewesen. Nun hieß es warten. Zu dieser Jahreszeit, wo langsam das Futter knapp wurde und der erste Schnee fiel, würde es nicht allzu lange dauern bis ein Tier von dem Köder angelockt und sich in der Schlinge verfangen würde. In ein oder zwei Tagen würde Catly nochmal vorbei schauen.
Sie bückte sich und sammelte ihre Sachen auf. Eine Windböe zerrte an ihrem Kleid und riss ihr den Hut vom Kopf. Erschrocken richtete Catly sich auf und versuchte nach ihm zu greifen, doch er war schon außer Reichweite und trudelte zwischen den Bäumen dahin. Unentschlossen strich sich Catly die roten Locken aus dem Gesicht, die nun nicht mehr von lilanem Filz gebändigt wurden, und blickte nach Westen. Die Sonne stand schon so tief, dass es aussah als hätte sie sich auf den Hügeln zum Schlafen gelegt. Catly wandte ihren Blick wieder in die entgegengesetzte Richtung und suchte die Baumkronen hastig nach ihrem Hut ab.
Glücklicherweise entdeckte sie ihn sofort. Er hatte sich in einem der weniger hohen Äste einer Tanne verfangen und schaukelte dort im Wind. Catly seufzte und bahnte sich eilig einen Weg durch das kahle Gestrüpp. Schon bald würde die Sonne ganz hinter den Hügeln verschwinden und dann würde es dunkel werden. Und Catly hatte keine Lust nach Einbruch der Dunkelheit durch den Wald zu irren.
„Nur ein Dummkopf würde es riskieren, nachts im Winter in den Wald zu gehen, mein Sonnenschein“, hörte sie ihren Vater sagen. Und er hatte natürlich Recht gehabt. Nachts sah eh alles anders aus. Da wäre es ein Leichtes, sich im Wald zu verirren, vor allem, wenn der Himmel bedeckt und keine Sterne zu sehen wären, an denen man sich orientieren konnte.
Catly blickte an der Tanne hinauf. Der Hut hing ein wenig zu hoch, als dass sie so ohne weiteres dran gekommen wäre. Sie schaute sich suchend um. Ein Stock. Hier musste doch irgendwo ein langer Stock sein, mit dem sie ihren Hut aus der Tanne angeln konnte. „Immerhin bin ich in einem Wald“, dachte sie genervt. Doch der gesamte Waldboden schien von einem durchweichten, undurchdringlichen Blätterteppich bedeckt zu sein. Catly überlegte kurz die Blätterschicht mit den Händen beiseite zu schaufeln, doch dann schüttelte sie unwirsch den Kopf. Irgendwo war auch die Grenze.
Entschlossen packte sie stattdessen einen der untersten Äste der Tanne und begann feste daran zu zerren und zu wackeln. Das brachte den gesamten Bereich drum herum in Bewegung, erreichte jedoch nicht den Ast, an dem der Hut hing. Wütend stemmte Catly sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Stamm und gerade als sie dachte, sie müsse ihren Hut vielleicht mit einem Pfeil herunter schießen, löste sich dieser und plumpste ihr vor die Füße. „Puh“, ächzte sie. „Na bitte. Wie hätte das auch ausgesehen, wenn ich einen durchlöcherten Hut gehabt hätte.“
Sie hob ihn auf, beäugte ihn kurz prüfend und quetschte ihn in ihren kleinen Beutel. Dann hielt sie inne. Irgendwas irritierte sie. Catly spähte herum, doch außer den dunklen Umrissen der Bäume konnte sie nicht viel erkennen. „Es ist einfach zu dunkel“, murmelte sie Achsel zuckend, dann erstarrte sie und flüsterte: „Zu..dunkel…“ Sie blickte rasch hinauf zum Himmel und ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Kein einziger Stern war zu sehen.
„Ganz ruhig“, ermahnte sie sich selbst. „Du weißt, wo vorhin noch die Sonne untergegangen ist. Und da ist Westen. Und da musst du hin.“ Mit diesen Worten wandte Catly sich um und tastete sich vorsichtig durchs Unterholz.


Schon bald war es so dunkel im Wald, dass sie sich mit ihren Füßen und Händen vorantasten musste, um nicht über ein Hindernis zu stolpern. Catlys Atem ging schnell, doch er wurde vom Brausen des Windes übertönt. Immer wieder macht sie eine kurze Pause und versuchte sich zu orientieren, hoffte auf ein paar Sternchen, die durch die Wolkendecke blinken würden.
