Flüchtige Bekanntschaften

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Celandril
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Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Freitag 24. Juni 2022, 22:59

Eine Unterhaltung im friedlichen Imladris zwischen

Wethrinvar, ziemlich alt (geschrieben von Wethrinvar [wahnsinnig überraschend, ich weiß...]) und
Celandril, nicht sonderlich alt (geschrieben von Celandril [damit habt ihr bestimmt nicht gerechnet!])



(( Die Geschichte ist schon ziemlich lang geschrieben gewesen, und lungert auch irgendwo im Netz noch herum. Ich stelle trotzdem diesmal immer nur Stückchen ein ;)
Viel Spaß beim Lesen :) ))



Wie nicht anders zu erwarten und wie es die letzten Tage stets gewesen zu sein schien, war es auch heute in Imladris und unter des Herren Elronds Schutz ein angenehmer und nicht wirklich kühler Tag.
Das Wasser der Fälle und des Bruinen rauschte und gurgelte munter und wild wie stets und Vöglein wie auch Eichkatzen und andere kleine Tiere schienen sich wohl zu fühlen und frei zu bewegen, als hätten sie keine Sorge auf der Welt. Aber welche sollte das auch sein, wo man ihnen doch hier nichts tun würde. Waren sie doch ebensolche Gäste wie die Zweibeiner, die ein und aus gingen im Hause des Herren Elrond.
Während es also im Tal eigentlich zuging, wie es eben stets zuzugehen pflegte, seufzte jemand schwer und sichtlich entnervt.
Der große und zumeist recht stille Elb mit dem honigfarbenen Schopf hinkte sachte über einen der vielen kleinen und großen Stege des Tales und ließ sich schließlich mit einem leisen Seufzen, eines von so vielen an diesem Tage, gegen den Stamm eines verhältnismäßig hohen Baumes sinken. Es war nichts im Vergleich zu den alten Stämmen und Riesen, die seine Heimat bot, aber immerhin besser als keine Bäume....
Also verharrte er nicht lange ,sondern glitt rasch und überraschend geschickt den Stamm hinauf und machte es sich auf einem der niedrigen Äste bequem. Von dort konnte er sehen und gesehen werden und vor allen Dingen konnte er ein wenig ruhen.
So dauerte es denn auch nicht lange, bis er diesem Bedürfnis nachkam. Schließlich hatte er sich nicht allzu lange Zeit davor mit einer Gruppe Elben unterhalten, die aus verschiedenen Winkeln Mittelerdes zu stammen schienen und allesamt ,wie er eben, Gäste im Tal des Elbenherren waren.
Aber da sie alle noch der Dinge harrten, die sie hier erhalten würden oder in seinem Falle , wieder zurückbringen sollten, würde man sich wohl irgendwie die Zeit vertreiben müssen.
So machte Wethrinvar es sich denn mehr oder minder bequem auf dem Ast, ließ die Fußknöchel locker verschränkt auf dem Holz ruhen , zum Stamme weisend, während Leib und Haupt auf dem schmaler werdenden Ast ruhten und das , als wäre es ein breites und bequemes Bett und nicht ein schmaler und im Wind hin und her wandernder Ast.
Der Waldelb , denn als einer bestimmten Art zugehörig hatte er sich nie gesehen, döste vor sich hin. Das warme Licht im Gesicht, den Blick ruhig auf das Laub über sich gerichtet und die frische Brise um die Nase. Das war angenehm und viel entspannter als daheim. Aber dennoch gefiel es ihm im Grünen besser als hier . Auch wenn er das selten genug jemandem sagte. Schließlich war man ja ein ordentlicher und liebenswerter Gast.
Dementsprechend wurde nun eben mit halb gesenkten Lidern verharrt, die Lippen zu einem halben Lächeln verzogen und im Wind mit dem Aste schwingend.
Wethrinvar schien sich keine Gedanken darüber zu machen, dass er fallen könnte. Stattdessen schien er völliges Vertrauen in den Ast zu haben und gähnte verhalten, bevor er sich endgültig ausstreckte.
Es war ja nicht so, als würde er das später viel oder häufig tun können. Also sollte er eben jetzt die Ruhe genießen. Aber Ruhe war, wie er noch feststellen sollte, stets etwas Relatives.
Aber grade verschwendete er keinen Gedanken an die jungen Leute, mit denen er sich unterhalten hatte. Ebenso wenig an die Fürstin von jenseits des Meeres. Das kümmerte ihn alles nicht wirklich. Nicht, solange es nicht zu den Dingen gehörte, die er eben beachten musste. Dafür hatte er zu viele Verpflichtungen, als dass er sich solcherlei noch gemerkt hätte.
Dennoch lächelt er schief, als er sich hier befand und überließ sich dem Spiel und Singsang von Wind und Pflanzen.
Was sollte es auch Schöneres zu tun geben?




Celandril hatte die anderen Elben nun sehr rasch verlassen, der Hinweis, sie habe noch zu tun, war nicht aus der Luft gegriffen gewesen. Doch der alte Text in dem unscheinbaren Buch drang nicht bis in ihre Gedanken, die wie schnelles Wasser um das neue Rätsel flossen, die bisherigen Hinweise mit sich nahmen und immer wieder neu anordneten, wie ein geometrisches Muster.
Ärgerlich schüttelte Celandril den Kopf – es war wirklich Zeitverschwendung, den Elben einordnen, durchschauen, verstehen zu wollen, den sie schon seit einiger Zeit immer wieder in Imladris sah. Bisher war es auch meist keine Schwierigkeit gewesen, ihm aus dem Weg zu gehen, und sowohl das leichte Nachziehen des Beins wie auch die vielleicht einst schöne Stimme zu ignorieren.
Beeinträchtigungen dieser Art waren selten, und Celandril selbst hatte erst einmal etwas ähnliches gesehen, wenn auch ihre Lehrer Geschichten erzählt hatten, aus den Zeiten der schrecklichen Schlachten – Geschichten, die deutlich machen sollten, dass auch die beste Heilkunst manchmal nicht ausreicht, um alles wie ungeschehen wirken zu lassen, dass manchmal der Wille den geschundenen Körper zu behalten stärker sein konnte als das Verlangen, diesen zu verlassen.
Die Elbe zog die Augenbrauen zusammen. Ablenkung, schon wieder, nach nur wenigen Zeilen. Ärgerlich, unpassend, nicht hinzunehmen… doch nach dem Gespräch, das nach so kurzer Zeit schon unterbrochen worden war, ließ sich die Springflut der Hinweise in ihren Gedanken nicht mehr aufhalten. Um die nötige Ruhe zu finden, mussten alle Teile am richtigen Platz liegen, musste das Rätsel gelöst werden.
Celandril steckte das Buch in die Tasche, und begann, ohne besonderes Ziel über die Wege Bruchtals zu gehen, bekannte Pfade, die die völlige Geistesabwesenheit nicht mit Stolpern oder Stürzen strafen würden.
‚Eine angenehme Begegnung, die von einer ebenso angenehmen unterbrochen wurde.‘
War es klug gewesen, diese Worte zum Abschied zu wählen? Die Überraschung in Wethrinvars Gesicht jedenfalls sagte schon ein paar Dinge über seine sonstigen Erfahrungen in dieser Hinsicht, doch konnte so viel durch einfache Höflichkeit überspielt werden…
Die Frage der Jungelbe, ob sie beide ein Paar wären! Mitten auf der Brücke musste Celandril wieder lachen. Ihre Reaktion war wohl unhöflich gewesen, mit Sicherheit, doch der Elb aus dem Grünwald hatte es offenbar nicht als beleidigend empfunden, welche Belustigung die Idee bei ihr ausgelöst hatte… so ein unvorstellbar großer Unterschied zu dem kurzen Satz zuvor, als die Neugier Losseanors, wie sie sich schnell vorstellte, diese beiden Elben noch nicht zu Wethrinvar und Celandril geführt hatte.
‚…und wir standen uns auf dem Felde gegenüber…‘
Hier lag einer der vermutlich vielen Schlüssel zwischen den Strudeln und Stromschnellen dieses Rätsels, umso wichtiger, da es in der folgenden Unterhaltung mit Malnoras und Losseanor als völlig unwichtiges Thema abgetan worden war.
Und der Sohn, der erwähnt worden war… auch ein Hinweis, an dem irgendetwas nicht zu passen schien, nur was… das blieb im Moment noch im Dunklen.
Sie sah wieder auf – die hohen Bäume warfen Schatten auf ihren Weg, den sie, ohne im Geringsten darauf zu achten, genommen hatte. Leises Lachen ließ sich nicht zurückhalten, wenn es auch nur leicht belustigt und gewiss nicht abfällig klang. Hatten sie nicht vor kurzem erst davon gesprochen, dass Betten Bäumen vorgezogen werden sollten – oder genau eben nicht?
Celandril sah nach oben zu Wethrinvar, und setzte sich neben einige blütenbehangene Büsche ins Gras, abwartend, wann der Waldelb wieder hinabsteigen würde. Ein Gespräch sollte immerhin nicht mit einer zu unwillkommenen Störung beginnen…dafür war auch nach einem höflichen Anfang noch genug Gelegenheit.




Ein Lid zuckte leicht, während der rechte Arm schon seit einer kleinen Weile entspannt nach unten hing, die langen Finger locker gen Boden deutend. Die Linke ruhte derweilen sachte auf der eigenen Brust und zuckte nun ebenfalls ein wenig, während er blinzelte. Es war angenehm gewesen. Er hatte sicherlich einige Stunden hier oben geruht und nicht nur dem Wasser , sondern auch den Bäumen gelauscht, deren Gespräche, wenn man den Austausch denn so nennen wollte, hier weitaus friedlicher und langsamer waren als im Grünen. Aber das war nicht verwunderlich, nicht wahr?
Das Lachen nun rief ihm das Gespräch wieder ins Gedächtnis, das er schon nicht mehr weiter beachtet hatte. Dafür waren die Erinnerungen zu unangenehmer Natur gewesen und er seufzte leise, kaum hörbar, bevor er sich aufsetzte und die langen Beine achtlos von dem Ast baumeln ließ, während er nach unten blickte und Celandril musterte.
Sie verharrte dort im Gras und Schatten, den das Geäst darüber warf und schien zu warten. Auf ihn ? Oder jemand anders ? Im Grunde war es einerlei , konnte er doch nicht hier verharren und so tun als hätte er sie nicht gesehen, solange er eben das nun doch getan hatte.
Das lag ihm einfach nicht. Also zuckte er mit den Schultern. Es war nicht hoch und er war weitere Sätze gewohnt, wenn es nötig war. Also ließ er sich hinabgleiten, hing einen Moment lang nur an den Fingerspitzen an dem Ast, sodass seine Füße dem Boden weitaus näher waren und er vorher auf einem weiteren Ast würde landen können.
Der alte Schmerz jagte wie gewohnt durch das Knie, als er aufkam, aber außer einem leisen Rascheln, das der Wind ja nun auch permanent erzeugte, war nichts weiter zu vernehmen. Auch wenn sie sich sicher denken konnte, dass er grade hinab kam.
Einen Moment lang hingen seine Beine vielleicht zwei Schritt oder etwas mehr über dem Boden, während er an den Fingern vom zweiten Ast herabhing, bevor er still auf dem Boden landete und in den Knien abfederte, bevor er sich wieder aufrichtete und sie fragend anblickte.
Neugierde und eine leise Wachsamkeit, die er sonst recht selten zeigte, wenn er hier war, schimmerten in den grünen Augen, während er grüßend nickte.
" Mae govannen, Celandril . Führten Euch nur die Füße her durch reinen Zufall oder kann ich etwas für Euch tun? "
Die Stimme , heiser wie stets , leise und kontrolliert. Auch ansonsten wirkte er nicht abweisend oder ärgerlich. Eher ein wenig... irritiert vielleicht?
Aber während der Frage musterte er den Boden schon. Es gab sicherlich genug Plätze, an denen man sich entspannt niederlassen konnte. So sie also sprechen wollte, würde er sich auch an einem davon niederlassen. Ansonsten gab es noch andere Bäume, deren Geäst Ruhe bot.
Erst einmal die Antwort abwarten und mit leicht zur Seite geneigtem Haupte auf sie herabschauen.



Lange musste sie nicht warten, bis Wethrinvar sich von dem Baum herabgleiten ließ…ohne das Bein, welches ja doch nach kurzer Zeit von jedem Beobachter als zumindest auffällig bemerkt wurde, in übermäßiger Weise zu schonen.
Welche Art von Verletzung hat dies verursacht, wie schlimm ist es noch, und wann ist es geschehen, seit wann verheilt, wer hat es behandelt, wo und warum…ein Glück, dass die heisere Begrüßung die wirbelnden Fragen schnell genug unterbrach, ehe eine davon unachtsam ausgesprochen war.
Celandril sah zu dem stehenden Elben hinauf und lächelte.
„Suilad, Wethrinvar! Ich hoffe ich störe Euch nicht?“
Die Frage, wenn auch freundlich vorgebracht, war dennoch reine Höflichkeit, was ein jeder, der zuvor schon mit Celandril zu tun hatte, Wethrinvar hätte sagen können. Das freundliche Lächeln dagegen war alles andere als aufgesetzt, und erreichte schnell und mühelos die hellgrünen Augen.
„Tatsächlich wusste ich nicht, dass Ihr hier seid. Zumindest war mir der genaue Ort nicht bekannt oder bewusst…man kann also sagen, ich bin zufällig hier… da ich aber mit Euch sprechen wollte, trifft es sich sehr gut, und Ihr könnt tatsächlich etwas für mich tun, wie es scheint. Es sei denn natürlich, Ihr habt wichtigeres zu tun, als ein paar Worte auszutauschen!“
Ein paar Worte…noch war sich Celandril nicht ganz klar darüber, wie einfach, oder wie schwierig, dieses Gespräch werden würde. Doch darüber nachzusinnen wäre verschwendete Zeit, wo man es ja auch einfach beginnen konnte.



Ein Gespräch suchte sie also? Das konnte ja vielleicht sogar interessant werden. Oder schmerzlich. Vielleicht auch beides oder nichts davon.
Wethrinvar zuckte leicht mit den Schultern, lächelte und ließ sich auf die für ihn übliche Art und Weise niedersinken.
So mühelos er auch den Sprung zum Boden ausgeführt hatte, so sehr schonte er das Bein doch wieder, als er sich auf ebenjenen Boden sinken ließ.
Es sachte anwinkelnd und ein wenig zur Seite drehend, dann wegstreckend , bis es vom Körper fortgestreckt war.
Erst dann das Linke anwinkelnd, bis er eben auf dem Boden saß und das linke Bein entspannt vor sich streckte, das Rechte derweilen sachte mit dem Fuß aufstellte, sobald er es soweit angewinkelt hatte.
" Mit Sicherheit stört Ihr nicht. Ich frage mich nur, was genau Ihr Euch unter ausgetauschten Worten vorstellt. Was kümmert Euch denn, dass Ihr scheinbar dafür wandert, um mit mir zu sprechen, Celandril? Etwas Besonderes oder hat Euch nur eine Frage gepackt, von der Ihr meint, dass ich sie beantworten könnte? "
Er zog fragend eine der fein geschwungenen Brauen empor, während er sich ein wenig zurücklehnte, bis er mit den Unterarmen auf dem Boden ruhte und durch das Anwinkeln eben doch noch halb sitzend verharrte, sie fragend anblickte, während in seinem eigenen Geist die Fragen einander jagten und nicht fassen konnten.
Was wollte wohl ausgerechnet die Dame von ihm, die die ersten Treffen und Gespräche über so still und zurückhaltend gewesen war? Was interessierte sie so sehr, dass sie hier umherwanderte, bis sie ihn vorfand? War sie deswegen gewandert? Eigentlich schon, wenn man ihren Worten Glauben schenken wollte. Aber warum misstrauisch sein, wenn sie doch offensichtlich nur über etwas reden wollte? Würde er doch erst einmal sehen,was sie denn zu wissen begehrte. Schließlich gab es ausreichend Dinge, über die er offen und mühelos mit ihr sprechen und diskutieren könnte. Aber andere Themen widerum...
Er zuckte innerlich mit den Schultern, während nach außen hin ohnedies nicht zu sehen war, was er grade dachte. Eine unbewegte Miene, einen Mundwinkel in sachtem und nichtssagendem Lächeln gehoben und scheinbar darauf wartend, dass sie sagte , was eben ihr Begehr war.
Aber er hatte wohl geruht und so würde er sich auch nicht ungeduldig zeigen. Schließlich war er entspannt und ruhig und durchaus auch neugierig, was sie denn so interessiert an einem Wortwechsel mit ihm sein ließ.



Die komplizierte, aber offenkundig lang geübte Bewegung, die nötig war im auf den Boden zu sinken strafte den Sprung von eben Lügen…doch Gründe konnte es dafür viele geben. Celandril beschloss für den Moment, nach der höchsten Wahrscheinlichkeit zu gehen, und, bevor sich dieses Verhalten als neue Überlegung zwischen die anderen einreihte, schnell für sich selbst Stolz als Grund festzulegen. Damit hatte sie bei einem früheren Freund aus dem Nachtwald meist ebenfalls richtig gelegen…und sollte sich der Gedanke letztlich als falsch herausstellen, so wäre das nicht weiter tragisch. Manchmal führte Forschung eben zu einem anderen Ergebnis als dem angenommenen.
Immerhin war die Unterhaltung nun zum Greifen nah, und die bisherigen Hinweise tanzten in einem bunten Reigen durch Celandrils Gedanken. Womit nun anfangen, wo alles versuchte, in den Vordergrund zu drängen, Sohn, Freund, Vergangenheit, Krieg, Verwundungen…
„ Nun, so weit kam mir der Weg gar nicht vor, dass ich von Wandern sprechen würde!“
Celandril lachte leise dazu, eine bewährte Methode, die zu schnellen Wirbel zur Ordnung zu rufen.
„Ich war in Gedanken, und sah Euch zufällig….doch ich fragte mich auch, ob es bereits neue Erkenntnisse zu der Reise nach Lothlórien gibt…wobei Ihr ja eher in den Grünwald reisen wolltet. Da ich aber gern weiß, mit wem ich reise…nun es wäre interessant zu wissen, wie Eure Pläne dazu sind.
Was lässt Euch noch hier in Imladris warten, wenn es nicht Mitreisende sind – von denen Ihr nicht sehr begeistert wart, wenn ich mich nicht sehr irre…?“
Celandril neigte den Kopf etwas zur Seite, und spielte nebenbei, vermutlich unbewusst, mit dem schmalen, silbernen Armband, das doppelt um ihr linkes Handgelenk geschlungen war, und dabei leise klimperte. Das Lächeln dabei ließ deutlich genug erkennen, dass sie jede mögliche Antwort ohne große Bekümmerung hinnehmen würde, denn alle Variationen einer Antwort wären besser als keine zu erhalten.

Noldor: the Deep Elves, the second host of the Eldar on the westward journey from Cuviénen, led by Finwë. The name meant "the Wise" (but wise in the sense of possessing knowledge, not in the sense of possessing sagacity, sound judgement).

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Re: Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Samstag 2. Juli 2022, 20:49



" Sehr erfreulich, dass Euch der Weg quer durchs Tal und einen Hang hinauf nicht allzu weit vorkommt. Aber nun, um Eure Frage zu beantworten: Ich war nicht begeistert von den Mitreisenden, aber das heißt nicht, dass ich ihnen Schutz verwehren könnte, den sie von Talindirs und meiner Seite erhalten können, wenn die Herrin Rianriel sich dazu entscheiden sollte.
So sehr ich auch verachte, wie manche Leute ihre Reisen anzugehen scheinen. Es ist ein unnötiges Risiko. Aber das steht eben grade nicht zur Debatte. Es kommt darauf an, dass wir beide Hilfe angeboten haben und solange Rianriel diese nicht offen ausschlägt, bleibt das Angebot bestehen. Außerdem warte ich noch darauf, dass ich die Antwort des Herrn Elronds bekomme, die ich dann Heim bringen soll.

