Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Zeiten

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Pennuidhel
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Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Zeiten

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Samstag 13. Juni 2015, 18:24

Vorwort

Nur eine kleine, flackernde Kerze erhellte das Zimmer, in dem Pennuidhel oft saß, wenn sie entweder ihren Gedanken nachhing oder sich mit einem guten Buch zurückziehen wollte. Ein Tisch aus feinstem Eschenholz, dessen filigran gearbeiteten und kunstvoll geschwungenen Füsse sanft den violetten Teppich streichelten, sowie ein einfacher Holzstuhl waren die einzigen Möbelstücke, die sie brauchte, wenn sie hierher kam. Selbst gegen ein Fenster verwehrte sie sich, obwohl sie von einem der oberen Türme der Zuflucht der Gwedh en Galad in den Ered Luin einen direkten Blick auf ihren geliebten Brunnen gehabt hätte. Doch wurde ihre Entscheidung respektiert, denn sie wollte sich keinen Einflüssen von außen hingeben, damit nicht auch nur das kleinste Detail ihre Konzentration beeinträchtigte.

Sanft strich sie mit den Fingerkuppen über den samtenen Einband eines Buches, das auf dem Tisch lag und durch das spärliche Licht in einen Ton aus dunklem Rot getaucht wurde. Behutsam tastete sie sich zu der silbernen Kordel vor, die den Folianten zusammenhielt, öffnete den Knoten und schlug die erste Seite auf. Doch anstatt Buchstaben in der Sprache der Elben zu sehen, war sie leer, nackt und ohne jegliche Verschnörkelungen. Dies war kein Buch, dass es zu lesen galt, eher eines, das noch geschrieben werden wollte und begierig darauf wartete, dass ein Federkiel die Seiten kitzelte und die Schrift auf dem Papier entblößte.

Zu Pennuidhels Rechten stand ein kleines Fass mit einer schwarzen Flüssigkeit, in das ein etwas größerer Kiel aus einer braunen Feder getaucht war und nun von ihrer Hand immer wieder darin eingetunkt und am Rand des Gefäßes leicht von überschüssiger Flüssigkeit befreit wurde. Als dieser schlussendlich das Papier berührte, gab er stets ein leichtes Kratzen und Schaben von sich, doch ohne auch nur einen Riss in der Seite zu verursachen. Und allmählich entstanden die geschwungenen Zeichen des Tengwar vor Pennuidhels Auge.

"Wo fängt man an, wenn man über etwas schreibt, dass bereits vor Tausenden von Jahren begonnen und noch nicht einmal im Ansatz geendet hat? Welche Eindrücke kann man vermitteln, wenn man einerseits die schönen Dinge sah, doch auch die dunklen Epochen der Zeitalter überdauert hat?

Mein Name ist Pennuidhel Delanya und ich bereise nun seit über siebentausendfünfhundert Jahren die Länder Mittelerdes. Als eine der letzten der Leikvir, der "Grünen Schar", wie wir uns nennen und welche die Noldor Laiquendi rufen, kenne ich viele Geschehnisse aus allen Zeitaltern. Viel Leid traf mein Volk und nur noch wenige von uns sind überhaupt noch auf Mittelerde, denn das Land, in dem ich einst aufgewachsen bin, existiert nicht mehr und das schon seit Ende des Ersten Zeitalters. Einiges habe ich verloren in diesen Zeiten, doch später auch wieder gewonnen, es sind wir, die die Geschichte schreiben und nicht die Geschichte, die unser Schicksal verändert. Unsere Taten und unser Handeln in den verschiedensten Situationen prägt das, was letztendlich aus dem jetzigen Zustand heraustritt und die Zukunft einläutet.

Doch möchte ich keineswegs einen Abriss dessen geben, was in der Welt geschah, es sind schon genügend Bücher darüber geschrieben worden. Vielmehr werde ich kleinere Episoden von dem berichten, was ich während all diesen Zeiten erlebt habe, sowohl die glücklichen als auch die etwas traurigeren."


Bei dem letzten Wort kratzte der Kiel etwas mehr über das Papier und hinterließ einen sichtbaren Streifen, der nicht zu einem der Buchstaben gehörte, doch hatte er sich leicht ihrem Griff entzogen, als Pennuidhel kurz zusammenzuckte. Obwohl es ihr bekannt war, war sie so in ihren Gedanken versunken, dass sie die Tür zu der kleinen Kammer erst viel zu spät wahrnahm. Den Federkiel wieder in das Fass steckend, drehte sie sich herum, um auf den Gast zu warten, der soeben die Türe geöffnet und wenig später dann vor ihr in dem Raum stehen sollte.
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Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Sonntag 14. Juni 2015, 16:40

Die Sorge einer Freundin

Zaghaft drang das Licht der Sonne, den Gang in einen sanften Goldton tauchend durch den immer größer werdenden Türspalt und füllte schließlich den Raum. Während Pennuidhel sich von dem Stuhl erhob und sich herumdrehte, um ihren Gast zu empfangen, kitzelten die Sonnenstrahlen bereits an ihren Zehnspitzen, die von einem samtenen, leicht grünlich schimmernden Schuhwerk bedeckt waren. Weiter drangen sie vor, hefteten sich wie Finger an ihre Beine und versuchten sich an dem seidenen Stoff ihres weißen Gewandes mit dem grünen Saum emporzuziehen. Eine Kordel aus eben selber Farbe legte sich geschmeidig um ihre Hüften, raffte das Kleid und hielt es soweit, dass es nicht lose an dem Körper der Elbe herunterfallen konnte. Mit einer schnellen Handbewegung strich Pennuidhel eine Falte glatt und sah wieder zu der Türe hin. Obwohl hier niemandem Gefahr drohte, so hielten ihre smaragdgrünen Augen doch stets ihre Umgebung mit wachem Blick fest. Auch wenn dieser oft ernst und prüfend war, so zeugte er ebenfalls von einer Wärme, der ihrem Gegenüber das Gefühl gab zu jeder Zeit eine Art von Geborgenheit zu erfahren, so er der Eldar keinen Anlass dafür gab ihre Haltung ihm gegenüber ändern zu müssen. Nur eine Strähne ihres silbrig glänzendes Haares, welche sich vor ihr linkes Ohr geschlichen hatte, trug sie offen, der Rest war durch zwei, in sanftem Blau schimmernde Haarmuscheln zusammengehalten, so dass es weder ihren alabasterfarbenen Nacken herab noch auf ihre Schultern fallen konnte.