Catly fror jetzt richtig. Sie beschleunigte ihre Schritte, was sie mehrere Male über einen Ast oder eine Wurzel taumeln ließ, aber sie wollte nur noch nach Hause. Schnellstens. Und ihrer Schätzung nach müsste sie den Waldrand bald erreicht haben und von dort aus würde es nicht lang dauern nach Lindholz. Sehnsüchtig dachte sie schon an einen Zuber heißen Wassers mit einer ihrer Lieblings-Zitronenmelissenseifen. Und danach würde sie sich tief in ihr Bett kuscheln und nie nie wieder hinaus gehen in diese kalte, dunkle Welt- .. „Jetzt reiß dich mal zusammen!“, dachte Catly entrüstet über sich selbst. „Bist du ein Angsthase oder ein Jäger? Jäger jagen, Hasen fliehen. So einfach ist da- Ah!“
Der Boden hatte plötzlich unter ihr nachgegeben. Oder war sie über etwas gestolpert? Für den Bruchteil einer Sekunde war sie völlig verwirrt, dann schlug sie hart auf dem Boden auf, der sich daraufhin schnell um sie zu drehen schien. Reflexartig zog sie den Kopf ein und schlang ihre Arme um sich. Dann war es vorbei. Catly lauschte. Nichts war zu hören außer ihrem rasenden Herzen und ihren stoßweisen Atemzügen. Der Wind schien abgeflaut zu sein. Zitternd setze sich Catly auf und spähte umher. Sie kniff die Augen zusammen und verfluchte sich innerlich, dass sie keine Laterne oder wenigstens einen trockenen Ast und ein Zunderstückchen dabei hatte. Das würde sie schleunigst nachholen müssen. Wozu hatte sie denn ihren kleinen Beutel, wenn nicht genau für solch-.. Ihr Beutel. Und ihr Bogen und der Köcher. „Meine Pfeile!“, dachte sie panisch und tastete den Boden um sich herum ab. Zu ihrer Linken spürte sie einen leichten steinigen Anstieg. Dort musste sie herunter gepurzelt sein. Bestimmt hatte sie ihre Sachen beim Sturz die Böschung hinunter fallen gelassen. Langsam krabbelte Catly den Hügel hinauf, während sie mit beiden Händen den Boden absuchte. Plötzlich spürte sie etwas Weiches. Das musste ihr Beutel sein. Fahrig hängte sie ihn sich über die Schultern und wollte gerade weitersuchen als sie ein Geräusch vernahm. Sie hielt den Atem an und spitzte die Ohren. Irgendwo hinter ihr, am Fuße der Böschung regte sich etwas. Etwas Schweres. Etwas schwerfällig Tapsendes. Catly sträubten sich die Nackenhaare. „Das darf doch nicht wahr sein“, dachte sie bei sich, dann ließ sie panisch ihre Hände über den steinigen Boden gleiten und bewegte sich kniend weiter den Abhang hinauf. Ein Schnauben drang zu ihr hoch. Catly wirbelte herum. Sie konnte kaum etwas sehen. Angsterfüllt schob sie sich rückwärts von dem dunklen Schatten weg, der sich weiter unten sogar noch gegen die Schwärze der Nacht abhob. Etwas piekte sie in den Rücken und ein Seufzen entfuhr ihr als sie ihre Hand darum schloss. Ihr Bogen. Und dieser dünne Stock daneben…Ein Pfeil!
Ein brummendes Knurren ertönte, gefolgt von einem Knacken und Schnüffeln als der Bär sich auf den Hang zu bewegte. Catly unterdrückte den Instinkt sofort aufzuspringen und schreiend Reißaus zu nehmen. Stattdessen blieb sie mucksmäuschenstill sitzen und überlegte. Sie hatte einen Pfeil. Einen einzigen. Und sie sah so gut wie nichts. Ein Brummen ertönte aus der Dunkelheit. Plötzlich fühlte Catly sich auf springen, den Pfeil anlegen und den Bogen spannen. Sie atmete ganz ruhig und jede Faser ihres Körpers vibrierte vor Anspannung. Irgendwo am Fuße des Abhangs hielt der Bär inne und sog witternd die Luft ein.
Einige Minuten vergingen, in denen absolute Stille herrschte. Dann hörte Catly wie sich der Bär wieder in Bewegung setzte. Doch das Schnüffeln und Tapsen entfernte sich von ihr. Der Bär schien das Interesse verloren zu haben oder keine Gefahr in ihr zu sehen. Ein erleichtertes Wimmern entfuhr Catly. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie vor Angst die Luft angehalten hatte. Ihre Knie zitterten und ihre Arme schmerzten, doch sie wagte nicht ihren Bogen sinken zu lassen.