Also sogar zwei Gründe ,warum ich noch nicht wieder aufgebrochen bin. Der Dritte liegt darin, dass mein Mündel noch mit seinen Begleitern unterwegs sein dürfte und ich nicht ohne ihn aufbrechen werde. Würde er mir übel nehmen, wenn wir nicht zumindest darüber sprechen würden. " Er lächelte leicht und räusperte sich mehrmals. Lange Sätze und viele Worte waren eben seinem Hals nicht zuträglich. Aber nach einigen Augenblicken, in denen er mit sich und der alten Verletzung zu ringen hatte, zuckte er nur nochmals mit den Schultern und zupfte zwei Blättchen Minze aus einem der kleinen Gürtelbeutel , die er sich wortlos in den Mund schob.
Aufbeißen und in einer Wange halten. Das half selten wirklich viel, aber immerhin oft ein klein wenig. Also wurde es eben genutzt und er wartete noch einige Atemzüge, bis sein Hals sich nicht mehr ganz so arg nach einem Reibeisen anfühlte, bevor er feststellte:
" Das ist ein nettes Schmuckstück, das Ihr dort tragt. Wer hat es gefertigt, wenn ich einmal fragen dürfte?"

Das Interesse schien echt zu sein und der neugierige Gesichtsausdruck verriet eine, naja, tatsächlich eine Aufmerksamkeit, wie sie wohl ein Gemmenschleifer oder Juwelier einer schönen Arbeit entgegenbringen würde.
Allerdings hob er dann den Blick wieder und lächelte entschuldigend.
" Was das Reisen selbst betrifft, gibt es keine Neuigkeiten. Die Gänge der Zwerge sind schon lange verschlossen und niemand, der noch ganz bei Sinnen ist, würde sie nutzen, wenn keine Not dazu zwingt. Über den Pass ist es ungewiss und scheinbar besteht kein Interesse am langen Weg außen herum, der im Grunde kürzer sein wird, weil wir keine Umwege nehmen oder zurücklaufen müssten. Aber da die Damen das wohl nicht wahr haben wollen, sehen wir einmal, was sich dort tun wird.

Aber immerhin scheint sich ja mit Euch eine Person mit uns zu bewegen, die sich besser auf Reisen und Gespräche versteht, die abseits von festgefahrenen Wegen liegen. Das ist doch sehr angenehm."

Die Worte wirkten ebenfalls ehrlich. Aber dennoch schwang eine leise Belustigung mit. Ob diese sich nun auf die genannten Damen bezog oder auf etwas Anderes, war nur schwerlich zu erraten. Wethrinvar schien sich auf jeden Fall gut zu amüsieren und hob nur erneut die Schultern, bevor er den Kopf recht entspannt wieder zurücksinken ließ. Das mochte unbequem aussehen, aber offensichtlich störte es ihn nicht. Dafür konnten ein paar verirrte Sonnenstrahlen, die es durchs Blätterdach geschafft hatten, den langen Hals wärmen.
Der ebenfalls blasse und dünne Narben aufwies. Aber auch das schien den Elben ja nicht weiter zu bekümmern. Stattdessen blinzelte er sie träge und fragend an.



Celandril hörte den Ausführungen zunächst so aufmerksam zu wie sie es auch sonst tat, stets bemüht, so oft wie möglich Augenkontakt zu halten. Jede Bewegung, jedes Wort und Betonung, selbst kleinste Veränderungen des Ausdrucks in den Augen konnten wichtig sein, und etwas davon zu übersehen wäre ärgerlich.
Immerhin sortierte sich manches bereits – ein Mündel also, nicht das eigene Kind…das war einfacher als gedacht.
Nur, wessen Kind? Woher, seit wann, aus welchem Grund, mit Schwierigkeiten oder ohne, tiefe Zuneigung oder reines Pflichtgefühl, und letzteres schien nach der ersten Unterhaltung wahrscheinlicher, doch wann war jemals der erste Eindruck bestehen geblieben, bei Elofinwe war er bestehen geblieben, es sind zu wenig Hinweise, wessen Kind?
Die Pause, die Wethrinvar wohl brauchte, um verständlich weitersprechen zu können, reichte gerade so aus, um zu einer mühevoll erzwungenen Konzentration zurückzufinden, und so bemerkte sie kaum, was genau der Waldelb zu sich nahm, auch wenn leicht zu erkennen war, wozu es gut sein sollte.
Auf seine Frage hin sah Celandril kurz etwas irritiert auf das Armband – sie hatte es tatsächlich nicht bemerkt, zudem verdeckten meist die Handschuhe, die sie bei der Arbeit und auf Spaziergängen trug für gewöhnlich den Schmuck - , und hob die Hand leicht nach oben, um bessere Sicht zu ermöglichen.
Das silberne Band war fein gearbeitet, eine schmale glatte Fläche in der Mitte, und zartes Gewebe aus dünnen Silberfäden an beiden Rändern. Die wenigen Tengwar darauf waren gerade so zu erkennen, und Celandril nahm nicht an, dass sie Wethrinvar etwas sagen würden…die Begeisterung der Sindar für Quenya war immerhin nie besonders groß gewesen, und hätte ihr Gefährte die Botschaft nicht übersetzt, würde sie es selbst nicht verstanden haben.
Andererseits…vielleicht war es einer dieser seltsamen Zufälle, dass sie gerade heute die Handschuhe im Zimmer gelassen hatte.

‚…doch dann kamen seine Verwandten…‘

Die Pläne über den Weg, den man nehmen sollte, um Lórien oder den Düsterwald zu erreichen, hörte Celandril natürlich, doch die Aufmerksamkeit, die in ihren Augen lag, betraf nichts davon. Sie würden ankommen, daran gab es für sie keinen Zweifel, ob nun den langen Weg oder den unsicheren, oder vielleicht auch einen, den man nur im höchsten Notfall nehmen sollte.
Sie lächelte bei dem beiläufigen ...war es ein Kompliment, oder eine Frage, ob sie mit Reisen durch die Wildnis Erfahrung hätte? Eine Prüfung, wie sie reagieren würde? Oder lediglich eine Spitze gegen Brennil Rianriel, wie zuvor auch schon?
„Das Armband war ein Geschenk…ich bekam es kurz vor meiner Hochzeit. Es wird nicht sehr oft bewundert.
Ich habe bisher nicht zu viele Wege von hier nach dort ausprobieren müssen…doch wäre es mit eher unerfahrenen Reisenden ganz bestimmt sicherer, den langen Weg zu gehen, und nach der eingeplanten Zeit am Ziel zu sein, statt es auf gutes Gelingen mit einem Kürzeren zu versuchen.
Obwohl auch das eine Möglichkeit ist, wenn jemand aus der Gruppe das Gelände gut genug kennt – wobei ich das von mir nicht behaupten werde. Bisher war ich bei den Reisen querfeldein nur selten ganz allein unterwegs.
Habt Ihr denn in der Zwischenzeit Nachricht von ...Eurem Mündel erhalten, was geschehen ist? Oder wollt Ihr einfach weiter abwarten?“
Celandril neigte den Kopf etwas zur Seite, und sah Wethrinvar an, Augenkontakt war schwierig bei dieser seltsamen Haltung! Vielleicht auch einfach nicht gewünscht, vielleicht zu fordernd nach Informationen zu Fragen die noch nicht gestellt worden waren, vielleicht zu schnell, vielleicht zu viel…
Doch neue Hinweise gab es durchaus, die Belustigung zumindest ließ ahnen, dass dieses Gespräch von Wethrinvar nicht unbedingt sofort beendet werden würde, und so blickte Celandril abwartend weiter in seine Richtung, neugierig darauf, in welcher Weise die Antwort diesmal ausfallen würde.



Hätte er von den Gedanken gewusst oder nur geahnt, was sich hinter ihrer Stirne abspielte, so hätte Wethrinvar sicherlich schallend gelacht über soviel auf einmal. Aber geantwortet? Nun, das ist ungewiss.
Letztlich aber kam es ja zu dieser Gelegenheit und Begebenheit gar nicht, da er eben nicht in der Lage war, ihre Gedanken zu kennen. Stattdessen lehnte er entspannt und beinahe schon ausgestreckt im Gras, genoß die Wärme am Hals und fleckenweise dort, wo die Sonne eben das Blätterdach durchdrang und helle , unregelmäßige Muster auf seinen Leib malte.

Als sie allerdings die Hand hob, damit er das Schmuckstück, nach dem er ja gefragt hatte, betrachten könnte, lächelte er leicht und setzte sich nun doch wieder vollends auf. Interessiert lehnte er sich ein wenig vor und musterte den feinen Reif und die Arbeit, die er bewunderte, wie ein Handwerker es tat, der wusste, welche Mühe dahinter steckte. Dann warf er ihr einen fragenden Blick zu, die Hand leicht hebend, aber noch nicht anrührend. " Darf ich? Die Schrift zu lesen steht mir vielleicht nicht zu, aber so Ihr nichts dagegen habt, müsste ich es ein klein wenig drehen? "
Überraschung hin oder her, dass er solche Zeichen hier fand, so war doch das Interesse geweckt und da er sie einst gelernt hatte, um sich verständigen zu können, wenn er mit diesen Rückkehrern zu tun hatte, war er auch fähig , sie zu lesen.
Nicht so flüssig, wie vielleicht diejenigen, die sie entworfen hatten, aber er hatte ja auch nicht vor, es vorzulesen. Lediglich das Vorhaben, vielleicht zu ergründen, was darauf graviert war, lag der Frage zugrunde. Schließlich war er ja auf seine Art und Weise sicherlich ebenso neugierig wie Celandril selbst. Nur dass er meist solcherlei komplett unterdrückte. Schließlich brachte es einen unterwegs nur in Schwierigkeiten.
Und es wäre sicherlich interessant, sie später zu fragen, wer ihr das wohl übersetzt habe.
Schließlich allerdings fragte er nur, den Blick wieder hebend und mit einem halben Lächeln:" Weil Ihr es nicht oft offen tragt, vermute ich? Denn es nicht zu bewundern, wenn man es sieht, ist eigentlich kaum denkbar. Es ist wirklich gute Handwerksarbeit und liegt wunderbar an Eurem Gelenk, Werteste. Es wäre schade und eine Schande, wenn man darauf nicht achten würde. Aber sagt: wer außer dem Bräutigam schenkt so etwas kurz vor einer Hochzeit?' Denn sonst würde mir für solcherlei nur Verwandtschaft in den Sinn kommen. Aber das war es nicht, oder?"
Immerhin konnte sie ihm nun wieder glatt in die Augen sehen und er lachte leise, als er die Frage und das Vertrauen in den davor erklingenden Worten vernahm und hob nur leicht die Schultern.
" Es wäre viel sicherer, aber darauf scheint ja Rianriels Beraterin, oder was auch immer das Kind zu sein meint, nicht viel zu halten. Denn wer auf Worte wie jene Talindirs nur reagiert, indem man ärgerlich wird und sich bevormundet fühlt, der hat nicht mitbekommen, dass er Hilfe nur anbot, weil sie dieser Tage nicht unwichtig ist und die Nachrichten des Zwergenherren sie nicht weniger dringlich machten. Aber nun gut. Sehen wir einfach, zu was sich die Damen entscheiden werden. Aber seid beruhigt. Eine Reise ganz allein zu unternehmen ist ohnehin selten zu raten und noch seltener angenehm. Und solange Ihr nicht versucht, den gesamten Hausstand mit Euch zu führen, sollte es sich nicht als schwierig herausstellen. Was den Weg angeht: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die alten Karten, die ich im Kopfe habe wie auch Talindirs scheinbar frischere Erfahrung uns jeden der drei Wege als Möglichkeit in Betracht ziehen lassen würden. Aber ich bin einfach nicht bereit ein solches Narrenstück durchzuführen, solange es nicht notwendig ist. Was es nur wäre, wenn man uns regelrecht zum Tor hineinjagen würde.... "
Einen Moment lang drehte er den Kopf fort , starrte ärgerlich vor sich hin, bis das Gefühl wieder von der stillen Gelassenheit ersetzt wurde, die er sonst meist zeigte und hob schließlich die Schultern kurz, während er sich nun nur noch ein wenig wegdrehte und erneut hustete.
Als die Schultern das Beben wieder verlassen hatte und die heiseren Laute nicht mehr erklangen, seufzte er nur nochmals leise und griff erneut an den Gürtel, einen kleinen Trinkschlauch fassend. Winzig wirkte er geradezu, wenn man bedenkt, was sonst in einen Trinkschlauch gehen sollte. Allerdings war der Geruch nach diversen Heilkräutern auch extrem stark, als er ihn öffnete und behutsam einen kleinen Schluck zu sich nahm.
Ein kräftiges Verziehen des Gesichtes folgte hier, denn auch wenn es wirken mochte, so würde es wohl nicht schmackhaft sein in seiner Schärfe und Bitterkeit.
Aber danach ging der Atem leichter und Wethrinvar verzog entschuldigend die Lippen.
" Verzeiht, aber ich kann selten etwas dagegen tun, wenn es einmal so weit ist. Aber wo waren wir ?" Eindeutig keine Frage, auf die er eine Antwort erwartete, wo doch das Gedächtnis sicherlich nicht so gering reichte.
Leise Belustigung trat auch wieder in seinen Blick und er lächelte verschmitzt, bevor er den Kopf ein wenig hin und her wiegte, scheinbar nachsinnend, was er darauf sagen sollte. Schließlich murmelte er nur sanft: " Ich höre immer wieder etwas von ihm. Momentan scheint es, dass ihm das Glück nicht allzu hold war, aber er sollte mit seinen neuen Freunden in Bälde wieder hier eintreffen und dann sollte es keine Schwierigkeit sein, aufzubrechen. So sich denn die Herrinnen bis dahin auch einmal entschieden haben, was sie nun planen. Und abwarten? Einfach ist das nie, meine Gute. Aber es ist hin und wieder notwendig. Und wenn ich schon auf den Herren des Tales und dessen Antwort so lange warte, dann wird es auch nicht mehr schlimmer dadurch, dass ich vielleicht einen Tag mehr oder weniger der Rückkehr meines Kindes harre. Schließlich werde ich nicht ohne ihn aufbrechen und es tut ihm gut, sich ab und an ein wenig bewegen zu können, ohne mich gleich dabei zuhaben. Oder habt Ihr etwa das Bedürfnis möglichst schnell aufzubrechen? Dann kann ich mich auch nach ihm umsehen, aber ich denke nicht, dass sie noch allzu lange fort bleiben werden. "
Leicht wurden die Schultern gehoben und er lächelte erneut sachte. Jetzt allerdings klang die Stimme samtiger und ruhiger, voller, tiefer und nicht mehr heiser. Zumindest zu Anfang. Gegen Ende der Worte kehrte die Heiserkeit schon langsam zurück, aber eine schöne Stimme hat er eindeutig gehabt, bevor ihm das, was auch immer es gewesen sein mag, geschehen ist.

Und nun, nun da blickte er fragend drein und wartete, was seine Worte wohl bewirken mögen. Denn sobald der Ärger verflogen war, entsann er sich, dass er noch darauf wartete, eine Antwort bezüglich des Schmuckes zu bekommen und auch, dass er sich eigentlich eher amüsierte. Was er nun auch wieder tat, wo es entspannter und ruhiger war.




Lesen? Das Armband drehen?
Es war eine Überraschung, trotz dass dieses Teil sich perfekt in die bisherigen Muster einfügte. Der Schlüssel, wenn man es so nennen wollte, begann sich offenbar im Schloss vor der Vergangenheit zu drehen, mit genug Vorsicht bewegt würde er vielleicht nicht brechen. Grund zur Freude, eigentlich, dass Zufall und Glück gemeinsam die Unterhaltung so schnell in diese Richtung lenkten – dennoch senkte Celandril den Blick für einen Moment, in einem raschen Versuch, die Schatten in ihren Augen zu verbergen, die von der nächsten Frage ausgelöst wurden.
Wer Fragen stellt sollte damit rechnen, auch selbst solche beantworten zu müssen… und die alten Schriftzeichen, erdacht und verbreitet noch in den Landen jenseits des Meeres, sagten in der ihnen eigenen Schreibweise viel mehr aus, als der dargestellte Text selbst, wie Wethrinvar sicher bemerken würde.
„Ihr sprecht wie jemand, der selbst gern mit solch feinen Arbeiten zu tun hat…Ist das so?
Und Ihr habt recht damit, anzunehmen dieses Band sei kein Geschenk von Verwandten…allerdings sagte ich auch nicht, ich hätte es von jemand anders als dem Bräutigam bekommen, nicht wahr?“
Das darauf folgende Lächeln drängte die Erinnerungen an Dunkelheit schnell zurück, doch erreichte es nicht mehr ganz die unbefangene Fröhlichkeit von eben, und mochte vielleicht daran erinnern, dass sie zwar von wirklich viel älteren Elben immer noch oft als Kind angesehen wurde – dabei ihre Jahre aber doch viele Generationen von Menschenleben zählten.
„Dass ich es selten offen trage, liegt nicht an einem Wunsch, es zu verbergen, Wethrinvar…wenn Ihr es lesen könnt, dann gibt es auch keinen Grund, dies nicht zu tun.“
Dabei hielt sie die Hand weiterhin etwas nach oben, und würde sie auch bei einer genaueren Betrachtung des Schmuckstückes nicht zurückziehen.
Wieder sprach Wethrinvar von der geplanten Reise – selbstverständlich tat er das, immerhin hatte sie genau danach gefragt, und nicht darauf einzugehen wäre nicht nur unhöflich gewesen, sondern auch seltsam. Immerhin hatten er und Talindir zu großen Teilen recht…doch lag der Ärger Sidaneths mit Sicherheit eher an der Art und Weise, wie die *Ratschläge* vorgebracht worden waren, denn Celandril hatte sie bisher eher als besonnen und ruhig erlebt – zumindest dann, wenn weder Wethrinvar noch Talindir dabei waren. Und die Herrin Rianriel… Nun, irgendwann würde vermutlich selbst Wethrinvar erkennen, dass ein Kleid nicht zwingend die Weisheit der Trägerin unter sich zugrunde richtete.
„Ich bin sicher, die Reise wird letztendlich weniger schwierig werden, als Ihr annehmt…wenn auch deutlich schwieriger, als Brennil Rianriel es sich derzeit wohl vorstellt. Und Sidaneth – sie hat einen Namen, wisst Ihr, der passender klingt als *Kind*– Sidaneth wollte, so wie mir schien, eher hier bleiben als mit Euch zu reisen.“
Hier immerhin kehrte das Lächeln in vollem Umfang in die Augen zurück, die leichte Betonung auf dem letzten Teil des Satzes konnte leicht darauf hindeuten, die tadelnden Worte wären nicht ernst gemeint. Dass Wethrinvar nicht nur viel mehr gesehen und erlebt hatte als sie selbst, kümmerte Celandril dabei nicht, nur selten zuvor hatten Alter, Erfahrung oder Stellung eines Gegenübers vermocht, dass sie ihre Meinung vollständig für sich behielt. Verkleidet in sanfte Worte, einen scherzhaften Unterton, das schon eher.
Dass es Nachrichten von einem Zwerg gegeben hatte, die eine Reise gefährlicher und Hilfe nötiger machen sollten, schob sie rasch beiseite, ehe dies auch noch mit in die Wirbel der Überlegungen mit einfließen konnte. Dafür wäre sicher an anderer Stelle noch genug Zeit, oder es konnte als schnelle Ablenkung in eine andere Gesprächsrichtung genutzt werden, falls das nötig sein sollte.
Wethrinvars Husten lenkte davon natürlich zunächst ab. Wieder eine Verbindung zu diesem oder jenem, die Narben am Hals, seit langem ausgeheilt und verblasst, mussten von wahrlich schweren Verletzungen stammen, denn anders als bei den empfindlichen Menschen reichte ein Kratzer oder kleiner Schnitt mit einem Messer nicht aus, um überhaupt Narben zu hinterlassen.
Celandril zog die Augen etwas zusammen, die Heilmittel, die er einnahm interessierten sie sehr, waren jedoch im Moment nicht genau zu bestimmen. Der Geruch allein, rasch verweht allein schon durch diese geringe Entfernung, war in der kurzen Zeit nicht ausreichend gewesen, auch wenn die offenkundige Wirkung sofort klar wurde….noch eine Frage für später, denn jetzt musste sie zunächst auf andere Dinge achten. Die Entschuldigung nahm sie mit einem Lächeln und der leichten Neigung des Kopfes zur Kenntnis, reine, aber willkommene Höflichkeit, sich für eine solche Beeinträchtigung zu entschuldigen.
Die Ausführungen zu dem Jungen – wie alt dieser war, spielte bei der gedanklichen Zuordnung kaum eine Rolle – , und zu den zeitlichen Plänen der Abreise, bewirkten ein leises Lachen. Das erste Gespräch zu dieser Angelegenheit war zwar weit weniger erfreulich gewesen, bot nun aber eine Gelegenheit, die die Elbe bei bestem Willen nicht auslassen konnte.
„Wenn ich es also eilig hätte, könnte ich Euch auf diese Weise dazu bringen, nach ihm zu sehen, obwohl es Euer ausdrücklicher Wunsch war, die in Schwierigkeiten geratene Gruppe in keiner Weise aufzusuchen und zu unterstützen?
Das wäre wohl etwas zu unaufrichtig von mir, wenn ich nun diese Möglichkeit nutzen würde, wo ich Euch doch bereits sagte, ich verstehe und achte das Vorrecht eines Vaters bei der Erziehung seines Kindes.
Und sehr schnell aufbrechen muss ich tatsächlich nicht, ich hatte vor zu reisen, aber ohne eine zwingendere oder eiligere Ursache, als wieder einmal die Heimat zu sehen. Wenn Ihr also auch mir Gesellschaft auf diesem Weg anbietet, wie es schon Sidaneth und Rianriel taten, dann werde ich meine Vorhaben Eurer Planung anpassen.“
Celandril sah Wethrinvar aufmerksam an, die Hand mit dem Armband weiterhin nach vorn gehalten, die andere locker auf dem weichen Gras abgestützt, und beobachtete nun sehr genau, wie er wohl auf die Zeichen reagieren würde – konnte er sie wirklich lesen? Wer hatte sie ihm beigebracht, wann, warum, das wann konnte das warum vermutlich schon etwas erklären, wenn auch nicht vollständig, ein weiterer Stein im Mosaik…doch jede weitere Frage würde erst Wethrinvars Antworten auf die bereits gestellten Fragen abwarten müssen.