"Tretet ruhig ein, Ihr braucht keine Scheu vor mir zu haben."

Sanftmütig, aber dennoch in einer Art fordernd, rief Pennuidhel ihren Gast zu sich, der sich, obwohl die Tür bereits bis zur Hälfte geöffnet war, noch nicht zeigen wollte. Vorsichtig, und mit gesenktem Kopf erschien schließlich ein, für sie doch recht junger, Elb und trat in den Raum, in den Händen ein kristallfarbenes Tablett haltend, auf dem einige Früchte und eine Karaffe mit Wasser standen.

"Verzeiht, Herrin, aber ich sollte Euch diese Dinge hier bringen, damit Ihr etwas etwas esst und trinkt."

Leicht seufzend und ein wenig über die Schüchternheit des Elben vor ihr schmunzelnd, trat sie auf ihn zu und hob ihm mit einer Hand zart den Kopf, damit er in ihr Gesicht schauen konnte.

"Ich danke Euch Navarion, aber ich hatte kürzlich erst ein Mahl zu mir genommen. Dass Ihr hier seid, zeigt mir, dass sich wohl jemand um mein Wohlbefinden sorgt, ist es nicht so?"

Ein kurzes Nicken bestätigte Pennuidhels Vermutung. Mit einer Hand nahm sie ihm das Tablett ab und platzierte es an eine freie Stelle des Tisches. Die Speisen und das kühle Wasser begutachtend, setzte sie sich, leicht den Kopf nach hinten drehend, wieder auf ihren Stuhl.

"Sagt ihr, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Noch wird es kein Schiff geben, das mich nach Westen bringt und noch bin ich fähig meinen Bogen zu halten, dass ich keine Feinde fürchten müsste, um diese Zuflucht verteidigen zu können."

Das Schließen der Türe war die einzige Antwort, die Pennuidhel vernahm, als sie sich wieder ihrem Buch widmete. Doch kreisten ihre Gedanken um die Früchte, die auf dem Tisch lagen, so dass sie den Folianten schließlich mit einem gequälten Nicken wieder mit der Kordel versah und die Hände darauf legte.

"So lange kennen wir uns bereits und du glaubst immer noch, mir etwas Gutes tun zu müssen, wenn ich mich ein wenig zurückziehe."

Wie in Gedanken versunken vor sich hin murmelnd, musterte sie einen der Äpfel, griff nach ihm und begutachtete ihn in ihrer Hand.

"Ich kenne dich besser als jeder andere hier, sogar vielleicht besser als du dich selbst, Pennuidhel."

Mit einem dumpfen Ton landete der Apfel auf dem kahlen Boden, als sie die kühle und strenge Stimme aus dem Hintergrund vernahm.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Montag 15. Juni 2015, 15:57

Die Schwanenschiffe von Alqualonde

Die Worte, welche Pennuidhel vernahm, besaßen eine Schärfe, die sie aus ihren Gedanken rissen und fühlten sich an wie eine Klinge, die behände den eben noch in ihrer Hand liegenden Apfel mühelos hätte zerteilen können. Mehr einem Reflex als einer kontrollierten Bewegung folgend, griff sie nach dem nun auf dem Boden liegenden, durch den Aufprall eingedrückten, Obst. Doch noch ehe sie auch nur die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, hielt ihr eine Hand den Apfel entgegen.

"Deine Aufmerksamkeit und Schnelligkeit lassen nach, Wächterin. Vielleicht sollte ich die Führung der Jäger jemandem übertragen, der nicht so sehr in Gedanken versunken ist, wie du es momentan bist."

Wächterin? Es gab nur wenige Situationen, in denen die Elbe, deren tadelnder Unterton unüberhörbar war, sie nicht beim Namen nannte. Und keine davon behagten ihr, denn stets folgte darauf eine Unterredung, die damit endete, dass ihre Argumente an Halt verloren, bis sie sich letztendlich eingestehen musste, dass ihre Sichtweise die Falsche war. Seufzend und mit zusammengekniffenen Augen griff sie nach dem Apfel und legte ihn zurück auf das Tablett.

"Meine Sinne sind noch gut genug zu unterscheiden..."

"Deine Sinne haben dir nicht einmal gesagt, dass jemand hinter dir eine Tür öffnet, sie wieder schließt und sich dir nähert ohne wirklich darauf zu achten möglichst geräuschlos einzutreten."

Von ihrem Stuhl aufspringend, wirbelte Pennuidhel herum und funkelte ihr Gegenüber an, nur um im nächsten Augenblick festzustellen keineswegs in ein ernstes und mahnendes Gesicht zu blicken. Auch wenn kein Lächeln die Lippen ihres Gegenübers umspielte, so sah sie dennoch in ein Paar treuherziger Augen, die nicht darauf bedacht waren zu schelten, sondern eher eine Spur der Sorge in sich trugen und versuchten etwas aus ihrem Verhalten zu lesen. Mit einem leichten Kopfschütteln wendete die Elbe den Blick ab, raffte ihr langärmeliges, aus feinstem roten Stoff gefertigtes, Kleid und ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf dem Pennuidhel bis vor Kurzem noch saß. Die Hände sanft übereinander auf ihren Schoß gelegt, schaute sie nun auf.

"Deine Augen sind getrübt, Faeliriel, doch zu unrecht. Du musst dir keine Sorgen um mich machen."