Eine Weile stand sie noch so da und lauschte hinab, dann nachdem sie nichts weiter gehört hatte als das sachte Säuseln des Windes, entspannte Catly sich etwas. Müdigkeit überkam sie und plötzlich tat ihr alles weh. Der Sturz musste mehrere blaue Flecken und ein paar Kratzer hinterlassen haben, die nun unangenehm pochten. Aus dem Augenwinkel sah Catly eine Bewegung. Sie wandte den Kopf nach rechts und erblickte ein kleines, rundes Licht, das in der Ferne auf und ab hüpfte.
„Eine Laterne!“, dachte sie und ihr Herz machte einen Sprung. „Das muss ein Grenzer sein!“
Bogen und Pfeil immer noch in beiden Händen, sprintete Catly los. Rechter Hand an der Böschung entlang, den leicht abfallenden Hügel hinunter und durch die Wiese auf die Straße zu.
Bevor sie jedoch die Straße erreichte und von dem Grenzer gesehen werden konnte, hielt sie an.
„Wenn man mich so zugerichtet um diese Uhrzeit hier draußen sieht, entstehen nur peinliche Fragen“, sagte sie zu sich selbst. „Und Gerüchte. Und Gerede.“ Sie konnte sich lebhaft vorstellen wie zum Beispiel dieser Buchsbaum vorwurfsvolle Blicke und Kommentare äußern würde. Also noch vorwurfsvoller als sonst.
Catly wartete bis der Grenzer aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, dann wandte sie sich nach links und eilte die Straße nach Lindholz entlang.


Obwohl es schon auf Mitternacht zugehen musste, war es gar nicht so leicht gewesen, unauffällig und ungesehen zu ihrem Smial zu gelangen. Immer wieder musste Catly Grenzern mit Laternen, den Lichtkegeln normaler Straßenlaternen und möglichen, neugierig hinter ihren Gardinen lauernden, Nachbarn ausweichen.
Zuhause angekommen, ließ Catly ihr Zeug einfach auf den Boden plumpsen. Dann verschloss sie die Smialtür doppelt und humpelte zur Feuerstelle. Ungeduldig wartete sie, bis das Feuer groß genug war, dann füllte sie Wasser in einen Kessel und hängte ihn übers Feuer und setzte sich selbst davor. Müde legte sie ihren Kopf auf die Knie und genoss wie die Wärme langsam zurück in ihren Körper kroch. Das Feuer knisterte und knackte und roch nach Wald und Rinde und Blätter und Wind, der ihr durchs Haar strich und- ..
Catly schreckte hoch. Fast wäre sie eingeschlafen.
Stöhnend erhob sie sich und wuchtete den Kessel mit dem heißen Wasser vom Feuer. Langsam goss sie das Wasser in ihren Zuber und ging dann mit dem Kessel in die Küche, wo sie ihn zum Abkühlen an einen eisernen Haken hängte. Von einem Regal im Eck nahm sie ein kleines weißes Stück Seife, in dem zahlreiche grüne Blättchen eingeschlossen waren und das frisch und zitronig roch.
Zurück im Hauptraum, legte sie die Seife neben den Zuber, überlegt kurz und schob diesen dann ächzend näher ans Feuer, wobei einige Schlucke Wasser über den Zuberrand schwappten. Ein paar Tropfen flogen ins Feuer und zischten laut.
Völlig entkräftet und mit zittrigen Fingern löste Catly die Schnüre ihres Kleides, ließ es zu Boden gleiten und stieg in den Zuber. Sie seufzte wohlig als das heiße Wasser ihren geschundenen Körper umspülte und den ganzen Schmutz und die Anspannung wegbrannte. Mit geschlossenen Augen summte sie eine ruhige Melodie.
Nachdem Catly sich von oben bis unten gesäubert hatte und den Kampf gegen die unzähligen Knoten in ihrem Haar seufzend verloren hatte, schlüpfte sie in ihr Nachthemd, löschte das Feuer und schlurfte völlig geplättet ins Schlafzimmer. Den Zuber würde sie morgen ausleeren. Nichts würde sie jetzt noch dazu bringen können, ein weiteres Mal vor die Tür zu gehen.
Catly ließ sich in die Kissen fallen und bevor sie den Gedanken, wie himmlisch es doch war, frisch gewaschen zu Bett zu gehen, beenden konnte, war sie schon eingeschlummert.


...


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