Von den Gedanken wusste er immer noch nichts. Aber das Senken des Blickes, wo sie doch bisher stets ebenjenen gesucht zu haben schien, sagte schon genügend aus. Er hatte keine Ahnung, was es war, aber irgendetwas an seiner Frage schien ja unangenehme Gedanken heraufbeschworen zu haben. Dennoch schwieg er. Was hätte nun auch eine Entschuldigung gebracht, außer sie vielleicht in Verlegenheit zu bringen, wo sie doch offensichtlich die eignen Gedanken gern für sich behalten wollte?
So wartete er denn ab und lachte leise auf, als er ihre Frage hörte, mit der sie wohl ihm und ihr gleichermaßen einen leichten Stoß gab.
Ein Nicken folgte dem Lachen und er zwinkerte kurz und amüsiert, bevor er murmelte:
" So kann man es nennen. Ich befasse mich gerne mit dem Formen edler Metalle und Schmuckstücke und das Schleifen und Schneiden von Gemmen liegt und lag mir von jeher. Etwas, was Einige verwirrte. Aber es bereitet mir Vergnügen und hilft mir, zu entspannen. Auch wenn ich selten dieser Tage die Zeit dazu finde. Aber was Ihr da tragt, ist wirklich schön geformt worden. Und die Inschrift...nun, sie gefällt mir und ich würde behaupten, dass sie sicherlich auch zu Euch passen wird, nicht wahr? "

Erneut ein leises Glucksen, während er sachte, ganz sachte nur, mit den Fingerspitzen ihr Handgelenk so drehte, wie er es brauchte, um lesen zu können und dabei federleicht auch die Zeichen mit langen Fingern nachfuhr, bevor er die Hände behutsam wieder sinken ließ und ihr dankend zunickte.

" Ah, das ist wohl wahr. Ihr habt es nicht gesagt, aber es wäre ja im Rahmen des Möglichen gewesen. Aber abgesehen davon, dass es mich nichts angeht, denke ich, danke ich Euch dafür, es mir ansehen zu dürfen. So feine Arbeit sieht man mittlerweile recht selten. Es scheint so, als würden viele einfach nicht mehr nachspüren können, was das Metall eigentlich werden will. Bedauerlich, wie ich sagen muss."

Auf Wünsche oder deren Abwesenheit geht er nicht ein. Davon hat er selbst genug und noch mehr. Auch dass sie Schmerz in den Augen trägt, der deutlich sagt, was sie selbst nicht von sich gibt, wird zwar wahrgenommen, aber nicht angesprochen. Es geht ihn nichts an und würde den Schmerz vielleicht nur vertiefen. Warum sollte er also dergestalt bohren, wenn sie doch nur hier sitzen und reden. Sie würde es schon äußern, wenn sie das Bedürfnis verspürte. So nickte er denn auch nur nochmals zu den Worten, hob erneut einen Mundwinkel und musterte schließlich, nachdem der Reif ausgiebigst bewundert worden war, wieder das Spiel von Licht und Schatten hier unterm Baume.

Dann allerdings lachte er erneut auf und dieses Mal lag der Schalk deutlich in seinem Blicke, als ihn ihr wieder zuwandte.

" Sicher hat Sidaneth einen Namen. Aber wann immer ich diesen verwende, scheint es sie anzustacheln, sich größer zu fühlen, als sie jemals sein wird. Und verzeiht, aber es liegt mir eher, sie dann doch ein wenig zu reizen. Verdient hat sie es ohnehin, so wie sie sich teilweise aufführt und ich füge ihr damit keinen Schmerz zu. Zumindest keinen , mit dem sie nicht umgehen können sollte, wenn sie denn so ein fähiges Geschöpf ist, wie sie von sich selbst gerne glaubt. Versteht mich nicht falsch: Ich gestehe ihr all die Fertigkeiten , die sie wahrscheinlich besitzt, durchaus zu. Aber sie hat eine Art an sich, mit den Personen in ihrer Nähe umzugehen, die mir zuwider ist. Jedes Mal, wenn ich bisher mit ihr zu tun hatte, egal, ob ich ihr mit Respekt, den sie anfangs tatsächlich bekam, oder mit Spott, teilweise sogar einfach mit Gleichmut begegnete, schaffte sie es, irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen. Und das war selten ich. Eher jemand anderes , der oder die irgendwie ihr Missfallen erregte. Wobei ich bis heute nicht weiß, wie diejenigen das geschafft haben, da sie nichts, aber wirklich garnichts , Verwerfliches oder Unsinniges von sich gaben. Sie ist aggressiver, als gut für sie ist und merkt es nicht einmal. Mein Sohn mag ebenfalls ein aggressives Geschöpf sein, aber der Unterschied, so fein er auch sein mag, ist, dass er es merkt und weiß und sich dessen bewusst ist. Er weiß, dass er auf Ärger zusteuert, während er es tut. Das spricht nicht jedes Mal für seine Intelligenz, wie ich zugeben muss, aber er ist sich dessen immerhin bewusst. Sidaneth hingegen macht den Eindruck, dass sie einfach gerne auf die Leute losgeht, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, bis sie eine Antwort bekommt, die sie dazu bringt, schmollend von dannen zu laufen, wie ein kleines Kind. Das kann nicht gut für sie sein und auch nicht für ihre Umgebung. Alle Fähigkeiten helfen nicht, wenn man nicht in der Lage ist, einzugestehen, dass man Fehler macht und sie vielleicht auch wieder gut zu machen. Aber so sie hier verweilen will, soll sie es doch tun. Was hindert sie daran? Rianriel wird auch ohne ihre Begleitung gut und sicher von einem Punkt zum Anderen gelangen, sofern sie sich von Meister Elrond Begleitung stellen lässt oder eben Schutz akzeptiert. Es ist also kein Grund vorhanden, besorgt zu sein und mit zu gehen, sofern sie nicht meint, dass wir alle völlig unzuverlässig wären. Was dann auch wieder nicht für sie sprechen würde, wie ich feststellen möchte.... "

Er hob leicht die Schultern, lächelte mit milder Belustigung und räusperte sich, bevor er behutsam noch einen Schluck aus dem kleinen Trinkschlauch zu sich nahm. Zu viele Worte. Eindeutig.

Dafür klang die Stimme bei den nächsten Worten wieder samtig und weich. Ebenso wie das amüsierte Lachen, als sie die Gelegenheit beim Schopfe packte.

" Da habt Ihr tatsächlich Recht, Werteste. Sollte jemand dringend aufbrechen müssen, so würde ich die Gruppe aufsuchen und sie wieder ins Tal befördern, meinen Jungen für seinen Leichtsinn oder eher die Unachtsamkeit schelten und dann könnte man aufbrechen. Aber es ist doch sehr erfreulich, dass das nicht von Nöten sein wird, wie es scheint. So können sie ein wenig lernen, ich befasse mich später mit ihm und gewissen Punkten der Achtsamkeit und dann sehen wir weiter. Es wäre zumindest nicht verkehrt, wenn er etwas daraus lernen würde. Und das funktioniert so eben am Besten, zumindest bei ihm, wie ich feststellen durfte. Also meinen Dank dafür, dass es Euch nicht stört , noch ein wenig zu verharren. Und nochmals meinen Dank dafür, einen Blick auf Euren Schmuck werfen zu dürfen. Es ist lange her, dass ich so etwas zu lesen bekam und wie erwähnt: es ist wirklich ein mehr als guter und treffender Gedanke, den man Euch da mitgegeben hat. "

Erneut ein Lächeln und ein leichtes Heben der Schultern, bevor er sich selbst wieder ein wenig zurücklehnt. Dieses Mal allerdings nicht mehr, um sich zu legen, sondern tatsächlich einfach nur, um mit gestreckten Armen ein wenig Stütze für den Leib zu bieten, der so nicht ganz aufrecht verharren musste.




„Wie lang ist es denn her?“
Diesmal wartete Celandril nicht mehr ab, die Frage lag schon bereit ehe Wethrinvar den Satz ganz zu Ende gesprochen hatte.
Während der ältere Elb eine bequemere Haltung einzunehmen schien, blieb sie selbst angespannt und aufrecht sitzen, den Kopf nur leicht zur Seite geneigt und die Augen aufmerksam und voller Neugier.
„Diese Frage interessiert mich, wenn es Euch nichts ausmacht über die Vergangenheit zu sprechen…ich weiß, oder kann es mir denken, dass dies sicherlich unangenehmer ist als der flüchtige Ärger über eine Frau, mit der Ihr offenbar rein gar nichts gemeinsam habt, oder haben wollt…Man könnte fast meinen, Ihr lasst Euch einfach gern auf Streit mit ihr ein.“
Celandril lächelte allerdings dabei, wieder eine sanfte Abschwächung der vorsichtigen Kritik, wieder in einer Art gesprochen, die mühelos auch als Scherz genommen werden konnte, sollte die Bemerkung unerwünscht sein.
„Daher, wenn es kein Geheimnis ist – wie lange ist es her?
Ich frage das, weil Ihr, seit ich dieses Band trage, zwar nicht ganz als einziger die schöne Arbeit bemerkt habt, aber dennoch der erste seid, der mich auf die Gravur anspricht.
Jeder meiner Lehrer in Lothlórien weigerte sich zur Zeit meiner Ausbildung, mir die alte Sprache beizubringen. Dass Ihr sie beherrscht, muss an der langen Zeit liegen, die Ihr schon durch die verschiedenen Wälder wandert… wollt Ihr darüber sprechen durch welche, und mit wem… oder weckt es Erinnerungen, die, Eurer Meinung nach, mich nichts angehen würden…?
Obwohl mich das enttäuschen würde, nichts mehr davon zu erfahren, wo Ihr doch selbst das Gespräch beim letzten Mal darauf gelenkt habt, und mir durch weitere, hinzugekommene Gesellschaft die Möglichkeit fehlte, Eurer Erzählung noch weiter zuzuhören.“
Dabei drehte sie das nun wieder freigegebene Armband langsam mit den Fingern hin und her, ohne hinzusehen.

Noldor: the Deep Elves, the second host of the Eldar on the westward journey from Cuviénen, led by Finwë. The name meant "the Wise" (but wise in the sense of possessing knowledge, not in the sense of possessing sagacity, sound judgement).

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Re: Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Sonntag 17. Juli 2022, 23:02

Eine Braue hob sich bei ihrer Frage ein wenig und er legte den Kopf leicht schief. Es wirkte allerdings nicht, als wollte er nicht antworten. Eher so, als würde er nachdenken, bevor er mit einem milden Schulterzucken reagierte.
Die Erinnerung schien keine Unangenehme zu sein, denn das Lächeln blieb bestehen und erreichte auch immer noch die grünen Augen.
Er hob erneut die Schultern, lächelt nochmals und... ging dann natürlich erst auf den Kommentar bezüglich Sidaneth ein.

" Sie ist sicherlich in vielerlei Hinsicht so, wie ich oder so mancher aus meiner Heimat in unserer Jugend waren. Wahrscheinlich war nicht einmal Cuthalion stets nur ein netter junger Mann. Aber das ändert nichts daran, dass sie... nennen wir es so: Sie bringt mich dazu, angriffslustig zu sein. Was ich selten bin. Also ja, ich habe Spaß daran mit ihr zu streiten. Nur dass sie nicht streitet, wie ich es tun würde. Stattdessen wird sie arrogant und töricht dabei. Einen gesunden Streit scheint sie noch nicht erlebt zu haben. Ich warte also immer noch darauf, dass es vielleicht soweit kommt, dass Sidaneth sich nicht wie das Kind gebärdet, als das ich sie bezeichne, sondern eben wie jemand, der gelernt hat auf alle Gaben zurückzugreifen und somit einen verbal geführten Streit auch führen kann. Was sie momentan nicht tut. Sie wird es sicherlich irgendwann lernen. Und bis dahin wird es mir eine Freue sein, sie auf die ein oder andere Art und Weise ein wenig zu lehren, denke ich. Und sei es nur, dass sie lernt, auf eine Provokation nicht so zu reagieren, wie sie es im Moment tut. Damit macht sie sich nur lächerlich. Und ihr Verhalten fällt auf ihre Herrin zurück. Dementsprechend sollte sie dies lernen. Besser früh als spät. Aber das ist nicht die Frage, auf die Ihr eine Antwort hören möchtet, nicht wahr?"

Er lächelte erneut leicht und wiegte den Kopf dann ein wenig hin und her.
Scheinbar konnte er mit einem Jahr nicht einmal wirklich dienen.

"Lange ....so kann man das wohl nennen. Und nein, es macht mir nichts aus. Nicht bei solch einer Frage. Das ist nichts, was ich gerne verheimlichen oder vergessen würde. Warum sollte es mich also stören? Aber lasst mich überlegen... es war nicht lange nach dem Aufgang des Gestirns, das wir gemeinhin Sonne nennen. Ich war damals noch recht naiv. Und neugierig. Die Schatten in den Wäldern und Gebirgen waren uns zwar ein Graus, aber es war nichts, womit man nicht leben konnte. Kleine Sippen wie meine hatten selten etwas zu befürchten. Dann kamen die Noldor übers Meer. Wir hatten nicht viel von was auch immer mitbekommen. Aber in den folgenden Jahren sollten wir ein wenig davon lernen. Ich lernte Noldor kennen und da es noch keinerlei Zwietracht oder Streit zwischen unseren Völkern gab, war ich einer von denen, die mit größtem Eifer zu lernen versuchten. Warum auch nicht, dachte ich mir? Es war etwas Neues. Es war interessant und es half bei der Verständigung. Und es gab jemanden, der es mir eben mit dem größten Vergnügen beibrachte. Was wollte ich mehr? Es war nützlich für beide Seiten. Da habe ich es gelernt. Die Sprache in Wort und Schrift. Einfach, weil es möglich war und weil es mir angeboten wurde. Es war von ihrer Seite aus eher der Versuch, ob wir wohl in der Lage wären, uns mit ihnen zu verständigen. Fürs Erste hat das wohl auch niemanden enttäuscht. Wir waren langsamer darin, diese Sprache zu lernen, als es andersherum mit ihnen und unserer Sprache war, aber wir lernten sie dennoch."

Ein versonnenes Lächeln huschte über die kantigen Züge, während der Blick in die Ferne gerichtet war. Weit zurück in der Erinnerung und er lächelte weiter, obwohl sich etwas wie bittersüße Schmerzen dort mit hinein legte.
Dann blinzelte er und lachte leise und wieder heiser auf, schüttelte leicht den Kopf. Lächelte nachdenklich und ein wenig reuig.

"Es lag nicht daran, dass ich aufdringlich sein wollte, als ich Euch darauf ansprach, sondern dass die Gravur schon allein in der Art und Weise ihrer Schrift Erinnerungen in mir weckte. Aber fragt, was Ihr fragen möchtet. Schließlich habt Ihr Recht damit: wir wurden unterbrochen und ich habe Euch nur neugierig gemacht, statt Euch richtige Antworten zu geben. Es ist wohl nur gerecht, wenn Ihr sie dann jetzt bekommt, solange die Ruhe hier halten mag."

Erneut lächelte er leicht und zwinkerte verschmitzt, bevor er die langen Finger spreizte und dann kräftig ins Grün des Grases grub. Nicht ärgerlich. Eher so, als müsse er sich daran erinnern, dass der Boden da und real war.




Celandril folgte der längeren Antwort mit gelegentlichem, leisem Lachen, die Unstimmigkeiten innerhalb der noch nicht zum Aufbruch bereiten Reisegruppe schienen für sie nichts zu sein, das sie ernst zu nehmen hatte.

„Ihr wollt Sidaneth lehren, wie soll das gut gehen, wenn sie Euch nicht um Lehre gebeten hat? Sie wird Euch nur für spöttisch und herzlos halten. Und nicht einmal ganz zu Unrecht, denn wie soll sie darauf eingehen, wo es doch mehr als unhöflich wäre, mit einem Gast einfach nur um des Streitens willen zu streiten?“

Celandril lachte leise dazu, und wechselte dann rasch zu dem Teil, nach dem sie mit tatsächlichem Interesse gefragt hatte, und nicht nur aus beiläufiger Neugier.

„Also habt Ihr die Sprache von jemand gelernt, der Euch teuer war, oder geworden ist...“

Das Mosaik ließ ein weiteres Bild erkennen, Bestätigung der früheren Annahme. Jemand...

„Der sie Euch beibrachte ...was ist geschehen? Ich kann mir einiges denken, nach all dem was Ihr bereits gesagt habt...aber eine Vermutung, gleich wie gut begründet, ist nicht unbedingt immer die Wahrheit, wie Ihr sicherlich wisst. Einen so guten Freund zu verlieren ist ein hartes Schicksal...“

Es wirkte kurz als wollte sie noch mehr sagen, Celandril senkte den Blick für einen Moment, hinunter auf das Gras, und bemerkte dabei eher zufällig die im Boden versenkten Finger. Zuviel an Vermutung vielleicht...und dennoch…langsames Vorgehen war mit hoher Wahrscheinlichkeit sinnvoller.

"Was hat Euch verbunden? Habt Ihr zu dieser Zeit mit der Arbeit an Edelsteinen und Metall begonnen?"

Die Elbe neigte den Kopf etwas zur Seite, die Aufmerksamkeit nun wieder direkt auf Wethrinvars Augen gerichtet, die Hände locker auf den Beinen zusammengelegt.




Ein gedämpftes Lachen antwortete, aber er schüttelte leicht den Kopf.

"Nennt es, wie Ihr mögt, aber ich ging eher davon aus, dass sie es irgendwann lernen wird, ohne es als Lehre von meiner Seite anzusehen. Zumindest sollte jeder irgendwann wahrnehmen, dass es andere Wege gibt, um sich ein wenig angenehmer zu verständigen. Veränderte Reaktionen auf die eigene Person und solcherlei. Aber nun ja. Vielleicht hoffe ich auch zu viel."

Er gluckste erneut und hob die Schultern, schien sich nicht weiter an der sanft verpackten Schelte zu bekümmern. Stattdessen legte er den Kopf leicht auf die Seite und musterte sie aufmerksam, während sie ihre eigentlichen Fragen stellte.
Und dann musterte er sie noch eine Weile länger. Ohne wirklich etwas zu sagen. Einfach nur mit einem Ausdruck in den Augen, der wirkte, als würde er darüber nachsinnen , ob und wenn ja, wie viel er ihr wohl anvertrauen möchte.
Aber nach einigen, langen Atemzügen zog er einen Mundwinkel hoch, während der Andere ruhig verweilte, sodass das Lächeln schief, aber nicht gestellt wirkte, und hob die Schultern.
Der Blick besagte schon recht deutlich, dass die Worte zuvor wohl zum Teile nur der Höflichkeit entsprangen, aber immerhin schien er sich zu entscheiden, dass er noch ein Weilchen darüber reden würde.

"Das ist richtig. Das Eine wie auch das Andere. Ich mochte die Familie, die sich mühte es mir beizubringen und ich lernte sie besser kennen als ich es hätte tun sollen. Aber wir waren alle neugierig und noch dazu begierig darauf, über die lange vermissten Verwandten zu lernen."