Pennuidhels anfängliche Erregung, ob der Störung, war bereits verflogen, so dass ihre Stimme wieder die Sanftmütigkeit besaß, die sie normalerweise auszeichnete. Nur leicht wendete sie ihren Kopf nach hinten und doch war ihr in dem kurzen Moment, in dem sich die beiden Elben gegenüberstanden nicht verborgen geblieben, dass Faeliriel´s Augen nicht den gleichen Glanz der Sterne besaßen, wie sie es sonst taten.

"Warum denkst du, sollte ich das nicht? Ich habe dich beobachtet in den letzten Tagen und Wochen. Wenn du nicht in Gedanken an dem Brunnen sitzt, so ziehst du dich hier in diese Dunkelheit zurück oder schaust von einem Felsen auf die Schiffsländen in Celondim. Du solltest wissen, dass du mir nichts verheimlichen kannst. Du hast Sehnsucht nach dem Meer, ist es nicht so?"

Ohne sie anzusehen, nickte Pennuidhel knapp aber so deutlich, dass es unmissverständlich eine Bejahung der Frage war.

"Uns trennen mehr als fünftausend Jahre, zwar bist du in Lindon aufgewachsen, aber du kennst die alten Zeiten nicht, die Trauer und den Schmerz, den ich ertragen musste, als Beleriand am Ende des ersten Zeitalters unterging. Ich habe nicht nur meine Heimat verloren, sondern auch mein Volk. Denethors Niederlage besiegelte unser Schicksal. Wir gelten nicht umsonst als verlorenes Volk. Es sind Erinnerungen, die ich niemals vergessen werde und jetzt, da die Bäume schwinden und sich der Schatten erneut erhebt, wirkt diese Trauer und Sehnsucht umso stärker."

Sie wusste nicht, ob Faeliriel bis zum Ende hingehört hatte, aber sie bezweifelte es, denn schon während ihrer Antwort drang ein wohlklingender, zart gehauchter Gesang an ihre Ohren. Als sie sich gewahr wurde, von was der Text handelte, schloss Pennuidhel die Augen, um sich die Schwanenschiffe, wie sie damals in Alqualonde vor Anker lagen, bildlich vorzustellen.
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Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Dienstag 16. Juni 2015, 13:46

Gedenken an Alqualonde

Erst als der leise, glockenklare Gesang verstummte und in ein sanftes Summen der Melodie überging, öffnete Pennuidhel ihre Augen wieder. So sehr hatten sie die Gedanken an ferne Zeiten in den Bann gezogen.

"Mit Freude denke ich an diesen Ort zurück, doch auch mit Schmerz. Warum wähltest du gerade dieses Lied?"

Mit neugierigem Blick wendete sie sich zu Faeliriel und wartete geduldig auf eine Antwort.

"Ich weiß, wie sehr du die Geschichte magst. Jedes Mal, wenn wir sie spielen, tauchst du ein in die Vergangenheit deines Volkes. Du vermisst sie sehr, das spüre ich jedes Mal, wenn deine Flöte zu dem Lied erklingt."

Den Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen nickte Pennuidhel ihr zu.

"Ja, das tue ich. Du warst nicht da, als Alqualonde in seiner ganzen Pracht erstrahlte. Ich dagegen schon und das Bild ist von unbeschreiblicher Schönheit. Jedes Haus, welches dort zu finden war, glänzte im Antlitz der Sterne. Nicht, weil es so gebaut wurde, nein, es waren die Perlen, welche aus dem Meer geholt und als Verzierungen genutzt wurden. Und überall standen Lampen mit geschwungenen Podesten, welche die gesamte Stadt erhellten und sie in ein Licht tauchten, das heller war, als alles, was du dir vorstellen konntest. Und dort lagen sie...die Schiffe, welche die Form eines Schwans besaßen, in reinstem weiß, mit goldenen Schnäbeln und Augen, deren güldener Glanz nur durch ein kleines Stück schwarzer Kohle getrübt wurde, um das Innere des Auges darstellen zu können. Doch dann kamen sie..."

Pennuidhel brach ihre Erzählung ab und drehte den Kopf mit gesenktem Blick weg von der Elbe, hin zu einer der kahlen Wände. Mit einer Mischung aus Wut und Trauer schluckte sie einige Male, bis sie sich selbst als fähig ansah ihre Geschichte weiterzuführen.

"Es war ein dunkles Kapitel, das selbst unter uns Eldar kaum erzählt wird und wir am liebsten würden vergessen können. Es waren die Noldor, die das Schicksal Alqualondes besiegelten, indem Feanor versuchte die Schiffe mit Gewalt an sich zu reißen. Mehrere Male versuchte er es, doch vergeblich, bis Fingon mit seiner Schar in den Kampf eingriff. Ich sah an diesem Tage viele meiner Freunde fallen und auch ich entkam diesem Blutvergießen nur, weil sich mein Vater schützend vor uns stellte. Meine Mutter nahm mich bei der Hand, wies mich an, nicht zurückzuschauen und stets nach vorne zu gehen, egal, was für Geräusche ich hinter mir hörte. Ich sah nicht zurück, aber in meinem Herzen spürte ich bereits den Schmerz des Verlustes, der mich ereilen sollte.

Unser Volk besaß Bögen, doch gegen ein gut bewaffnetes Heer der Noldor? Es war ein Massaker und selbst die Genugtuung zu sehen, dass alle Schiffe, die uns gestohlen wurden, nie ihr Ziel erreichten, brachte mir keine Linderung meiner Trauer. Nie wieder kehrte ich an diesen Ort zurück und doch höre ich immer noch gerne das gesungene Quenya über die Schönheit der Stadt."


Mitfühlend nickend und sanft den Kopf ihrer Freundin an ihre Brust gedrückt haltend, versuchte Faeliriel ihr den Schmerz etwas erträglicher zu machen. Einige Tränen fielen auf ihr Kleid, färbten es durch die Nässe in dunkles Rot und verteilten sich langsam auf dem seidenen Stoff.