Mit einem Lächeln, das weiterhin Bestand hatte und einem Ausdruck in den Augen, der im Gegensatz dazu eine tiefe Traurigkeit verriet, hob er leicht die Schultern und meinte ruhig und in seltsam gleichmütigem Tonfall:

"Es war schmerzhaft. Aber das ist lange her. Ich lernte die Sprache, weil es beiden Seiten gut und nützlich erschien und ich schloss Freundschaft, weil sie angeboten wurde, und das in ehrlichem Bestreben. Allerdings konnte niemand von uns ahnen, dass es sich so entwickeln würde, wie es das eben tat.
Zu Anfang war es wunderbar und neu und spannend und jeder von uns war fasziniert von den Dingen, die beigebracht werden konnten."

Eine kleine Weile blickte er ins Leere und zuckte dann leicht mit den Schultern.

"Wir waren wie Verwandte. Drei junge Leute, die in allem mehr Abenteuer als Schmerz sahen, obwohl wir alle schon unseren Teil erlebt hatten. Dafür hatten der Dunkle und das Eis ausreichend gesorgt. Aber wir konnten vortäuschen, dass es angenehm war und meine Sippe sah nicht viel Schädliches daran, wenn wir uns aufführten wie Kinder, die wir nicht mehr waren. Es war ruhig, dort wo wir lernten und wanderten und man konnte beinahe meinen, dass der Dunkle nicht vorhanden wäre. Schließlich war er mit den Streitkräften befasst und hatte Grenzen, die er nicht so leicht durchbrechen konnte. Die Wälder waren groß und weit und die Seen und Bäche klar und tief. Also war es viel zu sehen, viel zu lernen und wenig zu fürchten, solange man sich nicht in die falsche Richtung begab.
Die Richtung konnte ich stets weisen und lehren konnten meine beiden Begleiter. Wir kamen mehr als gut zurecht und eine Zahl Tage verging ohne Sorgen. Bis sie wieder Heim mussten, weil es anderes für sie zu tun gab. Mal folgte ich ihnen dorthin und sah mir diese steinernen Ungetüme an, die sie als Heimstatt bezeichneten und mal blieb ich im Wald oder an dessen Rande und wanderte vor mich hin, bis sie wieder heraus kamen.
Irgendwann brachten sie jemanden mit, der lernen wollte. Warum auch nicht? Wir jagten und unterhielten uns. Und wenn wir rasteten, dann holte er stets einen oder zwei feine, glitzernde Dinge hervor, die ich nicht kannte und begann damit, daran zu feilen und zu schneiden und zu schleifen und ihnen regelrecht vorzusingen. Und das schien beim Formen zu helfen. Meine Neugierde war geweckt und ich saß oft stundenlang da und habe zugesehen, weil ich es nicht begreifen konnte, wie man einem durchscheinenden Stein, der noch nicht einmal Form angenommen hatte, vorsingen konnte. Aber andererseits sang ich ja auch, wenn ich meine Hände mit Holz beschäftigte. "

Ein weiteres, bittersüßes Lächeln huschte kurz über die Züge, bevor er die Schultern mit einem Seufzen einfach sinken ließ und nachdenklich die langen, teils mit feinen Narben gezeichneten Finger der linken Hand betrachtete.

" Wir waren eigentlich recht schnell unzertrennlich und als sie meine Faszination, die ja nicht zu übersehen war, bemerkten, lockten und baten und lächelten sie so lange, bis ich mich bereit erklärte, ihnen in diese, meiner Meinung nach mehr als unheimlichen, Steinbauten zu folgen. Es war beengend für mich, egal wie luftig es gewesen sein mag. Aber sie hatten dort Werkstätten und dort dutzende von verschiedenen Steinen und Werkzeugen und Handwerkern und Metall und andere Dinge. Sie ließen mich zusehen und irgendwann, behutsam auch die ein oder andere Kleinigkeit ausprobieren. Aber so schön das auch war, konnte es mich doch nicht davon abhalten, immer wieder in die Wälder zu verschwinden. Allerdings kam ich immer wieder. Beinahe wie jemand, der eine Sucht befriedigen muss. Einfach von Neugierde und Faszination getrieben.
Aber das sind viele Worte gewesen und die Frage wäre kürzer zu beantworten. Also ja, ich lernte es damals und ja, ich lernte es von einem Freund, oder eher vielen. Und ja, ich habe diese Freunde verloren. Alle, bis auf einen. Und der verabscheut mich wie ich ihn verabscheue, nach all den Dingen, die geschehen sind."

Er hob den Blick wieder von den Fingern und ließ die Hand sinken, zuckte erneut sachte mit den Schultern und fuhr erneut durch das Gras, zupfte schließlich einen Halm aus und drehte ihn zwischen den Fingern, während der Blick erneut gehoben wurde.
War es eine Weigerung, Namen zu nennen? Oder vielleicht nur etwas, dass er nicht tat, weil er nicht daran dachte? Traurigkeit zumindest war ausreichend vorhanden, um beides begründen zu können.

"Was möchtet Ihr noch wissen?"

Die Stimme war wieder heiser und der Hals dürfte schmerzen, aber er griff zuerst einmal nicht nach dem Trinkschläuchlein, in dem sich Linderung befand, sondern blickte sie nur aufmerksam an. Abwartend und ruhig und ohne eine Gegenfrage zu stellen, die vielleicht in ihrer Vergangenheit Dinge aufgewirbelt haben könnte. Vielleicht sparte er sich das für später. Oder er ging davon aus, dass er ihr des abgebrochenen Gespräches wegen noch Antworten schulden würde.
Wer konnte das schon so genau sagen?




Auf Sidaneth ging Celandril nun nicht mehr ein - jedes weitere Wort dazu wäre reine Belehrung gewesen, und derartiges lag in diesem Moment weit außerhalb ihrer Absichten.

"....besser als Ihr es hättet tun sollen? Wie ist das...Ihr habt Euch gegen sie entschieden, und für Eure Sippe...?"

Die gemurmelten Worte, halb Feststellung, halb Frage, entwischten schnell, vielleicht unbedacht, während der Blick der Elbe von zuvor noch kaum versteckter Freude über die richtige Vermutung bezüglich der Edelsteinarbeiten dabei nun wieder dunkler wurde.

Celandril neigte sich etwas nach vorn, nicht in aufdringlicher Weise, sondern fast unmerklich. Vielleicht fiel es ihr selbst nicht einmal auf, wie sehr die von Erinnerungen getragene Erzählung sie gebannt hielt. Was waren dagegen geschriebene Berichte, staubige Verse über die frühen Tage, was waren sie gegen diese lebendig vorgetragene Geschichte aus einer Zeit, als die Hochsprache noch nicht verboten worden war, als niemand außer den Beteiligten wusste, das Zwietracht und Mord zwischen den Stämmen der Elben bereits begonnen hatten...

Gesang bei der Arbeit, gab es Elben die anders vorgingen?
Natürlich gab es das auch, ohne Zweifel, doch schien es Celandril immer einfacher, handwerkliches Tun auch mit der Stimme zu begleiten.

Der Blick Wethrinvars ließ den bereits mehr als ausreichend angedeuteten Verlust noch schmerzhafter wirken, und die weit jüngere Elbe richtete sich wieder etwas weiter auf, ein wenig Abstand, ein Zeichen der Unsicherheit möglicherweise, ob sie noch länger auf Antworten drängen sollte...die Gelegenheit schien günstig, doch die geplante Reise konnte noch weitere Gelegenheiten bieten...Ein Gespräch wie dieses erneut zu beginnen könnte allerdings genauso gut scheitern.

"Alle bis auf einen, sagtet Ihr - aber Ihr steht nicht mehr in Kontakt miteinander? Was konnte Eure Verbundenheit trennen?"




Eine blonde Braue hob sich leicht, aber er nickte nur zu ihrem leisen Zwischenruf.
Mehr nicht. Auch nicht weniger. Warum auch? Sie hatte es ja erfasst.
Aber nachdem er geendet hatte und sie sich nun danach erkundigte.... nun gut. Er hatte ihr Antworten zugesagt und die würde sie dann wohl auch bekommen.
Also hob er nochmals die Schultern und erklärte tonlos, ja beinahe emotionslos.

"Wir waren vier. Drei von uns Männer. Bruder und Schwester hatte ich zuerst getroffen. Ihr Werber, wenn ich ihn so nennen kann, kam später hinzu. Sie waren ein schönes Paar und wir achteten auf sie. Aber der Dunkle hatte viel verdorben. Also wurde einer unserer Ausflüge... unschön."

Er seufzte leise und dieses Mal ohne Lächeln und hob die Schultern kurz und resignierend an.

"Ich habe früh gelernt, dass alles besser ist, als jemanden den Schergen des Dunklen zu überlassen. Wenn man sie nicht befreien kann, dann soll man ihnen wenigstens Gnade in Form eines raschen Todes gewähren. Das mag barbarisch klingen, aber es machte Sinn. Eine Frau zu zwingen, diesen Kreaturen beizuwohnen, oder auch Männer, da sie da keine großen Unterschiede machten, war etwas, was so gegen jegliche Form von Gnade oder überhaupt jegliche Form von Würde ging, dass ein rascher Pfeil besser war als langes Leiden und letztlich Vergehen. Oder noch schlimmer: nicht zu vergehen und von ihnen weiter gehalten zu werden, bis sie der Person überdrüssig wurden.
Die Beiden waren ein Paar und hatten uns auf einem dieser Ausflüge grade mitgeteilt, dass sie in einigen Monden nicht mehr zwei, sondern drei sein würden. Wir freuten uns für sie, unterhielten uns. Genossen eben die Zeit, wie wir es stets taten."

Kurz zuckte etwas in dem schmalen Gesicht, etwas, das nicht im Geringsten angenehm wirkte, aber ebenso rasch verschwand es wieder und machte völliger Ausdruckslosigkeit Platz, während er leise fortfuhr:

"Ich weiß nicht, wie sie an unseren Grenzern vorbei gelangt waren. Ob sie sie getötet hatten oder einfach vorübergeschlichen waren. Aber sie fielen über uns her, als wir grade an einem Hang standen. Wir zwei unten, die Geschwister oben, damit sie nicht hinab musste, das Wasser holen. Sie schrie, ihr Bruder auch und dann waren wir auch schon auf dem Weg nach oben. Sie haben an ihnen beiden gezerrt und gezogen, aber er hat versucht, seine Schwester zu schützen. Sie haben ihm den Schädel eingeschlagen und sie mitgenommen, während wir Verbleibenden noch mit denen rangen, die mit uns ähnliches versuchen wollten.
Es waren nicht allzu viele von ihnen, sonst wären wir umgebracht worden. Aber es waren genug, dass wir beide verletzt wurden und froh sein konnten, überlebt zu haben. Allerdings schrie sie die ganze Zeit. Ihr Bruder war tot und sie wurde verschleppt und trug dieses junge Leben unterm Herzen. Wir verfolgten sie. Was auch sonst? Ich mit meinem Bogen und kaum noch 4 Pfeilen und er mit einem Jagdmesser. Schließlich hatten wir nichts allzu Großes erwartet. Vor einem Keiler oder dergleichen wären wir einfach ins Geäst geflohen...

Aber das waren eben keine Keiler.

Wir folgten ihnen, wir erreichten sie und wir griffen sie an. Jung und dumm und leichtsinnig, wie wir waren.....
Natürlich hatten wir keine Chance gegen den eigentlichen Trupp und sie hätten uns erneut beinah zu fassen bekommen. Jagten uns einen Baum hinauf wie ein paar Katzen ein Eichhorn hinaufscheuchen. Ich bin im Geäst zum Kampf ausgebildet worden. Es war erstaunlich leicht, diese ersten Morde meines Lebens.... Aber sie dürften immer leicht sein, wenn man keine Zeit zum Denken hat. Die kommt erst später, wenn man sich dann fragt, ob sie nicht doch noch etwas Gutes in sich gehabt haben könnten. Ob es rechtens war.... Aber zu diesem Zeitpunkt? Sie wollten uns umbringen, also mussten wir eben zuerst zuschlagen.
Was wir auch taten. Und die ganze Zeit über hat sie geschrien und nicht aufgehört. Nach ihrem Bruder, ihrem Gefährten, mir, den Valar, ihren Eltern, wieder ihrem Gefährten. Immerfort.
Als sie sie dieses Mal mitschleppen wollten, konnten wir nicht mehr hoffen, sie nochmals zu überraschen. Aber wir sind ihnen wie Jagdhunde auf der Fährte geblieben. Was hätten wir auch sonst tun sollen? Hilfe zu holen hätte zu lange gedauert, die Fährte wäre kalt gewesen und sie wären mit ihr fort. Also folgten wir ihnen eben. Wir hofften noch, dass wir sie irgendwie zu fassen bekommen würden. Aber als wir sie das nächste Mal wirklich einholten, da taten sie eben, was sie immer taten, wenn sie meinten, mit einer Gefangenen Zeit zu haben.
Schon eine Weile, denke ich. Und sie waren mehr geworden. Hatten ihren eigentlichen Trupp gefunden. Das hieß, dass sie noch weiter Unheil verbreiten wollten. Und das hieß auch, dass meine Freundin, seine Gefährtin, verloren war.
Wir würden nicht an sie herankommen und sie sah aus, als würde sie sich nichts sehnlicher wünschen, als den Leib einfach zu verlassen. Ich habe ihn nicht gefragt, weil ich wusste, dass die Noldor unsere Bräuche in dieser Hinsicht als barbarisch und sogar grausam ansahen und es immer noch tun. Ich bin auf einen Ast geklettert, von dem aus ich zielen konnte, habe zu den Mächten gebetet, dass ich nicht daneben schießen würde und ich habe sie um Verzeihung gebeten. Und dann habe ich sie erschossen. Grade, als sie sich abwechseln wollten. Es ging schnell. War ein sauberer Schuss. Ich weiß immer noch nicht, wie mir das gelungen ist, nachdem mir die Hände so sehr zitterten. Aber sie hatte es hinter sich und sie beide konnten in die Hallen gehen und auf friedlichere Zeiten warten."

Einige Augenblicke starrte er vor sich hin und presste die Lippen aufeinander, dann holte er allerdings tief Luft und stellte tonlos fest:

"Es ist das Schlimmste, einen Freund zu verraten. Es wäre Verrat an ihrem Vertrauen in uns gewesen, sie weiter leiden zu lassen. Es war ebensolcher Verrat, wenn auch verständlich, dass er mein Bein packte und mich aus dem Geäst riss. Ich bin unten gelandet, unsanft, habe es Knacken gehört und das Einzige getan, was mir zu tun blieb: Ich bin um mein Leben gerannt. Während er im Geäst blieb, ganz still und voller Wut. Sie haben ihn nicht gesehen. Aber sie haben den Bogen gesehen, den ich nicht losgelassen hatte und sie haben ziemlich genau verstanden, wer ihnen den Spaß verdorben hat. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich einfach nur gerannt bin. Es war Instinkt, denn gefühlt habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr und gedacht auch nicht. Irgendwann hat mich einfach jemand festgehalten und versucht mich zu beruhigen und da habe ich begriffen, dass ich den Weg Heim eingeschlagen hatte. Unsere Wächter haben sie niedergeschossen, haben mich gefragt, wo der Rest wäre, da sie ja wussten, dass wir zu viert unterwegs gewesen sind.
Ich weiß nicht einmal mehr, was ich geantwortet habe. Nur dass mein Vater und der größte Teil der Sippe los sind und mit zwei übel zugerichteten Leichnamen und einem Lebenden wieder kehrten. Wir haben einander nicht einmal angesehen. Und sehr viel später hat er meine Liebe in Doriath getötet. Als er sich sicher sein konnte, dass ich es sehen würde.
Wir haben es beide überlebt und ich weiß nicht, wie wir reagieren würden, wenn wir einander träfen. Aber sicherlich würde es nicht gut enden. Aber das ist der Grund, warum wir einander so verabscheuen. Oder die Gründe dafür, unsere Verbundenheit zu trennen. Und der Grund, warum ich dennoch das Handwerk weiter führte ist der, dass sie es immer so herrlich fand. Nicht er. Die Geschwister liebten es, wenn ich irgendetwas versuchte, egal, wie unbeholfen es wirkte. Es ist mit der Erinnerung das Einzige, was ich von ihnen habe, könnte man sagen."

Das Lächeln, das folgte, war aufgesetzt. Sollte Ruhe und Gelassenheit vortäuschen, wo keine mehr war. Aber dafür, dass ihn die Worte so aufwühlten, die Bilder, die er wieder vorm inneren Auge sah, wirkte er doch seltsam ruhig. Wie jemand, der lange mit sich gehadert hat und schließlich zur Ruhe gekommen ist. Wieder mit sich im Reinen, wenn auch unglücklich darüber, was geschah. Aber nicht wie jemand, der sich selbst verziehen hätte. Ganz sicher nicht. Dagegen spräche schon der Ausdruck von Schuld in den dunkelgrünen Augen, die grade beinah schwarz wirkten.
Aber das Lächeln war da und schien beinah festgefroren, als er in sanftem und gleichmütigem Tonfall fragte:

" Möchtet Ihr noch etwas wissen, Celandril? Schließlich habe ich Euch Antworten zugesichert."

Das klang nicht vorwurfsvoll. Viel eher einfach nur.... ruhig. Leer vielleicht. Dieses Wort beschrieb es doch recht gut.


Die Leere in den Augen war beinah beunruhigender als die Geschichte, die wahr sein mochte, im Ganzen oder in Teilen, und Celandril schaute den anderen Elben, an ohne recht zu wissen, was sie tun oder sagen sollte. Zur Ordnung kommen würden ihre Überlegungen wohl doch nicht so schnell, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte, und die Auswahl an Möglichkeiten half dabei nicht weiter.

….Den Drang nach Wissen um des eigenen Friedens willen durchbrechen, aufstehen und mit schnellen Schritten fortgehen, ohne sich weiter um das tiefe Dunkelgrün zu kümmern…

Die Elbe konnte die Augen nicht abwenden, nicht schließen, nicht einmal verschwimmen lassen. Das versuchte Lächeln Wethrinvars machte den Tonfall lediglich schlimmer, auch wenn es vermutlich dazu gedacht war, ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung wäre.

….Alles in ein Tagebuch eintragen, die Geschehnisse von erlebt und gehört und verstanden und verstörend in vergangene Geschichte aus Tinte und Pergament umwandeln, die bald von Staub verdeckt sein würde….

Celandrils Hand zuckte wie aus Gewohnheit, und ohne dass sie hinsehen musste, zu der kleinen Tasche am Gürtel, in der sich normalerweise immer eine winzige Ausführung Schreibmaterial befand – wenn sie das Haus vorbereitet verließ, und nicht mit den Gedanken überall anders als bei Handschuhen und Schreibfedern.

….Oder Wethrinvar weiterhin anstarren, wie ein Kind, das zum ersten Mal ein Wolfsrudel bei der Jagd sieht, und eben begreift, wieviel Blut ein Reh in sich hat…?

Sie blinzelte einmal, für kindliches Verhalten konnte sie sich einen anderen Zeitpunkt wählen, immerhin war das nicht die erste Geschichte dieser Art, mit der sie zu tun hatte.

…Die nächste Frage stellen, ehe dieser seltsam ruhige Zustand vergeht - so viele sind noch nicht beantwortet! – oder das Gespräch in eine andere Richtung lenken?

Celandril straffte den Rücken, und stand rasch auf, ohne den Blick von Wethrinvar zu nehmen. Die kurze Entfernung war schnell überwunden, und so sah die Elbe nur Augenblicke später von sehr viel näher in die dunkelgrünen Augen, während ihre eigenen etwas schmaler wurden, prüfend, vielleicht, aber nicht zweifelnd an dem Gehörten.
Dann ein vorsichtiges Lächeln, Entschuldigung oder Ermutigung – doch vermutlich nicht nur reine Höflichkeit.

„Ich würde gern weitere Fragen stellen, aber nur dann, wenn Ihr sie auch wirklich beantworten möchtet. Ihr seid mir keine Antworten schuldig, und Eure Augen sagen, es wäre vielleicht nicht weise, noch weiterzugehen.
Jemand – ich werde ihn nicht Lehrmeister nennen – riet mir, ein solches Angebot wie Eures immer zu nutzen, ohne zu beachten, wie es der Person, die antwortet, dabei geht. So vieles kommt zum Vorschein, wenn die ersten persönlichen Fragen schon beantwortet sind. Es ist wie Wasser in einem Fass, das angeschlagen wurde… und wer die Vergangenheit studiert, bräuchte die ganze Geschichte, immer, so sagte man mir.
Ich habe schon so viel mehr von Euch erfahren, als ich angenommen hatte jemals zu hören, denn Ihr macht nicht den Eindruck, als wäre Euer Leben etwas, das Ihr vor jedem Wanderer zur Unterhaltung ausbreitet.“

Celandril sah kurz zu dem kleinen Trinkschlauch, ehe sie wieder den Blick in die Augen suchte.

„Ihr habt lange gesprochen, was sicher nicht angenehm war, und außerdem über schmerzhafte Dinge. Und nun bietet Ihr noch mehr davon an – warum?
Ich weiß, es kann hilfreich sein, manchmal. Zu reden, wenn die Zeit dafür gekommen ist, auch wenn Ihr selbst dabei keine neuen Antworten findet.
Ihr wart taktvoll genug, zumindest taktvoller als ich, mir dazu keine Gegenfragen zu stellen – und die, welche Ihr zu Beginn hattet, habe ich nicht einmal sehr ausführlich beantwortet. Auch wenn es zu mir kaum etwas von Bedeutung zu wissen gibt – wenn jemand etwas schuldig ist, dann bin ich es.
Wenn es Euch wirklich nicht stört – und verzeiht mir, Wethrinvar, aber danach sieht es ganz und gar nicht aus! – dann würde ich gern mehr erfahren. Aber …“

Sie legte nun die Hände auf das Gras, wie er es vorhin getan hatte, und drückte die Fingerspitzen leicht in die Erde, nicht tief genug, um sie einzugraben, nicht einmal ansatzweise, aber doch eine angedeutete Nachahmung, die von einem erneuten Lächeln begleitet wurde.

„Vergesst dabei nicht, dass wir hier sind, und nicht in Beleriand… Erinnerungen können sehr stark sein, und Euer Blick ist jetzt schon sehr verändert im Vergleich zu bisher… Warum wollt Ihr weitere Fragen ertragen müssen? Glaubt Ihr, es ist verdient, dass Ihr all das erneut in Gedanken erlebt?“

Celandril blickte dabei weiterhin zu dem älteren Elben, die Neugier, die zu Anfang der Unterhaltung noch so deutlich zu bemerken gewesen war, nun verwandelt zu einem doch aufrichtigeren Interesse, und so wartete sie seine Entscheidung ab, vielleicht doch das Gespräch zu beenden, oder das Thema zu wechseln, anstatt auf diese zuletzt gestellte Frage einzugehen.

Noldor: the Deep Elves, the second host of the Eldar on the westward journey from Cuviénen, led by Finwë. The name meant "the Wise" (but wise in the sense of possessing knowledge, not in the sense of possessing sagacity, sound judgement).

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Celandril
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Re: Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Montag 25. Juli 2022, 16:45

"Ich habe Euch gesagt, dass Ihr mich fragen könnt, Celandril. Mein Blick mag sich umwölken, aber es ist nicht das erste Mal, dass ich über diese Dinge spreche. Wahrscheinlich auch nicht das Letzte. Es hat nie geholfen. Wird es auch nie. Aber es stürzt mich auch nicht mehr in die tiefe Verzweiflung, die mich einst befiel, wenn ich daran dachte. Also macht Euch keine Gedanken, auch wenn Eure Sorge liebenswert ist und Euch ehrt. Aber es geht mir gut, denke ich. Verzeiht, falls ich Euch beunruhigt habe, denn das lag mir fern. Aber ab und an sieht man es einfach vor sich. Auch wenn ich mittlerweile damit umzugehen weiß."

Er lächelte schmal und traurig, hob leicht die Schultern und legte den Kopf ein wenig zurück. Er mochte gegen viele Dinge nichts haben, aber Nähe schien nichts zu sein, was er sonderlich schätzte, wenn er trotz der freundlichen Geste so doch ein wenig mehr Abstand suchte.
Aber er sagte nichts dazu. Musterte sie nur mit diesem seltsamen Ausdruck im Blick, der Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen wahrzunehmen schien.

Dann kicherte er. Ein Laut wie das Rascheln trockenen Laubes im Herbst. Und ebenso trostlos, wie das manchmal scheinen mag, trotz all der Farbe, die es hat.

"Es ist in Ordnung, wisst Ihr? Mein Hals schmerzt immer. Lediglich die unangenehme Beschaffenheit meiner Stimme ist damit eine Weile zu lindern. Aber nicht der Schmerz. Also macht Euch darum keine Gedanken. Ich bin es gewohnt. Wie so vieles..."

Ein weiteres Heben der Schultern folgte, bevor er sie wieder sinken ließ und leicht und verhalten lächelte.

"Und Ihr habt Recht. Ich rede selten darüber und meist braucht es vorher lange Zeit und Arbeit, mich dazu zu bewegen. Wenn Ihr also noch etwas erfahren möchtet, solltet Ihr es nutzen, wie Euer Lehrer sagte, dass ich grade bereit bin, mit Euch darüber zu reden. Denn es kann sein, dass ich morgen schon wieder nichts weiter dafür über habe, als ein abweisendes Lächeln. Und wer weiß, wie lange Ihr dann auf die Antworten warten müsstet, die Ihr doch so dringend zu suchen schient. Es wäre doch ungerecht, wenn ich Euch diese verwehrte. Erst Recht, wenn es nicht schlimmer werden wird als das hier.
Nicht für mich. Ich habe das alles so oft durchlebt. Es tut immer weh, aber man lernt, mit dem Schmerz zu leben und ihn zu ertragen. Hin und wieder sogar beinah, ihn zu vergessen. Also sorgt Euch nicht meinetwegen, meine Gute. Es ist nichts, was nicht wieder vergehen wird. Die meisten Dinge tun das. Bis auf unsere Erinnerung vielleicht..."

Dann drehte er den Kopf ein wenig, legte ihn noch etwas zurück und blickte so an ihr vorbei und hinauf ins Geäst, in das das Sonnenlicht helle Flecken zeichnete, und wo der Wind mit den Blättern spielte und ein leises und beständiges Rascheln und Rauschen erzeugte, das gemeinsam mit dem Geräusch des Wassers, dass hier im Tal beinah allgegenwärtig war, einen schönen und beruhigenden Klang ergab.
Einige lange Atemzüge blickte er dort hinauf, bevor er blinzelte und erneut lächelte.

Ruhiger nun wieder und ehrlicher. Nicht mehr nur die Maske , die aufgesetzt wurde, um zu beruhigen und doch das Gegenteil erbrachte. Das hier war wieder eine dieser Mienen, für die man ihn mancherorts hasste und andernorts regelrecht liebte. Dieses halbe Lächeln, das auch die Augen ein wenig wärmte. Selten vollkommen, aber immer ein wenig.
Jetzt grade wirkte er wieder ruhig. Als hätte der kurze Ausflug in die Gegenwart, dorthin, wo sie sich eigentlich befanden, ihm geholfen, wieder ruhig und entspannt zu werden, wie er es sein sollte.

So betrachtete er sie denn auch als würde er sie jetzt grade zum ersten Male wirklich gesehen haben und nickte aufmunternd und leicht.

"Stellt Eure Fragen. Wenn Ihr Euch sorgt, dass es mir nicht gut tut, dann holt mich hin und wieder, so wie Ihr es grade getan habt, aus der Erinnerung zurück. Es wäre einfach nicht rechtens, Euch nicht zumindest einen Teil Eurer Fragen zu beantworten. Vor allen Dingen, weil ich es vielleicht danach nicht noch einmal tun werde.
Also bekümmert Euch nicht so sehr um meine Wenigkeit. Wenn ich es nicht mehr kann oder will, dann werde ich aufhören. Vielleicht sogar unfreundlich scheinen, wenn ich dann einfach aufstehe und Euch sitzen lasse. Also wundert Euch nicht, falls es dazu kommt. Es ist nicht böse gemeint. Allerdings bin ich davon noch entfernt. Und dass ich Euch ohnehin nur einen Teil einer solchen Geschichte erzählen werde, mag dabei auch hineinspielen, dass ich momentan bereit bin, mit Euch zu reden. Schließlich sollt Ihr wenigstens diesen kleinen Teil oder groben Aufbau, je nachdem, wonach Ihr fragen werdet, erfahren.
Mir schadet es wahrscheinlich weniger als Euch, je nachdem, was es ist, dass Ihr zu erfahren begehrt. Also meinen aufrichtigen Dank für Eure Sorge, Celandril. Aber es geht mir gut. Wieder. Nach einigen Momenten der Ruhe. Meinen Dank auch dafür."

Ein weiteres Lächeln folgte, dann winkelte er ein Bein an, streckte das Rechte, was allerdings nur wenige Herzschläge hielt, bevor er es wieder etwas weiter anwinkelte und es so hielt, weil anscheinend die ganz grade Haltung zu sehr schmerzte, wo sie es nicht sollte. Aber so war es ja auch mit seinem Hals. Und sicherlich noch mit der ein oder anderen Stelle, die einfach nicht so sehr auffiel.





Celandril zog die Augenbrauen ein klein wenig zusammen, und rutschte nach einem weiteren Blick in Wethrinvars Augen ein Stück weit von ihm weg. Nicht so weit, wie der Abstand vorher war allerdings, und sicher nahe genug, um ihn auch weiterhin genau zu beobachten – nahe genug, um ihm die Gegenwart, so es Not täte, auch mit einer vorsichtigen Berührung wieder bewusst zu machen. Dabei sagte sie leise:

„Ich meinte es so…ein Lehrer war es nicht, auch wenn er es wohl gern so gesehen hätte – und eines besseren belehrt wurde. Aber ich danke Euch, und jede plötzliche Unterbrechung von Eurer Seite aus werde ich selbstverständlich nicht übel nehmen.“

Der nächste Satz ist noch leiser, vielleicht sogar nicht ganz bewusst hörbar ausgesprochen.

„Manche Schmerzen vergehen nur, wenn Ihr sie auch zurückdrängen wollt …und werden immer bleiben, wenn Ihr sie annehmt…“

Dann war dieser nachdenkliche Moment vorbei, Celandril neigte den Kopf zur Seite, lächelnd, und wieder suchte ihr offen forschender Blick Wethrinvars Augen. In nun wieder bequemer Haltung sitzend, die Beine angewinkelt zur Seite gelegt und die Hände leicht ins Gras gestützt, entfernt genug um dem älteren Elben den Abstand zu geben, den er wohl brauchte – und auf den er nicht bestand, genauso wenig wie auf Ruhe vor der Aufdringlichkeit der Fragen.
Warum nicht…die Vermutung ist begründet genug, um dieses ‘Warum‘ für die nächste Zeit in den Hintergrund treten zu lassen, wurde es doch eben schon nicht ausführlich genug beantwortet, und an dieser Stelle zu bedrängen - das könnte den Schlüssel brechen.

„Warum seid Ihr nach Doriath gegangen? Ich habe nicht genug Jahre, um diesen Ort je gesehen zu haben, und was ich weiß stammt nur aus Geschichten und Liedern…was habt Ihr dort erlebt – zu Beginn und zum Ende?
Wenn es wirklich in Ordnung ist, darüber zu sprechen? Ich habe vielleicht - -“

Sie schloss kurz die Augen, nicht lange genug, um selbst in Erinnerungen zu versinken, nur gerade lang genug, dass es auffallen könnte.
„—seit längerem ein persönliches Interesse an Doriaths Geschichte, nicht aus dem Blick der Gelehrten, die aus allem ein schön klingendes Lied zusammenstellen wollen - eher aus dem Blick derer, die dort wirklich lebten… Wenn es nicht zu weit geht für Euch, bitte, Wethrinvar, erzählt es mir, so wie es die Erinnerung zeigt…?
Ich werde darauf achten, dass Ihr ab und an nach Imladris zurückkehrt.“

Celandril lächelte, aufrichtig und voller Interesse, die Spannung und Neugier nur soweit gezügelt, dass es nicht allzu unhöflich wirkte.





Wethrinvar legte den Kopf leicht zur Seite und musterte sie schweigend und nicht unfreundlich, während er wohl die Frage als solche überdachte. Dann hob er die Schultern leicht an, und auch eine Braue.

"Warum ich nach Doriath ging? Weil die Noldor unseren Wald aufgaben und sich in andere Gebiete bewegten, um bei den Ihren zu verbleiben. Sie überließen es uns, die wir sie die ersten Winter über mit Nahrung und allerlei wichtigen Dingen versorgt hatten, uns zu behaupten. Was auf Dauer nicht ging. Wir sind überrannt worden. Meine Mutter und mein Vater hatten nie die Bäume gesehen, von denen die Hohen so gern sprachen, aber sie waren alt genug, um den Zug mit erlebt zu haben, der dorthin unternommen wurde. Sie wussten von Doriath und seinem Schutze.

Als also unsere Leute Stück für Stück überrannt wurden, sind mir und zwei anderen jungen Jägern die Kinder und die nicht Kampffähigen unserer Sippe anvertraut worden. Uns wurde die ungefähre Richtung genannt, und unsere Verwandten haben uns fort geschickt, damit wir nicht umgebracht wurden. Wir haben damals gelernt, dass man jemandem, der mehr Erfahrung und mehr Wissen hat, in einer Notlage ohne Widerrede gehorchen soll. Als ich meinem Vater erklärte, dass ich alt genug sei und nicht gehen wollte, habe ich eine Ohrfeige und die Zurechtweisung bekommen, dass ich besser helfen könnte, wenn ich mich um das Überleben der bekümmerte, die das nicht selbst könnten. Dann hat er mich umarmt und ist gegangen. Meine Mutter war schon vor unserem Streit fort. Sie hat ihren Bogen und ihre Pfeile genommen und sich ein sehr kleines und sehr scharfes Messer auf den Handrücken geschnallt. Ich habe erst später verstanden, dass das ihre Notfalllösung für sich selbst gewesen ist. Aber im Grunde..."

Einige Momente verharrte er und hob dann erneut die Schultern, nachdenklich wirkend.

„Im Grunde haben wir überlebt, weil die Älteren, die noch mit dem, den die Hohen immer Orome nannten, sprachen, sich zum Sterben entschieden, damit der Rest von uns fort konnte.

Es war das erste Mal, dass ich den Wald wirklich habe klagen hören. Die einzigen, die lauter klagten, waren wir, als wir den Rauch aufsteigen sahen. Aber da hatten sie es schon geschafft, uns ausreichend Zeit zu erkaufen, um uns die Flucht zu ermöglichen. Wir sind dennoch dezimiert und verfolgt worden, bis wir an den Grenzen Doriaths angelangten. Dort haben sie die yrch vertrieben und uns aufgenommen. Wir waren Kinder des Waldes und nicht den Hohen zugehörig, also waren wir willkommen. Zu dieser Zeit waren sie selbst es auch noch. Die Grenzen schlossen sich für sie erst, als man dort erfuhr, was für Taten sie untereinander begangen hatten. Und an diesem fernen Hafen, wo sich das Wasser rot gefärbt haben soll.
Mir war das damals gleich. Ich hatte meinen großen Bruder, meine Eltern, Onkel und Tanten verloren. Und viele Freunde dazu. Dann unterwegs viele Schutzbefohlene. Von uns drei Jägern war ich der Einzige, der noch gewillt und in der Lage war, eine Waffe zu halten. Also habe ich getan, was am nächsten lag und darum gebeten, mich erkenntlich zeigen zu können, indem ich helfen würde.
Was mir gestattet wurde, nachdem ich eine Weile dort, nun, tatsächlich noch einmal ausgebildet wurde. Strenger. Militärischer. Etwas, das ich noch nicht kannte. Aber es war nicht schwer, das zu lernen, nachdem mich eine Weile nur der Wunsch trieb, yrch zu töten, weil sie die Meinen ermordet hatten. Ich lernte und wurde aufgenommen und zu einem Grenzwächter. Der Rest meiner Leute wurde ebenfalls gut untergebracht. Einige zogen weiter, aber die meisten von uns blieben dort. Wir lernten neue Freunde kennen, teilweise Geliebte. Ich für meinen Teil war gerne in den Wäldern unterwegs.

Thingol und Melian waren gute Herrscher, bevor ihn die Gier nach diesem unseligen Stein erfasste. Aber unsere Ankunft dort war lange vor diesem Ereignis. Wir waren, fürs Erste, gerettet und sogar zufrieden. Einige von uns. Einige vergingen auch vor Kummer."

Wieder hielt er inne. Musterte nachdenklich die Umgebung und lächelte schließlich verhalten.

"Ich habe Höhlen, egal welcher Größe, schon immer gehasst. Es mir ein Graus, dort hinein zu gehen. Sobald ich den Himmel oder wenigstens die Bäume nicht mehr sehen konnte und kann, werde ich ängstlich. Nervös. Hin und wieder regelrecht hysterisch. Aber das ist seltener. Wie auch immer... Wir fanden Aufnahme und wann immer ich mich dort hinein begab, konnte ich über die Kunstfertigkeit nur staunen. Dennoch war mir der Wald und der Gürtel lieber. Außerdem waren dort die Leute, die mich am Ehesten verstanden und mit denen ich jederzeit sprechen konnte.

Cuthalion wachte über uns und sorgte dafür, dass wir zwar verbissen, aber nicht närrisch kämpften und die Grenzen sicher blieben. Wir liebten ihn alle irgendwie. Aber es war auch ausgesprochen leicht, das zu tun. Er machte es leicht. Auch wenn ihn wohl niemand je wirklich verstanden hat von uns. Mablung vielleicht, aber das weiß ich nicht. Dafür kannte ich weder den Einen noch den Anderen gut genug. Was ich bedauere. Aber ich hatte nach und nach genug andere Freunde und Gefährten. Und, nachdem mein Hass und meine Rachsucht sich selbst ausgebrannt hatten, auch genügend Zeit, mich damit zu befassen."

Das Lächeln, das nun über die Züge glitt, wirkte beinahe selig. Auch wenn es rasch wieder erstarb. Es war etwas, das man bei einer solchen Erzählung vielleicht eher nicht erwarten würde, bevor er wieder, so ruhig wie zuvor, fortfuhr:

"Aber es ist eine große Breite, über die Ihr da etwas wissen möchtet. Ich habe keine Ahnung von dem Händel, denn die Edlen untereinander gehabt haben mögen. Aber wenn Ihr so freundlich wäret, die Fragen ein wenig einzugrenzen, würde es mir wahrscheinlich leichter fallen, Euch zu erzählen, was Ihr wissen möchtet. Ich war lange Zeit dort, und auch wenn ich oft auch außerhalb der Grenzen unterwegs war und mich umsah, einfach meiner Neugierde geschuldet oft genug auch bei Anderen zu Gast war, so kehrte ich dorthin doch stets zurück. Bis zum Ende Thingols. Als er und Melian nicht mehr waren, Beleg auch schon fort, da hielt mich nur noch ein Band dort. Lose, aber beständig. Aber bis dahin hatte ich mich schon oft auf Schlachtfeldern herumgetrieben und es sollten noch viele Male folgen. Aber wie ich schon sagte, wäre es wundervoll, wenn Ihr die Fragen ein wenig eingrenzen könntet. Was wollt Ihr wissen? Wie es aussah? Wie die Leute dort waren? Wie sie zu uns waren oder untereinander? Wie es im Wald und der Wildnis innerhalb des Gürtels war? Andere Dinge?"

Fragend blickte er drein. Ruhig und mit einer gewissen, sanften Neugierde, wobei die alte Traurigkeit nicht aus dem Blick schwand. Aber er wirkte entspannt, der Blick weiterhin klar, also schien es in Ordnung zu sein.




Celandril hörte Wethrinvar zu, die Hände immer noch auf dem Boden abgelegt, so dass kein seltsames Zittern der Finger zu sehen sein konnte, und folgte seinem Blick, als er sich umsah.
Wo nun aber nichts darauf hindeutete, dass die Erinnerung zu stark oder zu schmerzhaft geworden wäre, sprach Celandril lächelnd weiter, jetzt wo ihr Gegenüber eine Auswahl an, wie will man sagen, möglicherweise akzeptablen Themen vorgegeben hatte.