"Denk an den ersten Teil deiner Geschichte, Pennuidhel, nicht an das, was du mir danach erzählt hast. Deine Trauer wird nie ganz vergehen, doch kannst du sie erträglicher machen, wenn du an das denkst, was die Stadt für dich immer war. Ein Hafen, der dein Herz erfreute und an den du dich so gerne erinnerst. Und nun komm, lass uns etwas nach draußen gehen, ich möchte dir die neuen Blumen zeigen, die ich aus Duillont geholt habe und die frische Luft wird dir guttun."

Langsam ihren Kopf hebend, nickte Pennuidhel sachte und folgte ihrer Freundin aus der dunklen Kammer heraus. Ein kühler Wind und der Geruch der Pflanzen würde ihr nun wahrlich zu Gute kommen.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Mittwoch 17. Juni 2015, 13:39

Luthien und Niphredil

Sachte, wie eine Hand, die sie zart am Kopf streichelte, umspielte der kühle Lufthauch Pennuidhels Haare, verfing sich in ihnen und strich ihre Strähne über das Ohr. Sichtlich diese Umgarnung, das Zwitschern der Vögel und das leise Rascheln der Blätter an den Bäumen geniessend, zog sie die Frische tief ein und atmete sie mit einem leichten Seufzen wieder aus. Obwohl sie das Umland der Zuflucht kannte, fühlte sie in diesem Moment das Leben noch mehr durch ihren Körper strömen. Die warmen Strahlen der Mittagssonne erleuchteten das Laub und verliehen ihm eine gold-gelbe Färbung. Vielleicht hatte Faeliriel Recht und sie war wirklich schon zu oft in der kleinen Kammer gewesen, fern von den Geräuschen der Natur. Mit dem Anflug eines leichten Lächelns beobachte sie ihre Freundin, wie sie ein paar lose zusammengebundene Blumen von der Kordel befreite, um sie schließlich an einen sonnigen Platz in dem kleinen Beet zu setzen. Ein wirklich schöner kleiner Garten, wie sie empfand, denn überall sprießten die Pflanzen in den schillernsten Farben, von rot bis gelb über grün, bis hin zu sanften blauen und violetten Tönen. Kurz bogen sich die kleinen Blätter unter der Last des kristallklaren Wassers, welches sie berührte als Faeliriel den Inhalt einer kleinen Karaffe über sie ergoss, schüttelten sich und reckten sich wieder empor, um einzelne Tropfen aufzufangen und zu den Stielen hinzuführen.

Pennuidhel kniete sich halb vor die Blumen, strich sanft mit der Hand über die Blätter, hielt sie wie einen Kelch guten Weines und nahm vorsichtig eine aus der lockeren Erde. Wie ein schneeweißer Mondstein funkelte die Blüte im Licht der Sonne, räkelte sich geradewegs in den Strahlen und versuchte sich in der Hand der Elbe so zurechtzulegen, dass sie es möglichst angenehm hatte.

Faeliriel folgte den Bewegungen ihrer Freundin aufmerksam mit den Augen, beobachtete, wie sie schließlich an einer der Statuen in dem parkähnlichen Gelände Halt machte und die Blume dort wieder am Fuße des Sockels einpflanzte. Die in Stein gegossene Elbenmaid, welche aufrecht, in langem Gewand, ihre Hand nach oben reckte und nach etwas greifen wollte, war die Verkörperung Luthiens, welche einen Ehrenplatz in dem Garten besaß. Langsam setzte sie einen Fuss vor den anderen, sich Pennuidhel leise nähernd.

"Niphredil, ich lege sie Euch zu Füssen Herrin Luthien, denn keine Blüte des einstigen Beleriands ist so an Euch geknüpft wie diese hier. Sie ist die Blume Eurer Geburt und auch die, die Euch begleitet hat, als Ihr starbt. Möge sie in Eurer Gegenwart lange gedeihen."

Zögerlich erhob sich Pennuidhel schließlich und drehte sich um.

"Ich wusste gar nicht, dass Niphredil auch in deinem Garten blüht, ich sah sie bisher außerhalb Beleriands nur in Lothlorien unter den goldenen Mallornbäumen."

Einmal kurz auflachend schüttelte Faeliriel vergnügt den Kopf.

"Nein, meine Freundin, ich werde dir nicht verraten, wo ich sie her habe. Wichtig ist nur, dass ich sie dir zeigen wollte, weil ich weiß, wie sehr du diese Blume magst. Sehe es als Geschenk an, welches ich dir mache, aber frage mich nicht nach der Herkunft. Ich sagte dir bereits, du sollst dich an die schönen Dinge deiner einstigen Heimat erinnern und nicht daran, was dich traurig werden lässt. Du bist noch nicht bereit in Trübsal zu vergehen und die Reise nach Westen anzutreten, doch darfst du deine Augen nicht vor der Schönheit der Welt verschließen. Ich habe diese Niphredil schon länger und doch hast du sie erst jetzt entdeckt, weil deine Gedanken sich um die düsteren Kapitel unserer Vergangenheit rankten."

Mit einer raschen Bewegung ergriff Faeliriel Pennuidhel´s Hand und zog sie hinter sich her.

"Und nun komm, auch wenn ich dir gerne diese Dinge zeige, so haben wir auch noch Pflichten, die uns keiner abnehmen wird."

Dem fragenden Blick ihrer Freundin entnahm sie, dass es ihr entfallen war. Kurz aufseufzend sah Faeliriel ihr mit betrübtem Blick in die Augen.

"Wir müssen den Festsaal noch vorbereiten, hast du das vergessen? Mein Vater wird doch heute hier eintreffen und ich möchte ihm einen Empfang bereiten, der seiner würdig ist. Und du weißt, wie gerne er den Geschichten anderer lauscht."