„ Verzeiht, Ihr habt recht…die Frage war vermutlich etwas zu ungenau gestellt. Ich will nicht sagen, an den Geschehnissen, die die Herrscher Doriaths, Ihr Leben und ihr Schicksal betreffen wäre ich nicht interessiert, denn natürlich stimmt das nicht ganz. Aber es ist doch etwas anderes, die Geschichte aus weniger oft vorgetragener Sicht zu hören.
Wie es aussah, in Melians Gürtel, damit frage ich ja nach etwas anderem, als wenn ich wissen möchte, was Ihr gesehen habt.“

Sie legte den Kopf etwas zur Seite, vielleicht dachte sie darüber nach, ob dieser Unterschied tatsächlich so offensichtlich war, ob Wethrinvar es verstand …ob es angebracht war, bei einem solchen Unterschied in der Lebenserfahrung überhaupt den Gedanken zuzulassen, er könnte es möglicherweise nicht verstanden haben?
Die kurze Unsicherheit überging sie schnell, und mit einem leisen und kurzen Lachen, etwas das ihr wohl meist half, wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen.

„Während mir das Erste von jedem beantwortet werden kann, der irgendwann dort war, sei es nur für kurze Zeit, oder mit jemanden gesprochen hat, oder ein Lied hörte, oder ein Bild sah…so könnt doch nur Ihr sagen, was Euren Augen auffiel. Niemand sonst könnte das, und so frage ich lieber danach.
Oder möchtet Ihr von Euren Freunden in Doriath erzählen? Es schien eine gute Erinnerung zu sein, zwischen all dem Leid…vielleicht lassen sich beide Fragen verbinden, was meint Ihr?
Ihr sagtet bereits, Eure Liebe fiel in Doriath, und unter wirklich unschönen Umständen…ich würde es mehr als verstehen, wenn Ihr diesen Teil der Geschichte lieber auslassen wollt. Mir liegt nicht daran, um jeden Preis schlimme Erinnerungen wachzurufen. Aber sicherlich gibt es auch andere, die Euch lieber sind.“

Nun betrachtete Celandril den Elben wieder, spürte nach jeder Veränderung, nach jeder Reaktion…immerhin brauchte nicht jede Frage eine Antwort aus Worten, und auch die Vermutung zu den Verletzungen, alt oder noch älter, war weder angefragt noch beantwortet, und musste deshalb unauffällig mit weiteren Hinweisen untermauert oder zusammengestrichen werden. Langsam, über die Schleifen und Serpentinen, die die Geschichte noch nehmen konnte, oder würde, die Augen wach und aufmerksam.





"Es gibt nichts zu verzeihen. Es wäre nur sehr langwierig, das alles zu erzählen. Daher dachte ich, dass Ihr vielleicht Dinge herausheben möchtet, die Euch wichtiger sind. Mehr nicht."
Recht gelassen und leise kamen die Worte, nun wieder heiser, aber scheinbar hatte er momentan keinerlei Verlangen danach, dem Linderung oder Änderung zu verschaffen. Stattdessen rupfte er einige Grashalme ab und zerfaserte sie zwischen den langen Fingern, ganz still und ruhig, während er ihren Worten lauschte.
Das sollte sich ja machen lassen, wie er fand.

Dann gluckste er leise.

"Ihr wollt wissen, wie ich Doriath's Gürtel gesehen habe, den Melians Macht so lange aufrecht erhielt?
Es war schön, um es kurz zu sagen. Aber das würde Euch wahrscheinlich nicht genügen und wäre eine unerfreuliche und ungerechte Antwort. Was habe ich also daran und darin gesehen?
Zuerst einmal war es Rettung. Damals, als wir Überlebende auf der Flucht waren. Der Gürtel versprach Sicherheit. Die Bäume waren grün und dicht und das Unterholz schien uns willkommen zu heißen, während es unsere Verfolger abschreckte oder einfach verwirrte, wenn sie versuchten uns zu folgen.
Später dann, als wir dort schon eine Weile lebten?
Nun, es war ein wundervoller Wald. Alt wie die Welt und mit einer Fülle an Tieren, von denen es viele heute gar nicht mehr gibt. Es war wundervoll, dort hindurch zu wandern oder auf der Jagd zu sein und das Zwitschern und Singen der Vögel zu hören. Nur die Nachtigallen hörte man nur, wenn die hohe Dame oder ihre Tochter unterwegs waren. Sie waren uns ein wenig unheimlich. Liebenswürdige und gnädige Frauen, aber dennoch in ihrer Macht verwirrend. Die Eine wie auch die Andre. Aber hin und wieder kamen sie dorthin und wollten sehen, wie sich der Wald machte oder auch ob der Gürtel ihrer Pflege bedurfte. Was oft der Fall war. Meist hatten sie dann eine Garde dabei, weil Thingol sie nicht ohne gehen lassen wollte. Aber oft genug entwischten sie ihren Bewachern auch, beide mit dem Schalk regelrecht im Nacken. Dann standen sie oftmals plötzlich in einem unserer Jagdlager und haben sich mit den Oberen unterhalten, bevor sie wieder zwischen die Bäume verschwanden. Manchmal auch so gnädig gelaunt, dass sie einfach bei uns auf ihre Beschützer warteten und dann mit den armen Männern, denen man die Erleichterung jedes Mal ansehen konnte, wieder von dannen wanderten. Aber es gab nicht nur Nachtigallen dort.
Teilweise so wundervoll bunte Vögel, wie man sie heute nur noch den Urwäldern des tiefsten Südens nachsagt. In den verschiedensten Größen und Formen. Viele mit wundervollen Stimmen. Aber die schönsten Vögel klangen meist wie Nebelkrähen. Wir haben oft gelacht, wenn ein neuer Rekrut sie genau so lang bewunderte, bis sie den Schnabel auftaten und ihn mit infernalischem Gekrächze von ihrem Ast verjagten."

Kurz grinste er bei der Erinnerung und hob dann erneut die Schultern.

"Der Wald hat uns geholfen. Nicht so, wie der Grünwald es heute noch versucht. Sondern wirklich aktiv. Wenn Feinde, egal ob yrch oder Warge oder andere Kreaturen einzufallen versuchten, dann hat der Wald nach den Wächtern gerufen. Dank der Macht Melians sind die Ranken, die sich normalerweise friedlich am Boden befinden, oft genug an Beinen hinauf gewandert. Nicht langsam, sondern rasch und wild. Wie Tiere. Lebendiger als man sich eine Pflanze heute vorstellen kann. Es war kein schöner Anblick, wenn die Pflanzen den Kampf eine Weile selbst auszufechten hatten. Schließlich kamen Feinde meist mit Äxten und Feuer und rissen viele von ihnen mit ins Verderben. Aber der Wald erholte sich immer. Diejenigen, die ihn betreten wollten, ohne es zu dürfen, taten dies nicht mehr. Wenn der Wald selbst sie nicht erledigte, dann taten wir das mit Pfeil und Klinge.

Was oft geschah. Aber es war dennoch kein Leben, das ich als kriegerisch bezeichnen würde. Wir hatten sehr lange Zeit ausreichend Wächter, dass wir nicht permanent kämpfen mussten, sondern immer einige von uns ruhen konnten. Dann konnte man sich unterhalten, unter den Bäumen wandeln oder auf ihren Ästen. Sie ragten hoch und weit und bildeten für den, der sie zu nutzen wusste, regelrechte Straßen. Wir haben uns dort oben Wettrennen geliefert, die oft damit endeten, dass wir in einem kleinen Waldsee landeten, wenn es heiß war.
Dort war es wirklich wundervoll. Einige Otterpaare lebten und jagten dort und zogen ihre Jungen auf. Es hatte eine Menge Fische, beinahe so farbenfroh und in der Größe verschieden wie die Vögel. Es war stets tief genug zum Schwimmen und wir haben Stunden damit verbracht, einfach nur zu schwimmen, uns zu balgen oder am Ufer zu liegen, wenn wir nicht mehr im Wasser bleiben wollten. Dort haben wir uns unterhalten oder mit den Ottern gespielt. Sie waren zutrauliche, freundliche Tiere. Auch wenn es einen ziemlich Bissigen gab. Aber wir beide haben uns sofort verstanden.

Es war ziemlich amüsant, als wir dort das erste Mal hinkamen und er meine Liebe erst einmal kräftig in den Zeh biss, als wollte er testen, ob gejammert würde. Aber danach haben sie sich ebenfalls gut verstanden. "
Er gluckste erneut leise und verharrte einige Momente, schien nachzudenken und lächelte dann wieder sachte.

"Es war ein Ort, an dem die mitteilsamsten und muntersten Bäume wuchsen, die ich je getroffen habe und die Jagd dort war vergnüglich, wenn auch niemals ungefährlich. Aber wann ist sie das schon gewesen? Es grünte alles im Sommer, blühte und war bunt im Frühling und leuchtete in den faszinierendsten Farben im Herbst. Selbst wenn im Winter das Laub gefallen war, war der Schnee eine Decke, die Schönheit verlieh und nicht erstickend wirkte. Was nicht bedeuten würde, dass die Winter nicht hart gewesen wären. Es war dort bitterkalt und ich habe einmal einen Gast sagen hören, dass es sich mit warmen Tagen auf dem Eis vergleichen ließ. So es die denn gab. Aber nun ja... für uns war es normal und wir liebten es. Außerdem mussten wir uns nicht sorgen, dass wir dort umkommen würden, nur weil es kalt wäre. Einer von uns glitt einmal aus und schlug unsanft mit dem Kopf an. Als wir anderen ihn fanden, hatten sich einige Dachse um ihn zusammengerollt. Wir haben es ihnen gedankt, indem sie den Winter bei uns an den Feuern verbringen durften. Amüsante Gesellschafter und nicht ansatzweise so grimmig, wie man oft sagt. Zumindest nicht, wenn man ihnen ihre Ruhe lässt."

Erneut ein Lächeln. Dann allerdings seufzte er leise.

"Aber das ist nun nicht mehr, fürchte ich. Es war wundervoll und man konnte Tage, sogar Wochen wandern, ohne einmal komplett herum zu kommen. Es gab Tiere und Pflanzen, die ich seitdem nirgends mehr gesehen habe. Viele von ihnen vergingen schon, als Melian fortging. Der Rest versank, als es soweit war..."

Einen Moment sah es so aus, als wollte er noch etwas sagen, dann allerdings hob er nur leicht die Schultern und lächelte, beinahe entschuldigend.

"Ich weiß nicht, ob das etwas ist, womit Ihr etwas anfangen könnt. Aber es wäre eine Möglichkeit, meine Eindrücke darüber zu beschreiben."

Er neigte fragend das Haupt ein wenig, musterte sie aus den dunkelgrünen, beinahe schwarzen Augen und lächelte fragend. Scheinbar würde es ihn auch nicht kümmern, das noch weiter auszuführen. Aber ob sie noch mehr erfahren mochte oder lieber über etwas Anderes, das überließ er lieber ihr als sich selbst.




Celandril sah zu, wie Wethrinvar das Gras zerrupfte, und nahm selbst ein paar Halme in die Hände, die in diesem Moment, ohne die Möglichkeit eine Schreibfeder zu halten, nach Beschäftigung suchten. Allerdings wurden die Gräser hierbei nicht zerstückelt, sondern schnell und fest zu einem Strang zusammengeflochten, der auch stetig erweitert wurde, während der ältere Elb die Beschreibung von Melians Gürtel ausführte.
Eine der besseren Erinnerungen, wie es schien, und hoffentlich Beruhigung genug… Als er vorerst endete, lag bereits ein länger Zopf aus Gras neben der Elbe auf dem Boden, wo er nicht weiter beachtet wurde.

„Das klingt nach mehr Frieden, als ich mir in dieser Hinsicht vorgestellt hatte, Wethrinvar, und ich danke Euch…Es ist schön anzuhören. Vermutlich könnte ich damit längere Zeit verbringen als Euch recht ist.“

Sie lachte leise, und musterte dabei so unauffällig wie möglich die Augen des Waldelben. Dieser Teil der Geschichte war also sicheres Gebiet – auf das man sich zur Not zurückziehen konnte, falls Wethrinvar doch nicht rechtzeitig selbst abbrechen würde. Doch wie ging es weiter?
Celandril neigte den Kopf wieder etwas zur Seite, es war Vorsicht geboten, immerhin wollte sie die Reise begleiten, und unnötige Verbitterung noch vor dem eigentlichen Aufbruch wäre…unklug.

„Es hört sich an, als seien die meisten Eurer - verzeiht mir, es ist Euch sicher klar, dass das auffällig ist – Verletzungen erst später entstanden…und wie es scheint vielfach nicht so verheilt, wie sie hätten sollen. Und doch macht es Euch kaum etwas aus, und Ihr seht die Möglichkeit, langsam und vorsichtig zu sein als einen Luxus an, den Ihr nicht immer nutzt.“

Das mochte wie eine Feststellung klingen, abgeleitet von dem, was die Elbe bisher beobachten konnte, sicher auch gemessen an dem Unterschied zwischen dem rücksichtslosen Sprung von den Ästen, und dem vorsichtigen Niederlassen im Gras. Dennoch wachten die hellgrünen Augen Celandrils über jede Reaktion darauf, so gut es eben ging, verdeckt hinter einem aufmerksamen Lächeln.
Sie deutete kurz, und nicht allzu deutlich, auf den Hals des Elben.

„Wie ist das passiert? Täusche ich mich, dass dafür mehr als eine Verletzung verantwortlich ist?“

Dass Wethrinvar nicht antworten muss, brauchte nun wohl nicht mehr hinzugefügt werden. Zum einen würde er das selbst wissen…zum anderen musste sie ja nicht ständig daran erinnern.

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Re: Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Donnerstag 25. August 2022, 18:18

" Frieden? Das war es in der Tat. Teilweise. Wir hatten viele Kämpfe dort auszufechten, aber sie waren kleinerer Natur als die eigentlichen Schlachten und es gab viele Ruhephasen dazwischen, solange wir ausreichend Wächter waren. Außerdem gab es stets jemanden, mit dem man sich unterhalten, mit dem man reden konnte, um wieder zur Ruhe zu kommen. Es gab Trost, wo er benötigt wurde und Ruhe und Frieden, so wir Zeit dafür hatten. Ja, es war friedlicher als manch andere Sache und Zeit und ja, es war schöner als viele andere meiner Erinnerungen. Und es freut mich, dass es Euch nicht langweilt, was ich zu berichten hatte, wo es doch meist ein wenig einseitig ist, wenn man von einer Person erfahren will, was sie gesehen hat. Das kann rasch in Langeweile oder Frustration umschlagen, wenn man nicht die Antworten bekommt, die man sich vielleicht erwartet oder erhofft hat. "

Er gluckste leise und hob den Blick nachdenklich wieder, als sie fortfuhr.

Dass sie ihn so aufmerksam und wachend betrachtete, scheinbar nach Zeichen für Unsicherheit oder zu heftige Erinnerungen suchend, ließ ihn nun doch lächeln. Es war angenehm, dass sie sich darum sorgt, obwohl er schon erklärt hatte, dass es nicht nötig sei.
Aber auf die Verletzungen angesprochen, musste er doch leise und heiser lachen.

"Einen Luxus ? Hin und wieder. Aber es scheint, als hätte ich ein falsches Bild geweckt, meine Gute. Ich verbringe den größten Teil meiner Zeit damit, genau so rasch und halsbrecherisch wie die anderen Wächter durch den Wald zu jagen oder durchs Geäst zu springen. Aber hier, wo man die Zeit und Ruhe dazu hat, kann man es sich tatsächlich als eine Art Luxus gönnen, sich so zu bewegen, wie bestimmte Geschehnisse und Spuren derselben es fordern. Es ist eben wirklich so, dass man in Imladris nicht allzu sehr damit rechnen muss, sich zu schlagen oder gar ernsthaft attackiert zu werden.
Also ja. Ich genieße es hin und wieder, einfach langsam und behutsam in Bewegung zu sein, wo ich unterwegs oder daheim selten die Gelegenheit dazu habe, wie ich gestehen muss. Aber es als Vorteil ansehen, wo andere es nicht tun? Das verstehe ich tatsächlich nicht ganz, Werteste. Es ist ab und an von Nutzen, langsam zu sein und ab und an nicht. Und Vorsicht ist immer gut, aber oft genug nicht möglich. Ich denke, solcherlei hängt eher mit dem zusammen, was der Verstand einem eingibt und nicht mit dem, was ich durch körperliche Gebrechen tun sollte oder müsste, wenn ich ihnen immer nachgeben würde. Aber so ich Euch falsch verstehe, verzeiht es mir bitte und erklärt, was Ihr meint."

Dann allerdings legte er das Haupt auf die Seite und schüttelte nachdenklich den Kopf. Nicht wirklich eine Verneinung, sondern viel mehr, wenn man es so betrachtete, eine Geste, die wohl die Gedanken klären sollte, die ihm grade durch den Kopf jagten. Schließlich allerdings nickte er leicht, wohl auf ihre Vermutung hin, und zuckte dann gleich drauf mit den Schultern.

"Diejenigen, welche bleibenden Schaden hinterließen, sind wirklich erst später entstanden, das ist richtig. Jene, welche ich dort im Wald erhielt, als wir noch unter Beleg dienten und jagten, waren meist nicht schwer genug, um solcherlei zu hinterlassen. Oder sie wurden sofort behandelt."

Erneut verfiel er in Schweigen. Aber der Blick wirkte klar und ruhig, und die lediglich der Gedanke, wo man ansetzen soll, schien es zu sein, der ihn so dreinschauen ließ.
Dann zuckte er erneut mit den Schultern.

"Ihr kennt die Namen der großen Schlachten besser als ich, nehme ich an. Aber nach dem Abschied Melians verließ ich und nicht nur ich, die Wälder dort. Es waren zuviele schmerzliche Erinnerungen und ich hatte dort gewonnen und verloren, was mir lange Zeit das Liebste war.
Ich habe nach dieser Zeit nicht mehr gesungen, wenn es nicht war, um jemandem Trost zu spenden. Allerdings kann so etwas auch Schwierigkeiten mit sich bringen. Es zog mich eine Weile lang auf Schlachtfelder, auf denen ich dann beinahe schon bemüht war zu sterben. Aber es war mir zuwider, einfach die Waffe nieder zu legen und zu warten. Also gab ich mir alle Mühe, einfach solange zu kämpfen, bis es eben zuviel geworden wäre."

Einen Moment hielt er inne, starrte auf den Zopf aus Gras, bevor ein eher bitteres Lächeln seine Züge zierte.

"Es liegt mir nicht und lag mir nie, einfach aufzugeben. Meine Liebe war verstorben. Aber das hieß nicht, dass ich einfach würde folgen können. Ich habe im Laufe meines Lebens so viel Tod gesehen, dass es nichts war, das mir wirklich gut erschien. Also war ich nur bereit, dann ein Ende zu finden, wenn es nicht jemanden in meiner Begleitung gefährdete. Meist fanden mich also alte Freunde oder einfach Gefährten des Feldes. Wenn das geschah, konnte ich nicht einfach rücksichtslos fortfahren, denn schließlich wollten sie leben, zurück zu ihren Familien und dergleichen.

Es war schon unter Oropher, den ich über die Jahre recht gut kennen und schätzen lernte, nicht nur als Herren , sondern vor allen Dingen auch als Mitsoldaten und Kämpfer, der sich stets um seine Leute mühte, dass ich in Gefangenschaft geriet. Es war nicht das erste Mal, dass mir das passierte. Aber es war das erste Mal auf einem solchen Schlachtfeld und das erste Mal, dass niemand in der Nähe war, der rechtzeitig hätte helfen können. Allein war ich dennoch nicht.
Wir saßen am Abend zu dritt dort. Als sie einen von uns vor den Augen der anderen ausweideten, gerieten wir in Wut und Verzweiflung und brüllten sie an. Versuchten sie davon abzuhalten. Was natürlich nicht fruchtete.
Yrch haben Freude an Schmerzen. Egal welcher Art. Und die Schmerzen, die sie ihm zufügten, waren furchtbar und lange anhaltend. Als er schließlich nicht mehr schrie, nicht mehr atmete, nachdem sie Dinge getan hatten, über die ich hier nicht sprechen werde, waren wir nur noch zwei. Mein Begleiter war ein Späher, erwischt während er nach Gefangenen suchen sollte. Und völlig verängstigt. Ich hatte sicherlich ebenso viel Furcht in mir. Weniger vor dem Ableben , als vor dem Schmerz , der davor kommen würde. Aber es war Trost von Nöten.
Nicht für mich, der ich zu diesem Zeitpunkt herzlich trostlos war. Aber so habe ich ihm eben vorgesungen. Wir haben ein Totenlied gesungen und danach die ein oder andere kleine Melodie, bis er ruhiger zu werden begann, und ohne darauf zu achten, dass man uns schweigen hieß."