Einen gequälten Ausdruck auf ihrem Gesicht aufsetzend, folgte ihr Pennuidhel schließlich. In ihrer Trauer hatte sie diesen Tag in der Tat vergessen und schimpfte innerlich mit sich selbst. Es war noch so viel vorzubereiten und so wenig Zeit, doch zumindest hatte sie bereits eine Idee welche Art von Erzählung sie bei Tisch zum Besten bringen konnte.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Donnerstag 18. Juni 2015, 13:08

Theygeirons Ankunft

Pennuidhel wusste nicht, wie es möglich war, all die Vorbereitungen für das abendliche Fest noch rechtzeitig zu treffen, doch war es wohl Faeliriel´s Organisation zu verdanken. Dutzende von silbernen Kandelabern, auf denen kleine Kerzen flackerten, zierten die Ecken des großen Festsaals der Zuflucht, Wandteppiche mit Motiven aus längst vergangenen Tagen prangten an den Wänden und erzählten jeder für sich eine Geschichte in Form des Bildes, welches sie beherbergten. Eine Elbe in schneeweißem Gewand streichelte sachte die Saiten einer Harfe und spielte eine Melodie, nicht zu laut, dass es in einer Weise störend wirken würde, aber auch nicht zu leise, dass man nicht mehr hätte die Noten hören können. Die Mitte des Raumes wurde ausgefüllt von einem langen Tisch aus feinster Buche, bedeckt mit einem dunkelblauen Tuch, welches einen sternenerfüllten Nachthimmel ohne auch nur eine einzige Wolke darstellen sollte. Karaffen, Schalen und Teller standen darauf, gefüllt mit Wein, Tee, verschiedenen Salaten, Obstsorten aus unterschiedlichen Landen und Fisch. Es war schwer sich zu entscheiden, was Pennuidhel nun als Erstes probieren sollte, so reichhaltig war es und köstlich duftend. Immer wieder kamen Elben aus den Gängen heran, füllten das wieder auf, was schon bald zur Neige ging und verschwanden wieder, so schnell wie sie gekommen waren. Faeliriel wolle unbedingt den Abend so gestalten, dass ihr Vater überwältigt sein würde und das war ihr wahrlich gelungen, denn auch jetzt noch, Stunden nachdem Pennuidhel Theygeiron in den Saal geführt hatte, schien er über die Schönheit zu staunen und sprach seine Tochter oft darauf an, warum sie genau diesen Wandteppich und jenes Bildnis aufgehangen habe.

Lange schwieg sie, saß nur da, nippte teils an ihrem Wein und aß mal hier und da ein wenig von ihrem Salatteller, doch stets den alten Elben mit den strengen und durchdringenden Augen beobachtend. Viel älter war er als Faeliriel und oft auf Reisen, daher wollte sie ihrer Freundin diesen Abend durch ihre eigene Traurigkeit nicht streitig machen. Es kam so schon viel zu selten vor, dass die beiden sich sehen konnten. Leise summte sie die Melodie der Harfenspielerin mit, malte sich Bilder in ihrem Kopf dazu aus und gab sich ganz ihren Gedanken hin.

"Pennuidhel?"

Die sonore, kräftige Stimme Theygeirons riss sie aus ihren Gedanken, doch seinem Blick war deutlich zu entnehmen, dass er wohl schon mehrfach versucht hatte, sie aus ihren Gedanken wieder hin zu dem Geschehen in dem Raum zu holen.

"Meine Tochter erzählte mir eben ein wenig über Euch und dass sie sich Sorgen um Euch mache. Ich möchte sie nicht traurig sehen, wenn ich hier verweile, folgt mir, ein nächtlicher Spaziergang durch die Gärten der Zuflucht sollten Euch gut tun."

Seufzend stellte Pennuidhel das Glas ab und folgte ihm nickend aus dem Saal hinaus und hin zu der Eingangspforte. Sie wusste nur zu gut, dass es keineswegs lohnte sich auf Diskussionen mit dem Elben einzulassen.

"Eure Tochter macht sich zu viele Sorgen, das habe ich ihr aber auch schon erklärt. Mir geht es gut, Theygeiron."

Seite an Seite gingen sie durch das frisch geschnittene Gras und nur das kalte Licht des Mondes wies ihnen den Weg hin zu den steilen Klippen, von denen man die Aussicht auf den Hafen Celondim geniessen konnte.

"Nun, wenn das so ist, dann erklärt mir bitte, warum Gerüchte in Umlauf gebracht werden, dass die Gebiete westlich von Duillont nicht mehr so sicher seien wie einst noch. Ist es nicht Eure Aufgabe für die Sicherheit dieser Zuflucht zu sorgen?"

Irritiert wendete Pennuidhel den Blick zu ihm und sah ihn fragend an ohne auch nur ein Wort hervorbringen zu können.

"Wie Ihr wisst, werde ich schon bald wieder abreisen und ich möchte nicht, dass meiner Tochter etwas zustösst. Ihr seid für ihren Schutz verantwortlich, doch wenn mein Auge sieht, dass Bilwisse nun ungehindert in den Bergvorsprüngen nicht weit nördlich der Weinberge ein und ausgehen können, so muss ich mir die Frage stellen, warum Ihr sie nicht vor mir gesehen habt."

"Die Bilwisse hier sind keine Bedrohung, es sind vereinzelte Gestalten, die auf der Suche nach Nahrung ihre Höhlen verlassen. Ich habe nicht genügend Jäger jedem einzelnen Bilwiss nachzustellen, Theygeiron."

"Es sind nicht nur ein oder zwei, ich sah sie Kisten in die Höhlen tragen und eine eigenartige Bemalung tragen. Sie bereiten sich auf etwas vor und ich nehme sie schon als ernstere Bedrohung wahr."

"Also gut, schauen wir uns diese Höhle einmal genauer an. Wenn es stimmt, was Ihr sagt, dann wäre das nicht gut und tatsächlich eine ernste Sache. Ich werde mir nur vorher etwas bequemeres anziehen, wenn Ihr erlaubt."

Stoisch, ohne auch nur eine Gefühlsregung, nickte Theygeiron und wartete ab, bis Pennuidhel sich wieder bei ihm einfand, um gemeinsam mit ihr dieser Spur nachzugehen, von der er glaubte, dass sie der Zuflucht eine große Gefahr bringen könnte.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Freitag 19. Juni 2015, 15:23

Die Höhle unter dem Berg

Mit einer Hand das Gras befühlend, kniete Pennuidhel auf dem, durch die Kühle der Nacht feucht gewordenen, Waldboden und schaute angestrengt in Richtung des Bergmassivs des Rath Theraig. Ein kleiner Durchlass führte weit unter das Gebirge, doch außer ein paar Wölfen, die im Wald auf der Suche nach Nahrung waren, konnte sie keinerlei Gefahr beobachten.

"Seid Ihr Euch sicher mit den Bilwissen, Theygeiron? Weder mein Auge, noch mein Ohr warnen mich vor diesen kleinen Kreaturen und selbst das Gras zeugt nicht von ihrer Anwesenheit. Ich erkenne zwar Spuren, doch gehören sie keinem, der nur auf zwei Beinen unterwegs ist."

Nachdenklich kniete sich Theygeiron neben sie, besah sich die Abdrücke, die ihm Pennuidhel zeigte, und nickte dann.

"Vielleicht habt Ihr Recht und doch sollten wir uns die Höhle dort hinten näher ansehen. Sie sind da, ganz sicher."

Mit einem Ruck erhob sich Pennuidhel, griff nach ihrem Bogen und schaute ihn ernst und kopfschüttelnd an.

"Es werden keine dort sein. Bilwisse scheuen das Licht, ebenso wie Orks es tun, warum sollten sie also gerade jetzt in ihren Höhlen bleiben? Wenn sie sich so zusammenrotten, wie Ihr sagt, dann müssten wir des nachts zumindest ein paar von ihnen sehen, doch tun wir es nicht. Der Bergdurchbruch da hinten wird von Tieren verwendet, um einen Schutz vor der Nacht oder neugierigen Augen zu haben, das wisst Ihr so gut wie ich selbst. Also warum sind wir hier?"

"Die Grotte, welche Ihr bereits erwähnt habt, möchte ich Euch zeigen. Faeliriel hat sie vor wenigen Tagen entdeckt und mir davon berichtet."

"Und warum zeigt sie mir diese dann nicht selbst?"

Mit einer Spur aus Verwirrung und Skepsis zog sie eine Braue nach oben und wartete auf Theygeirons Antwort, die weder lange auf sich warten ließ, noch das aussagte, was sie zu hören hoffte.

"Ich habe Euch nur bis hierhin gebracht, geht doch hinein und seht selbst."

Einen kurzen Seufzer des Unverständnisses ausstoßend, schüttelte sie den Kopf und machte sich auf in die Richtung der Höhle, denn von diesem Elben würde sie wohl kaum eine zufriedenstellende Antwort erhalten.

An dem Gebirge angekommen lugte sie vorsichtig in das Dunkel hinein, denn auch wenn sie keinerlei Gefahr spürte, so war sie sich dennoch unschlüssig, was sie im Innern erwarten würde. Sich an dem kahlen, schroffen Gestein vortastend, betrat sie schließlich die Grotte, setzte langsam einen Fuss vor den anderen, immer ein leichtes Rauschen von Wasser im Ohr zu haben. Keineswegs unangenehm, eher wie ein sanftes Plätschern von Wellen, die auf einen sandigen Strand trafen. Weiter führte sie ihr Weg und wenig später öffnete sich der schmale Gang, machte Platz für eine riesige Höhle, die nach oben hin offen war, so dass Pennuidhel den Mond und die Sterne sehen konnte. Kaltes, weißes Licht fiel auf die Mitte der Grotte, direkt auf einen Teich, dessen Wasser in einer Mischung aus hellem violett erstrahlte. Fackeln an den Wänden spendeten einen warmen, rot-goldenen Ton, der von den Wänden zurückgeworfen wurde. Am hinteren Ende ergoss sich mit sanftem Rauschen ein Wasserfall in den See hinein, womöglich von einem Gebirgsbach, der sich oberhalb der Höhle durch das Gebirge schlängelte. Eine Hand in das kühle Nass eintauchend, setzte sich Pennuidhel an den Rand des Teiches, ließ den Zauber dieser Grotte auf sich wirken und schaute mit feuchten Augen nach oben zu den Kindern Elbereths, so überwältigt war sie von der Schönheit dieses Ortes.

"Ich wusste, dass es dir gefallen würde, meine Freundin."

Langsam näherten sich Theygeiron und Faeliriel ihr und ließen sich ebenfalls an dem unterirdischen Wasserfall nieder.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Montag 22. Juni 2015, 11:47

Die Zuflucht der Gwedh en Galad

Ihre Freundin mitfühlend beobachtend, ließ sich Faeliriel neben ihr an dem Rand des Sees nieder und strich ihr eine verirrte Strähne aus dem Gesicht.

"Schau in den Teich hinein und sage mir, was du siehst."

Langsam beugte sich Pennuidhel über das kristallklare Wasser und sah in ihr Spiegelbild wie es leicht vor ihren Augen, durch die Bewegungen auf der Oberfläche verschwimmend, auftauchte. Es war das Gesicht einer Elbe, die ihr auf eine gewisse Art fremd geworden war. Keine Regung zeigte sich bei ihr, nicht einmal das leichte Zucken der Lippen, um ein sanftes Lächeln hervorzubringen. Die Augen waren starr nach oben gerichtet, kalt und leer, als wenn jegliches Licht aus ihnen entschwunden wäre und nur noch eine entfernte Erinnerung an die Fröhlichkeit in ihrem Inneren davon zeugte. Rings um den Kopf spiegelten sich die Sterne, blass und kaum von der Wasseroberfläche zu unterscheiden, doch waren sie da in dem fahlen Schein des Mondes. Unruhig wurde das kühle Nass, warf Ringe und plätscherte leicht, als eine Träne Pennuidhels auf das Wasser traf und in den Tiefen versank.