Erneut verharrte er, ein dünnes Lächeln auf den Zügen, und neigte dann leicht das Haupt.

" Wir reagierten nicht auf ihre Worte, und als sie kamen, jammerte er nur, dass ich ihn bloß nicht allein lassen sollte. Bettelte regelrecht, der arme Bursche.
Also habe ich es ihm versprochen. So wenig wir auch beide daran glaubten. Sie waren wütend, wollten unsere Stimmen nicht ertragen, wie sie sagten.
Also verspottete ich sie, neckte sie damit, dass sie nicht einmal eine von zwei singenden Stimmen unterscheiden könnten und dergleichen mehr. Es genügte, dass ihre Wut sich gegen mich als den Älteren richtete. Und ich habe mein Leben nur einmal zuvor so geschrien. Und da war die Qual nicht körperlich, wie sie es nun war. Aber letztlich haben sie sich alle Mühe gegeben, dafür zu sorgen, mir eine Lektion zu erteilen und meine Stimme unbrauchbar zu machen.
Das Töten sollte später kommen, wo sie doch noch von unserem Begleiter zehrten. Wir waren tatsächlich nicht mehr als Spielzeug und Nahrung und als solche sollten wir besser frisch bleiben. Ich weiß nicht mehr, was genau sie anstellten, aber ich dachte, ich würde elendig daran verrecken. Irgendwann, als der Schmerz schon lange zu Schwärze geworden war, tauchte ich daraus wieder auf und stellte fest, dass ich noch lebte. Erstaunlich, wie ich fand.
Dann begriff ich, dass das daher rührte, dass sie mich wieder neben meinen mir unbekannten Begleiter geworfen hatten, nachdem sie fertig waren. Er hat besser reagiert als manch anderer in seiner Lage, und mir die Hände so gut er konnte an den Hals gepresst, auf dass ich ihm nicht einfach wegstarb.
Und dabei herzzerreißend gebettelt, das ich es versprochen hätte. Was mich letztlich auch weckte, denke ich."

Kurz verharrte er, die langen Finger spielten leicht über dem Hals, bevor er den Blick wieder hob, erinnerungsschwer, aber klar.

"Es war unser Glück, dass wir nicht die Einzigen waren, die dort unterwegs gewesen sind. Unsere Leute hatten die Schreie gehört und sich Hilfe geholt und es kam ein regelrechter Pfeilhagel herunter. Bei all dem Qualm hatten wir Glück, nicht erwischt zu werden. Aber einer unserer Kerkermeister schon. Wir kamen mit dessen Klinge von den Fesseln los und torkelten aneinander geklammert weg von den yrch.
Wir wären besser an Ort und Stelle geblieben. Es war ein verirrter Pfeil eines Orks. Seitlich in den ohnehin so nett bedachten Hals. Der einzige Grund, warum ich dort nicht einfach verreckte, ist der, dass mein Begleiter mich daran hinderte, ihn heraus zu ziehen, mich hochhievte und trug und dabei jetzt herzlich nach Hilfe brüllte.
Ich habe keine Ahnung, wie lange die Heiler sich bemühten, aber mir wurde später gesagt, ich hätte mich so verbissen ans Leben gekrallt, dass man mich nicht einfach hätte gehen lassen können. Ich brauchte Wochen, bis ich wieder auf den Beinen war und noch länger, bis ich wieder etwas Anderes tun konnte, als sachte umhertappen und um mein Gleichgewicht ringen. Aber einen neuen und treuen Freund und Gefährten hatte ich gewonnen.
Teresh, wie wir ihn mit kurzem Spitznamen riefen, war jemand mit den wohl hellsten grünen Augen, die mir je begegnet sind und ein gutes Stück jünger als ich. Aber in vieler Hinsicht weiser. Er sorgte dafür, dass ich nicht gleich wieder loslief, sondern mit in die Wälder kam, wo ich eine ganze Weile bei ihm und seiner Gefährtin verbrachte. Als er mit seiner Gattin fiel, habe ich auf ihrer beider Wunsch hin, ihr Kind aufgenommen und aufgezogen, das die Augen seines Vaters und die Züge der Mutter hat.
Aber das war Jahrhunderte nachdem wir einander trafen. Aber von dieser ersten Begegnung stammt diese Narbe. Auch wenn ich Jahre später erneut am Hals verletzt wurde. Aber das tat nichts mehr zur Sache. Es war ohnehin nicht mehr viel zu verschlimmern."

Er lachte leise auf und hob erneut die Schultern, eine Geste , die momentan oft vorkam.

" Aber ich muss sagen, so furchtbar das damals auch war, so war es doch das Beste , was mir passieren konnte, denn ansonsten hätte ich einen der besten Freunde in all meinen Jahren nicht kennen gelernt und auch wäre ich niemals dazu gekommen, ein so liebendes und wildes Kind zu haben. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, als ein Freund der Eltern an seinem Heranwachsen Teil zu haben und nicht als sein Vater anstelle seiner Eltern.
Aber das war nicht zu ändern, denke ich. Aber es scheint so, als würden oft genug immer gute und schlechte Dinge gleichermaßen aus solchen Erlebnissen erwachsen. Und ich bin gewillt, den Guten den Vorzug zu geben. Verzweiflung kenne ich schließlich schon zur Genüge.
Aber was möchtet Ihr noch wissen, Celandril? "

Er rieb sich den Hals, wobei nicht klar wurde, ob es Erinnerung oder realer Schmerz waren, der ihn dazu brachten. Hustete leise und rau, räusperte sich schließlich und blickte fragend drein.
Unruhig wirkte er nicht. Tatsächlich schien die Stimme sogar während der Erzählung meist emotionslos zu bleiben.




Celandril zog die Augenbrauen etwas zusammen - wie konnte man das falsch verstehen?
Schnell kehrte sie zu Lächeln zurück, immerhin hatte Wethrinvar um Klärung gebeten, oder vielleicht eher, nachgefragt...
Vielleicht wäre es Zeit, etwas Klarheit zu erhalten, und die bisher aus trübem Wasser und blauem Himmel herausgerissenen Stücke der Geschichte zusammenzufegen, ehe der weitere Weg beschritten würde.

"Ich meinte tatsächlich etwas anderes. Nicht direkt eine Frage... aber so erschien es mir eben, nach dem was ich sehe und höre. Es ist ja auch gut möglich, dass ich es selbst sehr falsch gesehen habe, und Ihr mich gleich nur noch kopfschüttelnd ansehen und fortgehen werdet."

Celandril lachte leise, sei es weil der Satz nicht ernst gemeint war, oder weil sie deutlich machen wollte, dass es sie nicht verletzen würde, sollte der ältere Elb wirklich nicht mehr weiter mit ihr sprechen wollen. Vielleicht auch, um ein wenig der düsteren Stimmung zu vertreiben, und an den Vorsatz, sich auf die Guten Dinge zu konzentrieren, anzuknüpfen.

"So wie Ihr es sagt, hört es sich an, als wollte ich unterstellen, Ihr spielt unter den Augen der Elben in Imladris ständig eine Wehrlosigkeit vor, die nicht zutrifft.
Das meinte ich nicht, und es macht auch nicht den Eindruck. Nicht auf jemanden, der schon mit Kriegern zu tun hatte...
Nein, Ihr beachtet Eure Verletzungen einfach nicht in dem Maße, wie es andere tun würden, und wie Ihr es vielleicht auch tun solltet. Nicht, dass ich Euch in dieser Hinsicht Vorschriften machen möchte - das hätten die Heiler tun sollen, die sich bisher um Euch gekümmert haben, sei es auch so lange her wie es eben ist.
Aber Ihr nehmt sie einfach hin.
'Es war ohnehin nicht zu verschlimmern', so sagtet Ihr - ' Nicht zu ändern', ' es wird immer so bleiben'.
Als wäre es unabänderlich - oder verdient - wann immer sich eine neue Narbe eingräbt...
Ihr habt keine Antwort gegeben, warum Ihr dies so seht - ich habe nicht deutlich danach gefragt, und wenn Ihr es nicht beantworten wollt, dann verstehe ich das.
In Euren Augen ist eine Akzeptanz für all das, und ich halte es für möglich, dass das ein Grund ist, zusätzlich zu den offensichtlichen, warum die Schmerzen kaum je nachlassen.
Ihr habt viele Jahre nur für andere gelebt, überlebt wenn Ihr so wollt... ich hoffe ich trete Euch nicht zu nah mit der Annahme, dass dies seit dem Tod Eurer Liebe der Fall ist...und in all dieser Zeit habt Ihr den gesuchten Tod auf den Schlachtfeldern verpasst."
Die jüngere Elbe lächelte traurig, und schien für einen kurzen Moment an Wethrinvar vorbeizusehen, in einer eigenen Erinnerung vielleicht, oder einfach nur unsicher...

"Und nun habt Ihr dieses wilde Kind - wie alt ist er eigentlich? - über das man in beiläufigem Gerede an den Schmieden die Augen verdreht, und über das sich Wachen und hohe Damen so leicht verärgern lassen, statt der Jugend mit Lachen zu begegnen, und Ihr könnt nicht anders als weiterleben, mit den Augen auf das Leben der Anderen, die es so viel mehr verdient haben als Ihr.

Diese unsinnige Ansicht ist der Heilung abträglich, und war es mit Sicherheit schon immer, Wethrinvar..."

Celandril hob die Hände etwas, die Flechtarbeit aus Gräsern lag vergessen und wurde nicht weitergeführt. Der Blick zu Wethrinvars Augen war fragend, obwohl keine Frage gestellt wurde suchte die Elbe nun offenbar Bestätigung oder Verneinung der zum Teil sehr dünn begründeten Annahmen.



Wethrinvar hob den Kopf leicht, musterte sie aufmerksam und lächelte dann, als er begriff, was sie eigentlich meinte.
Dann allerdings grinste er flüchtig und zuckte mit den Schultern.
"Warum ich es also so mache und warum ich es nehme, wie es ist? Das ist einfach zu beantworten. Es ist so einfach, dass ich nicht darauf kam, dass das Euch verwirren könnte."

Tatsächlich betrachtet er sie noch einen Moment in mildem Erstaunen, bevor er gelassen feststellt:

"Es hätte schlimmer sein können und es wird nicht besser. Aber das kümmert mich nicht, weil es Andere viel schlimmer getroffen hat, die es weniger verdient hätten. Solche, die noch nicht andere Elben getötet haben.
Ich bin ein Mörder, Celandril. Erklärt mir also, welches Recht ich habe, zu leben, während es die, die niemals die Klinge gegen ihresgleichen erhoben, nicht dürfen?
Aber um die Frage zu beantworten: Es kümmert mich nicht, weil es der Lauf der Dinge ist. Nicht alles heilt. Auch die Zeit heilt nicht alles. Es ist so und es macht aus uns die Persönlichkeiten, die wir eben sind. Das ist nicht unbedingt schlecht. Es ist nur nicht immer einfach. Warum sollte ich mich gegen eine derartige Veränderung wehren, wo ich sie doch hundertfach immer wieder im Wald und der Natur sehe?"

Er hob erneut die Schultern. Dann allerdings vereiste das Lächeln, als verlorene, wenn auch nie vergangene Liebe erwähnt wurde. Es vereiste, verrutschte und schien zu splittern, bis das Gesicht seltsam leer wirkte. Einige Augenblicke zumindest. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle, auch wenn kein Lächeln zur Beruhigung oder zum Abschwächen des Ausdruckes erschien.
Stattdessen blickte er sie lange schweigend an, lauschte ihren Worten und verzog keine Miene. Dann aber richtete er sich nicht auf, sondern legte den Kopf leicht zur Seite und meinte knapp:
"Wie ich es sagte: es gibt Dinge, die ich eher verdient habe, als viele Andere. Der Tod würde dazu gehören. Aber vielleicht wäre das für einen Mörder auch zu einfach."

Erneut hob er die Schultern, musterte sie. Erstaunlicherweise klang er frei von Selbstmitleid, welches die Worte doch vermuten lassen würden. Es war eher eine Art, die Dinge zu sehen, wie es schien. Aber so abwehrend er auch einige Moment lang dreinblickte, so ruhig wurde er wieder, als die Rede auf Juveniel kam.
Wenn auch nicht heiterer. Nicht jetzt.
"Mein Sohn ist in wenigen Tagen in seinem 379. Jahr. Und es ist ihm wie auch mir gleich, was sie hier von ihm halten. Er weiß seine Aufgaben zu erfüllen und ist pflichtbewusst. Wenn sie sich an ihm stören und ihn nicht dulden können oder wollen, wie er in seinem Wesen ist, dann sollen sie es lassen und lachen.
Es gibt wichtigere Dinge als sich um ihre Meinung zu scheren, wie sie hier ihre Zeit verbringen und sich keiner größeren Sorge bewusst scheinen, als dass es regnen könnte."
Erneut zuckte er mit den Schultern und dann lächelte er dünn. Nicht freundlich. Nicht im Geringsten freundlich. Aber auch nicht boshaft oder kalt. Einfach nur mit einer gewissen Schärfe und Anspannung.

"Es liegt nicht bei Euch, mir zu erklären, was meine Einstellung zum Leben, meinem Leib antut oder nicht. Es wäre nicht so, als wenn ich nicht Freude kennen und genießen würde. Aber ich habe Schuld auf mich geladen und sie wird dort verbleiben, bis ich sterbe. Daran ist nichts zu ändern.
Und mein wildes Kind ist das Beste, was mir in meinem Leben zustoßen konnte, wo ich doch niemals selbst ein Kind zustande gebracht haben könnte. Auch wenn selbst dieses Gute aus großem Schmerz erwachsen ist.
Aber ich schweife ab. Unsere Meinungen bezüglich meiner Heilung werden wohl weit auseinander gehen. Was nicht weiter störend ist. Ich werde nicht von meiner Meinung weichen und Ihr nicht von Eurer. Aber so Ihr über etwas Andres als meine vermeintlich mögliche Heilung sprechen wollt, so können wir das gerne tun."

Kurz hob er eine Braue, wirkte, als wollte er noch etwas sagen. Vielleicht etwas, das wirklich unfreundlich wäre. Stattdessen schwieg er einfach und neigte leicht das Haupt.





Kurz wirkte Celandril überrascht, dass nun doch eine heftigere Reaktion zu sehen war, als sie es eigentlich erwartet hatte…wo Wethrinvar doch so beherrscht war, während des ganzen Gesprächs.
Vermutungen, Spekulation, man kann annehmen und abwägen, überlegen was wahrscheinlich ist, und was nicht, und doch bleibt es unvollständig und luftig wie Nebel, ohne wirklich Einfluss zu nehmen - solange nichts davon ausgesprochen ist.
Und danach ist es zu spät, um etwas zurückzunehmen.

So neigte sie dann den Kopf ebenfalls, respektvolle Nachahmung der Geste des Waldelben, ganz sicher nicht dazu gedacht, den Ausdruck in den eigenen Augen zu verbergen, und schien über die Worte nachzudenken. Oder über die nächste Frage?

Sie hätte es gut sein lassen und nicht auf diese Weise die Bestätigung suchen können, die nun gegeben wurde...

„ Es tut mir leid.“

Tatsächlich war die Neugier aus der leisen Stimme verschwunden, wo dies nun fast flüsternd eingeworfen wurde. Dann aber hob sich der Blick auch schon wieder, und während Celandrils Finger nun wieder mit dem Armband spielten statt mit dem Gras, fuhr sie, weniger leise, aber ernster als bisher, fort:

„Wir waren auch in anderen Bereichen als der Heilung schon anderer Ansicht… das ist, wie Ihr sagt, nicht verwerflich, und nicht tragisch. Ihr kommt gut zurecht, und wenn es Euch nach Heilung verlangen würde, so bin ich sicher Ihr würdet das selbst ansprechen.
Wenn Ihr noch nicht der aufdringlichen Gesellschaft überdrüssig seid… dann erzählt mir etwas über den Jungen, wenn Ihr wollt? Wie lange kümmert Ihr Euch nun schon um ihn?
Und ich meinte es nicht in böser Absicht, ihn wild zu nennen – es waren Eure eigenen Worte.“

Dabei lächelte sie wieder, der Tonfall eher entschuldigend als mit Schärfe versehen. Das Armband wurde dabei immer wieder hin und her gedreht, ohne dass die Elbe hinsah. Vermutlich geschah es, ohne dass eine Absicht dahinter steckte.

Noldor: the Deep Elves, the second host of the Eldar on the westward journey from Cuviénen, led by Finwë. The name meant "the Wise" (but wise in the sense of possessing knowledge, not in the sense of possessing sagacity, sound judgement).

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Re: Flüchtige Bekanntschaften

Ungelesener Beitragvon Celandril » Donnerstag 10. November 2022, 21:42


Ein Schulterzucken war die Antwort auf die Entschuldigung.
Er nahm sie nicht mit Worten an. Auch wurden die Züge nicht weicher. Aber immerhin schien das Schulterzucken dennoch so etwas wie eine Zustimmung zu sein, denn er stand auch nicht auf und ging, ebensowenig wurde er erneut ärgerlich.
Stattdessen musterte er sie ruhig und wartete darauf, dass sie fragte, was sie wissen mochte. Zum ersten Mal wirkte der Blick so alt, wie der Elb wirklich ist und nicht nur traurig, wie auch manch Jüngerer dreinblicken könnte.

Schließlich nickte er leicht auf ihre Worte und meinte dann wieder ruhiger, anscheinend sich selbst wieder unter Kontrolle habend, da auch die Augen wieder ruhig und gleichmütig waren und nicht mehr verrieten, wieviel älter er war, als es manchmal schien:
"Es ist wohl so und auch ich muss mich entschuldigen. Ich hätte Euch deswegen nicht anfahren sollen. Das stand mir nicht zu, da Ihr es nur gut meintet. Von daher: Verzeiht mir. Auch wenn Ihr erneut richtig liegt: ich würde mich melden, wenn ich Heilung benötigte oder wollte. Und auch, dass es nicht das einzige Thema ist, über das wir uneins sind. Aber das ist nicht zu vermeiden, wenn sich zwei Geschöpfe, die solcher Gedanken fähig sind, miteinander unterhalten."

Er neigte leicht das Haupt, richtete sich dann wieder etwas auf und blickte sie ruhig an, bevor er kurz und milde überrascht wirkend die Brauen hob. Nicht unangenehm. Nur ernstlich überrascht. Das war ein Frage, mit der er wohl eher nicht gerechnet hatte und dementsprechend legte er auch den Kopf leicht zur Seite, bevor er sich wieder bequemer setzte, schließlich sogar einfach wieder hintenüber ins Gras sank und nach oben ins Geäst blickte. Allerdings schien das keine Verweigerung einer Antwort zu sein. Stattdessen starrte er eine kleine Weile, dachte nach und grübelte, bevor er die heisere und raue Stimme wieder hob. Grade so weit, dass Celandril ihn über die Geräusche des Tales verstehen könnte, aber doch nicht weit genug, als dass man es anders als ein Raunen nennen würde.

"Ich sehe es nicht als böswillig. Er ist wild. So wie ich es war und bin und so wie viele von uns es sind. Es liegt in unserer Natur. Hat auch einstmals in Eurer gelegen. Aber Eure Vorfahren haben das vergessen. Ihre Wildheit haben sie verloren, als sie fortgingen und stattdessen brachten sie eine andere Art davon wieder mit. Eine, die sie dazu brachte, Dinge zu tun, die nicht getan werden sollten. Aber das ist lange her. Mittlerweile ist weder von der Einen noch der Anderen etwas über.
Aber die unsere ist uns verblieben. Auch wenn das nicht immer gut ist.
Und wie lange ich mich um ihn kümmere ? Er war 41 als seine Eltern ermordet wurden. Alt genug, um sich an sie zu erinnern und sie innig zu lieben und alt genug, um zu wissen, dass ich nicht sein Vater bin. Dennoch nannte er mich schon nach wenigen Jahren so. Ich bot es ihm nicht an und er fragte nicht danach. Er kam einfach irgendwann zu mir und rief etwas und statt mich beim Namen zu nennen, rief er eben Vater."
Bei der Erinnerung starrte er eine Weile schweigend hinauf, seufzte irgendwann leise und murmelte dann:
"Es ist schade, dass die Kinder immer die sind, welche unter den Dingen am Meisten leiden und es am Wenigsten verdient haben. Nicht schade, schlimm eigentlich..."