"Warum zeigst du mir das hier? Es birgt keine Freude in sich, nur Schmerz und Trauer. Es ist kein Abbild von mir, nur eine grässlich verzerrte Wahrnehmung, derer ich habhaft werde."

Mit einem Ruck wendete sich Pennuidhel von dem See ab, verlies den Platz, an dem sie eben noch hockte und wanderte ziellos in der Höhle umher.

"Dieser See zeigt nicht dein körperliches Abbild, es zeigt vielmehr deine Seele und deine Gefühle. Bist du fröhlich, so wird sich der Spiegel verändern, bist du jedoch traurig, so zeigt er dir das, was du eben sahst. Und nur du vermagst es dein Bild darin wieder zu erkennen, ich werde nur meines darin finden."

Pennuidhel hörte nur halbherzig hin, sie war mit den Gedanken längst woanders, an einem Ort, der ihr so viel Freude bereitet hatte. Es war an einem Tag, an dem sich die Blätter der Bäume durch den Anfang des Herbstes bereits in ein sanftes Rot verfärbten und die Vögel ihr Lied sangen, als sie den letzten Hügel herunter ritt auf die Zuflucht der Gwedh en Galad zu. Viele Jahrhunderte wanderte sie auf den Pfaden des Waldes, stets alleine und ohne auch nur im Entferntesten jemanden erblicken zu können, bis ihr Weg sie schließlich in die Ered Luin führte. In Duillont hatte sie bereits die Klänge der Elben vernommen, Harfen, Flöten und auch Klarinetten, ein Gefühl der Geborgenheit und Heimat. Damals kannte sie weder Faeliriel noch andere Mitglieder der Gemeinschaft doch war das, was sie dort vernahm für sie ausreichend zu wissen, dass sie sich an diesem Ort werde wohlfühlen können. So schrieb sie ihrer späteren Freundin einen Brief, sandte ihr einen Boten und wurde zu ihrer Freude eingeladen an einem Abend die Zuflucht besuchen zu dürfen. Offen, freundlich und herzlich war diese Begegnung mit viel Gesang und Geschichten aus alten Tagen, so dass sie sich sicher war wieder einen Ort gefunden zu haben, den sie Heimat nennen konnte nach den Tagen von Beleriands Untergang.

"Pennuidhel? Woran denkst du?"

Aus ihren Gedanken gerissen durch Faeliriel´s Stimme, drehte sie sich rasch herum und sah ihre Freundin mit einer Mischung aus Schmerz, aber auch einer gewissen Art von Freude an.

"An unser erstes Treffen, damals in Falathlorn, als du mir die Einladung schicktest und ich ein Heim fand in deiner Zuflucht. Die Stimme deines Gesangs und deine Harfe erinnerten mich an das, was ich verloren glaubte. Die Einsamkeit unter den schwindenden Bäumen, die sich meiner bemächtigte nach Ossiriands Fall war dahin und machte einer Geborgenheit Platz, welche ich bis zum heutigen Tage spüre."

Eilig lief Pennuidhel aus der Höhle, ließ Theygeiron und Faeliriel zurück und entschwand schon bald aus deren Sichtfeld. Sorgenvoll schaute ihre Freundin ihr nach, bis sie sich überwand und ihr folgte.
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Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Dienstag 23. Juni 2015, 12:55

Elbereths Kinder

Als sie aus der Höhle trat, bemerkte Faeliriel ihre Freundin, wie sie unter einer der Eichen saß und empor sah zu den Sternen. Langsam näherte sie sich ihr, setzte sich zu ihr und schaute sie mit einer Mischung aus Mitgefühl und Betrübtheit an.

"Siehst du Elbereths Kinder dort oben? Sie schauen auf uns herab. Aus dem silbrigen Tau des Baumes Telperion erschuf sie die Sterne, denn seine Blätter waren nur auf der Oberseite in sattem grün erstrahlend. Die Unterkante war aus einem silbergrauen Glanz. Elentari, so nannten wir Elbereth damals, die Königin der Sterne. Seitdem fühlen wir uns zu ihnen hingezogen, denn als wir erwachten, so sahen wir als erstes das, was Elbereth geschaffen hatte. Kannst du dich noch daran erinnern, was ich dir einst über sie sagte?"

Mehr in Gedanken sprach Pennuidhel leise, den Blick starr auf die hellen Lichter am Himmel gerichtet. Und doch erahnte sie das leichte Nicken Faeliriels als Antwort auf ihre Frage. Keinerlei Regung im Gesicht besitzend, zeigte sie schließlich auf einen Stern, der am hellsten erstrahlte.

"Meine Eltern erzählten mir oft Geschichten über die Sterne, doch eine war mir besonders ans Herz gewachsen. Jedes Licht dort oben stellt eine Person in deinem Leben dar, die gekommen und später wieder gegangen ist. Doch es gibt einen von ihnen, der am hellsten erstrahlt. Dies ist derjenige, welchen du am meisten vermisst, bei dem du dich geborgen fühlst oder jemanden, den du verloren hast und der dir sehr nahe stand. Trotzdem lebt er weiter in deinem Herzen und leuchtet dir den Pfad, den du gewählt hast. Nicht, um dich davon abzubringen oder deine Entscheidung in Frage zu stellen, sondern um dich zu leiten, dir ein Licht zu sein in der Dunkelheit und dich zu beschützen, wenn es nötig sein sollte."

Faeliriel folgte ihrer Hand, schaute auf zu den Sternen und seufzte dann schwer.

"Warum erzählst du mir das? Du hast die Geschichte damals verwendet, um mir Hoffnung wiederzugeben, die ich glaubte verloren zu haben. Doch ist dies kaum notwendig zu dieser Zeit, denn ich brauche keine Aufmunterung, vielmehr sorge ich mich um dich."