Dann fuhr er sich kurz mit einer Hand übers Gesicht und sprach ruhig und so , als wären die Worte nicht gesprochen worden, weiter.
"Es ist nicht so, dass er besonders bösartig wäre. Aber Juveniel ist ein sehr kluges und lernbegieriges Kind. Seinen Eltern wie auch mir war von den Noldor viel genommen worden in den vergangenen Kriegen. Dennoch hat sich keiner von uns gesträubt, ihnen oft zu helfen. Aber Juveniel bekam oft genug mit, wie wir über viele ihrer Torheiten sprachen. Er weiß auch, dass es ein verletzter Noldo war, der damals die Verstärkung der yrch führte, die uns erwischte und zum Tode seiner Eltern führte. Das hat in ihm Hass ausgelöst, der dem von mir durchaus einst gehegten, mühelos gleichkommt. Allerdings zähmt ihn weder Alter noch Kontrolle. Er ist lediglich klug genug, nicht mehr als hin und wieder böse Worte von sich zu geben.
Auch weiß er, dass kaum Einer schlecht ist. Nur eben anders. Aber da solche Gefühle nicht einfach verschwinden, habe ich versucht, sie ihm wenigstens leichter zu ertragen zu machen. Habe ihm geholfen, das umzuwandeln in etwas Anderes. Es ist kein Hass mehr. Nur eine tiefe Verachtung für die Schwäche, die viele Noldor an sich heranlassen und ebenso ein boshafter Schalk, wenn er ihnen Schabernack anhaften kann. Dennoch würde er keinen von ihnen töten. Verletzen vielleicht.
Aber den Schritt, den ich schon vor langer Zeit tat, den wird er nie tun. Will es nicht und kann es nicht. Er ist ein guter Junge. Zutiefst verletzt, aber nicht böse. Er gönnt sich nur wenig Freude.
Meint, dass er die Aufgabe hätte, die yrch zu töten, sobald er sie sieht und sie zu jagen, wo er kann. Er kommt nicht auf den Gedanken, dass auch wir anderen Jäger nicht unablässig unterwegs sind, sondern uns abwechseln. Dazu muss ich ihn anhalten, beinahe zwingen. Es ist wie eine Besessenheit. Aber er gehorcht. Ich nehme ihn mit mir, damit er sich nicht verausgabt auf eine Weise, die ihm nicht gut tut. Er sieht so etwas mehr, lernt mehr und wird toleranter. Ich hätte ihn vor 200 Jahren nicht mit ins Tal bringen können. Er hätte sich hier mit jedem geschlagen. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Mittlerweile ist er friedlicher und ruhiger geworden."

Erneut seufzte er leise und lachte dann still in sich hinein, bis es zu einem heftigen und würgenden Husten wurde. Wortlos rollte er sich auf die Seite, drückte sich mit einem Arm hoch und hustete, bis es nur noch ein heftiges Ringen nach Atem war und dann auch das wieder endete und zu ruhigen und kontrollierten Atemzügen wurde.
Dann allerdings ließ er sich erneut nach hinten sinken und murmelte mit geschlossenen Augen:
"Es ist nicht so, dass ich ihn nicht hin und wieder prügeln wollen würde. Aber er kann nichts dafür. Konnte er nie. Ich habe damals den blutigen Speer seiner Mutter als einziges von seinen Eltern retten können. Ich brachte ihn mit, selbst zu verwirrt und erschöpft, um ihn zu säubern oder weg zu legen. Stolperte vor mich hin und wollte nach ihm sehen, weil ich es versprochen hatte. Für den Fall der Fälle hatte ich es ihnen versprochen und es doch immer lächerlich gefunden. Dennoch wollte ich dorthin und wie bereue ich es, dass ich die Waffe nicht vorher wenigstens fortlegte oder wusch. Aber er kam mir ohnehin schon entgegen, nachdem die Nachricht die Runde machte, dass wir zurück wären und Heiler bräuchten.
Er kam und rannte an mir vorbei und suchte und kam zurück und starrte mich an und dann die Waffe und dann fiel er mir um den Hals. Alles nur lange und dünne Arme und Beine, wie Kinder in diesem Alter eben sind. Dürr und sehnig und zu groß dafür, weil er grade dabei war, in die Höhe zu schießen. Er tat mir Leid genug, dass ich aus meiner eigenen Starre erwachte. Ihn in den Arm nahm und hielt und dann haben wir beide geweint. Haben mitten auf dem Weg gesessen und geweint, bis ihm ein Heiler sagte, ich müsse versorgt werden.
Da hat das arme Ding sich an meinen Arm geklammert wie ein verängstigtes Kätzchen, und nicht losgelassen und ich hab den Heilern gesagt, sie sollten ihn nicht fortscheuchen. Ich würde schon nicht schreien. War gar nicht so einfach, sich daran zu halten, aber es hat geklappt."

Er blinzelte, starrte nach oben und meinte dann sanft und nachdenklich:
"Er erholte sich schneller als ich von dem Verlust, schien es. Aber nachts weinte er oft und als ich ihm sagte, dass es keine Schande sei, nicht allein zu weinen, hatte ich ihn noch auf Jahre hin abends am Rücken lehnend oder neben mir zusammengerollt schlafend. Es war rührend und ich stellte fest, dass ich ihn nicht weniger liebte, sondern immer mehr, obwohl er mir zu Anfang nur Scherereien machte und Ärger brachte, wo er nur konnte, als er seine Grenzen austestete und oft genug seiner Wut und Trauer freien Lauf ließ. Dann ging er auf mich los wie von Sinnen und ich brachte es meist nicht über mich, ihn einfach ruhig zu halten. Habe ihn toben lassen, bis er nicht mehr konnte und dann hing er mir von einem Moment auf den Andern wieder weinend am Hals.
Aber auch das wurde besser. Mit der Zeit. Er behielt den Speer, säuberte ihn und pflegte ihn. Erledigte seinen ersten yrch damit. Damals hatten wir nicht einmal damit gerechnet. Waren jagen. Es war ruhig und friedlich und dann hörten die Tiere auf zu singen und die Bäume warnten von überall. Also habe ich ihn angewiesen, vorzulaufen und bin ihm gefolgt, habe unsere Spuren verwischt.
Allerdings hat eines der Biester uns schon gesehen und mich angesprungen. Da hat er geschrien, wie es nie von ihm gehört habe und hat dem yrch den Speer ins Gesicht gejagt und danach weinend dagesessen, bis ich ihn hochnahm und forttrug. Nur den Speer hat er nicht losgelassen. Hat gejammert, dass es ihm Leid täte. Die Heiler konnten nicht viel daran machen. Ich habe ihn mitgenommen und mich um ihn gekümmert. Wie stets. Er hat sich erholt. Hat irgendwann mit mir darüber gesprochen und dann, nachdem er das los war, nie wieder. Ich habe ihm, weil er es wollte, das Schießen beigebracht und alles, was ich über Wald und Jagd, Kampf und Geschichte weiß, will er lernen. Also lernt er. Er hat mit 59 Jahren damit angefangen und als er mit guten 80 mit dem Speer etwas anderes erlegte als einen Eber oder ein Reh, da wollte er auch den Rest lernen. Also lehrte und lehre ich ihn. Es macht Freude, zu sehen, wie rasch er lernt und versteht. Und wie gern er zuhört. Ebenso, zu was für einem Burschen er herangewachsen ist.
Ich ärgere mich zwar oft über ihn, aber er würde dennoch seine Eltern stolz machen und tut es mit mir auch immer noch und immer wieder aufs Neue. Aber er trauert ihnen immer noch nach.
Es ist, so sehr ich es auch hasse, das zuzugeben, gut für ihn, dass er sich die letzten Tage mit diesem Noldo herumgetrieben hat. Allerdings hoffe ich doch, dass es ihn nicht zu sehr überrascht, wenn er merkt, mit wem er eigentlich zu tun hat. Er ist zu jung und zu sehr darüber erfreut, so jemanden gefunden zu haben, als dass er darüber nachsinnen würde, wer Maeronmorn eigentlich ist. Aber das wird er noch herausfinden, nehme ich an. Auf die ein oder Andere Art und Weise.

Denn so, wie es meinem Sohn wiederstrebt, die Unwahrheit, und sei sie noch so gering, zu sagen, so erkennt er auch, wenn man ihn anlügt oder beruhigen will oder dergleichen. Aber vielleicht wird er sich auch so weit an ihn hängen, dass er diese Sache ignoriert, weil er die Freundschaft als dennoch wichtiger erachtet. Es wäre ihm zu wünschen. Er hat wenige Freunde. Es wäre schön, wenn er hier noch einen gefunden hätte.

Aber nun. Es wird sich alles zeigen und wenn es nicht so ist , wie ich es hoffe, dann werde ich ihn auch wieder im Arm halten und trösten, bis es ihm besser geht. Er wird weiter lernen, die Grenzen und die Bewohner des Grünen zu schützen und sich wahrscheinlich irgendwann dabei umbringen. Aber es liegt nicht an mir, ihn daran zu hindern. Es ist sein Wunsch, wie seine Eltern und wie ich zu dienen und zu schützen und das kann ich ihm nicht verwehren. Nicht mit gutem Grunde. Denn dass ich mich sorge, das lässt er nicht zählen. Antwortet nur, dass er sich auch um mich sorgen würde. Also nehme ich ihn eben mit und kann so wenigstens soviel Schutz wie möglich für ihn erwirken. Bisher war es genug, auch wenn ich mir ein lahmes Bein dafür gefangen habe. Aber das ist es allemal wert, wenn er nur weiterhin so ungestüm und fröhlich lebt, wie er es meist tut, wenn ihn nicht Wut oder Traurigkeit überkommen. Was immer seltener wird, wofür ich allen Mächten danke. Kinder sollten nicht so traurig sein. "




Ein wildes Kind also…und Hass auf die Noldor. Das war keine Überraschung, wohl aber die liebevollen Worte über den Jungen. Auch wenn Celandril das mit keinem Wort, und auch nicht viel an Blicken, zum Ausdruck gebracht hatte in den vorherigen Unterhaltungen, so war ihr doch der Eindruck entstanden, das Kind aufzuziehen sei eher eine Bürde als von Liebe geprägt.
Offensichtlich ein falscher Gedanke. Kinder sollten wirklich nicht traurig sein. Celandril lächelte zustimmend, auch wenn sie selbst keine hatte... der ältere Elb scheint den angenommenen Sohn wirklich sehr ins Herz geschlossen zu haben.

Aber etwas anderes sagte Wethrinvar – eine Unebenheit im fließenden Lauf der Erzählung, wie ein Kiesel, der am Rand eines Gratweges liegt… wenn man ihn anstößt, kann er einfach fallen, oder eine Lawine auslösen…
Der Waldelb hat die Fragen sicher lange genug ertragen, und nun hätte das Gespräch mit freundlicher und aufrichtiger Zustimmung enden können, warum musste so etwas Unwichtiges dann doch noch Beachtung finden – der Kiesel störte den weiteren Weg, doch eine Lawine wäre der Elbe nicht recht. Wirklich nicht…

Celandril schloss die Augen für einen Moment und lachte dann leise.

„Als meine Vorfahren fortgingen, brachten sie eine andere Wildheit wieder mit?
Was meint Ihr damit, Wethrinvar?“

Es blieb zu hoffen, dass das so harmlos klang, wie es sich anhören sollte. Vielleicht war es einfach nur ein ganz simples Missverständnis – sei es von seiner oder von ihrer Seite. Und mit diesem Armband konnte sie wirklich auch anderswann spielen…lieber rollte Celandril nun das geflochtene Gras zu einer Kugel zusammen, um die Hände zu beschäftigen.



Einen Moment lang blickte er sie aufmerksam an und dann stellte er in erstaunlich sanftem Tonfall fest:
"Liebes Kind, das ist ganz einfach. Eure Vorfahren waren einst von ähnlichem Wesen wie meine Leute und diejenigen, die nach uns kamen.
Aber nachdem sie in den Westen gingen, wurden sie gezähmt. Anders kann man es nicht sagen. Sie verloren ihre Ursprünglichkeit und ließen sich domestizieren. So wie ein Wolf über die Zeit zum Hund gemacht werden kann, so wurden sie von den Valar zu einer anderen Art ihrer selbst gebildet. Sicherlich sind sie große Gelehrte und haben mächtige und wundervolle und furchtbare Personen hervorgebracht. Alles auf einmal genauso wie jedes davon einzeln. Aber sie können nicht mehr mit dem Land sprechen. Es sagt ihnen nichts mehr. Die Verbindung, die sie einst dazu hatten, existiert nicht mehr. Sie sehnen sich zu großen Teilen nach dem Westen, obwohl dort ihr Leid seinen Anfang genommen hat.

Denn wäre Euer Feanor hier geboren worden, so hätte er viel tun können, aber er wäre nie dazu gekommen, etwas zu wollen und zu schaffen, das solche Gier in allen, die es sahen, erzeugte. Versteht mich nicht falsch: so etwas zu erschaffen ist eine Leistung, die niemand jemals würde nachahmen können und sollte als solche angesehen werden und er tat es mit Sicherheit nicht, um zu schaden. Aber das, was daraus entstanden ist, war Tod und Krieg, den der Dunkle hier hinüber brachte, als er Euren zweiten Hochkönig herlockte.
Denn Feanor war von solcher Art, dass in ihm die Wildheit, die die Valar in so vielen von den Hinübergegangenen ausgelöscht hatten, hoch brannte. Wie ein Wildfeuer im Sommersturm. Er hatte das Feuer, das soviele Eurer Vorfahren vergessen hatten und hat es in seinen Begleitern geweckt. Nur ein Hund kann nie wieder ein Wolf werden. Er hat sie tollwütig gemacht in ihrem Hunger. Erst nach Rache und Freiheit und später nach den Steinen, nach dem Sieg, nach Kontrolle, Wissen. Nach vielen Dingen. Er hat in ihnen eine Wildheit hervorgerufen, wie es der Wolf in einem Rudel eigentlich zahmer Hunde kann, denn sie sehen diesen ihren Vorfahren stets als einen Anreiz an, sich zu gebärden, als könnten sie noch zu dem werden, was sie einst waren. Es ist wahr, dass sie viel gewonnen haben, als sie dort hinüber gingen.
Aber dafür mussten sie erst alles, wirklich alles verlieren, was sie auf dieser Seite des Meeres ausmachte. Was meint Ihr denn, warum so viele von uns nicht hinüber gingen, obwohl wir ihnen anfangs bereitwillig folgten? Der Jäger erzählte uns von dem, was man dort drüben tat und so schön es auch klang und so sicher es zu sein schien, so kam es doch ausreichend vielen von uns schon damals mehr als ein Käfig vor. Meine Eltern weigerten sich, hinüber zu gehen und ich folgte ihrer Führung. Was auch sonst? Ich war jung, kaum mehr als ein Sprössling. Wem hätte ich sonst folgen sollen? Aber ich muss gestehen: nachdem ich sah, wie sie waren, als sie wieder herüber gekommen waren... ich bin froh, dass ich den so gepriesenen Westen nie gesehen habe und es nie tun werde.
Wenn er mich meines ureigensten Wesens so beraubt hätte, wie es die Jahre der Bäume mit den Noldor und Vanyar dort drüben taten, dann bin ich unsagbar froh, dass wir hier verblieben. Auch wenn das bedeutete, dass wir einen Kampf nach dem Nächsten zu fechten hatten. Aber das ist das Leben, das wir schätzen und lieben lernten. Derweilen folgten Eure Vorfahren dem Weg, den man ihnen vorzeichnete und entwickelten sich ebenfalls in eine Richtung weiter. Wie auch wir. Nur dass diese Richtungen vollkommen voneinander fort liefen.
Die Hohen bezeichnen sich heute noch gerne als weise und klug. Ganz so, als wäre mein Volk nicht in der Lage das Eine oder Andere zu sein. Aber dass unsere Arten von Weisheit einfach in unterschiedliche Richtungen gehen, das scheinen die Wenigsten zu verstehen. Und das haben sie auch damals schon nicht mehr getan. Als ich die Entwicklung der Menschen unter den Fittichen der Hohen sah, da überraschte es mich zutiefst, als man die Entwicklung, die sie im Westen durchgemacht hatten, an den Menschen in viel kürzerer Zeit ebenfalls sehen zu können.
Es ist nichts Schlechtes daran, für diejenigen, die sich so weiter entwickelten. Mit Sicherheit nicht. Schließlich sind sie glücklich so, wie sie sind. Aber das sind wir auch. Dennoch müssen wir uns sagen lassen, wir hätten eine unterentwickelte Kultur. Nicht weil es so wäre, sondern einfach, weil sie anders ist als die, die die Hohen für sich im Westen entdeckt haben. Es ist bedauerlich. Aber zurück zur Wildheit.

Eure Vorfahren haben diese Wildheit, die der wütender und jagender Hunde eher glich als der von Wölfen, mit sich gebracht. Sie sind effizient damit gewesen. Sehr sogar. Haben Feind und Freund gleichermaßen ausgelöscht, wenn sie es für nötig hielten. Aber diese Wildheit ist mit Vielen von ihnen im Ozean versunken. Es gibt heute nicht mehr viele von denen, die wissen, wie sich einst die Natur anfühlte. Wie es war, mit den Sternen und nicht nur darunter zu tanzen. Oder wie es ist und war, wenn man auf der Jagd neben dem Reh her rannte, statt es einfach zur Strecke zu bringen. Das sind Dinge, die wir immer noch schätzen. Für die Hohen sind sie derweilen einfach nicht mehr wichtig, weil sie die Bindung verloren haben. Sie sogar bereitwillig aufgaben, um andere Dinge zu lernen. Ich würde mich sicherlich nicht darüber beklagen, aber es sind eben Dinge, die einem auffallen, wenn man lange Zeit dazu hat, sie zu beobachten und sich Gedanken darüber zu machen."

Gelassen hob er die Schultern und lächelte schmal und weich, aber ohne einen Hauch von Entschuldigung. Es waren Worte, die er so meinte, wie er sie sagte und dementsprechend würde er im Traume nicht darauf kommen, sie zurückzunehmen.





Celandril legte den Kopf etwas zur Seite, wenn es ganz einfach zu beantworten war, würde sie gern zuhören, auch als interessiertes ‘Kind‘, wenn es weiterhalf.
Der nebenbei erbrachte Hinweis auf die längere, weitaus längere Erfahrung des Waldelben jedenfalls schien sie nicht sonderlich zu stören.
Nur wenige Sätze später lächelte sie etwas, man konnte möglicherweise bemerken, dass sie versuchte, sich dabei zurückzuhalten.
Ein Missverständnis, allerdings, doch würde sie die Erklärung nicht unterbrechen, wo sie doch über Wethrinvar selbst so viel mehr aussagte als nur, dass der Elb aus dem Düsterwald sie für eine der Noldor hielt.
Und warum auch nicht – das wenige, was er von ihr erfahren hatte bisher, mochte tatsächlich so wirken…
So musterte die Elbe weiterhin Wethrinvars Gesicht, versuchte den Blick in die Augen zu halten, wenn er es zuließ, und ließ die Worte mit sanftem Lächeln über sich fließen.
„Ihr habt eine interessante Sichtweise zum Westen. Und zu dem Land hier…und der Geschichte der Noldor. Ich würde gern mehr darüber hören, wie Ihr die Welt wahrnehmt, wenn Euch die Zeit nicht zu schade ist.
Wobei es Euch natürlich freisteht, selbst auch zu fragen was immer Euch in den Sinn kommt…oder wir verschieben all das auf später, wenn Euch das lieber ist?
Aber Eure Beschreibung, zu der Entwicklung des Wesens der Wildheit, hier wie im Westen, auf die unterschiedlichen Gruppen der Elben bezogen, das ist wirklich…interessant.“
Wieder lächelte Celandril dazu, vielleicht machte ihr das Gespräch, so wie es sich nun entwickelt hatte, tatsächlich Freude, oder sie wollte eine Unsicherheit überspielen, die Wethrinvars Worte geweckt hatten …das Gras jedenfalls lag inzwischen ordentlich zusammengerollt neben ihr, und leises Klimpern verriet, was nun wieder die schmalen Finger beschäftigte.
Sie wirkte dabei zum einen sehr ruhig, und zum anderen, wenn auch weniger offensichtlich, sehr zufrieden.

Noldor: the Deep Elves, the second host of the Eldar on the westward journey from Cuviénen, led by Finwë. The name meant "the Wise" (but wise in the sense of possessing knowledge, not in the sense of possessing sagacity, sound judgement).


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