Nun doch zu einem schwachen Lächeln hingerissen, wandte Pennuidhel den Kopf zu ihr und schaute ihr müde in die Augen.

"Weil mein Stern dort oben, der, welcher für mich am hellsten leuchtet, keinesfalls vergangen ist. Es ist dein Symbol, welches mir die Hoffnung gibt, wenn ich zu Elbereths Kindern aufsehe, so denke ich auch an dich, an deine Stimme und deine Fürsorge, wie sie mir Kraft gibt die Trauer zu zügeln, welche sich über die Jahrtausende aufgestaut hat. Du wolltest damals auch einmal kurzzeitig bereits nach Mithlond, zu den Grauen Anfurten, pilgern, doch hielt ich dich ab, weil ich glaubte, dass deine Zeit in Mittelerde keineswegs schon vorbei war. Wärest du trotzdem gegangen, hätte auch ich das Schiff bestiegen. Und nun? Jetzt bin ich diejenige, welche auf diesen Pfaden wandelt und auch du versuchst mich zu halten, zeigst mir einen wunderbaren Ort in den Bergen und bist mir eine Schulter, sobald ich sie brauche."

Mit einem Male erhob sie sich, hielt Faeliriel die Hand hin und sah sie mit warmen Augen an.

"Anstatt mich im Trübsal zu suhlen, sollte ich dir dankbar sein. Dein Name, Fae, ist zurecht gewählt, denn du gibst denjenigen eine Seele, die sie brauchen. Es geht mir wieder besser als noch am gestrigen Tag. Lass uns zu Theygeiron zurückkehren und den Harfen in der Zuflucht lauschen."

Mit einem breiteren Grinsen, sichtlich den Erfolg ihrer Handlungen genießend, ergriff Faeliriel ihre Hand und machte sich gemeinsam mit Pennuidhel auf den Rückweg zum Eingang der Höhle. Sie sprachen noch viel in dieser Nacht, doch nicht über die vergangenen Tage, sondern über das, was vielleicht auf sie zukommen möge in den nächsten Wochen und Monaten.
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Re: Pennuidhel Delanya - Eine Elbe aus längst vergangenen Ze

Ungelesener Beitragvon Pennuidhel » Dienstag 30. Juni 2015, 20:31

Eärendil

Lange betrachtete Pennuidhel den grün funkelnden Beryll in ihrer Hand, drehte ihn gegen das Licht der einfallenden Sonnenstrahlen und lächelte kurz. Es war ungewohnt für sie, denn es war ein Geschenk eben jenes Volkes, für welches ihre Abneigung nicht hätte tiefer sein können. Vor nicht einmal einer Woche führte sie ihre Jägerinnen nach Nordwesten, in die schneebedeckten Bereiche der Ered Luin, denn die Berichte über Aktivitäten der Bilwisse in der Region rissen nicht ab. Zunehmend zu einer Bedrohung werdend, entschied sie sich den Zwergen der Feste Gondamon mit ihrem Bogen zur Seite zu stehen, bis sich schließlich die Bilwisse wieder in ihre Höhlen zurückzogen oder verstreuten. Das Volk Durins wusste, dass sie es ohne die eingreifenden Eldar weitaus schwieriger gehabt hätten, so machten sie Pennuidhel dieses Geschenk.

"Ein schöner Edelstein, woher hast du ihn?"

Kurz aufschauend, erblickte sie Faeliriel und bedeutete ihr auf dem Rand des Brunnens Platz zu nehmen.

"Ich erhielt ihn von den Zwergen, als wir Gondamon verteidigten, doch birgt er auch Erinnerungen an alte Tage. Ein grüner Stein, der das Licht der Sonne einfängt, so wie dieser hier, nur ist es bei Weitem nicht derselbe. Ich spreche von dem Elessar, dem Elbenstein, der von der Färbung her identisch war und doch anders. Ich weiß nicht, woher er kam, doch gelangte er in den Besitz Idrils, der Tochter des Turgon, Gondolins König. Später reichte sie ihn weiter an ihren eigenen Sohn, Eärendil, dessen Stern noch heute der hellste am Himmel ist. Du musst wissen, werte Freundin, ihr Sohn war keiner der Eldar, so wie du oder ich. Sein Vater war ein Mensch und doch fuhren er und seine Gattin gemeinsam in den Westen. Tuor, gebürtig aus dem Hause Hadors, wurde später zu den Noldor gezählt.

Eärendil dagegen war beides, Sprecher für Elben und für Menschen. Seine Ehefrau entschied jedoch damals, dass er den Eldar zugehörig sein sollte, was ihm eine Rückkehr nach Mittelerde verwehrte. Später erschien er dann als Stern im Krieg, der das Ende des Ersten Zeitalters besiegelte.

Dieser hier ist weder der Elessar, noch einer der Silmaril, und dennoch lässt mich seine Präsenz in die Vergangenheit eintauchen."


Vorsichtig umfasste Pennuidhel den Stein mit der Hand, hielt ihn fest, spürte, wie die Wärme des Beryll auf ihre Haut überging und schloss leicht die Augen. Leise, mit bebenden Lippen, rezitierte sie den Text.

Die ersten, sanften Töne einer zart gezupften Harfe drangen an ihre Ohren. Lächelnd wusste sie, von wem die Töne kamen, auch wenn sie ihre Augen weiter geschlossen hielt. Oft genug hatte sie das Lied an Eärendil schon von Faeliriel spielen hören, doch noch nie sog sie es so in sich auf. Den Beryll immer noch fest umklammernd, gab sie sich nun gänzlich der Musik hin, malte sich die Bilder von alten Zeiten in ihrem Kopf und verschmolz mit ihren Gedanken. Erst als das Saitenspiel endete, öffnete sie erneut die Augen und sah ihre Freundin freudig an.

"Vielen Dank, ich höre diese Melodie immer sehr gerne. Doch nun werde ich diesem Edelstein hier in meiner Hand einen Platz in unserem Hause suchen, wo er seine Geltung vortrefflich entfalten kann."

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