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26. Nachlithe (Juli)
Mein lieber Drubb,
In meinem letzten Brief schrieb ich, dass ich nach Bree gehen wollte. Das war der Plan. Nun, vom Haus des lieben Tom aus habe ich auch die Senke südlich der Hügelgräber gefunden. Ich wollte mich gleich auf nach Bree machen, aber da bemerkte ich ein Schluchzen an einem Felsen… Dort hatte ein jemand sein Lager aufgeschlagen, es war ein großes Zelt dort aufgestellt mit einem Lagerfeuer. Weit und breit war jedoch niemand zu sehen, außer einem kleinen Menschenjungen. Naja, klein war er nicht gerade, er war einen halben Kopf größer als ich… Der Junge, mit Namen Erdfried, erzählte mir, dass er hier auf seinen Vater wartete, der in den Hügelgräbern nach Relikten und alten Dingen suchte und bereits seit zwei Tagen nicht zurückgekehrt war. Ich dachte mir: schlimmer als der Alte Wald konnten die Höhen wohl kaum sein. Also versprach ich Erdfried, seinen Vater zu suchen. Zum Glück wusste der Junge, zu welchem Hügelgrab sein Vater gegangen war und das war auch gar nicht so weit weg. Ich machte mich also auf den Weg, hoch zu den Höhen. Oben angekommen sah ich gleich all die großen Grabsteine. Weiter unten in kleinen Tälern lag dichter Nebel, aber so weit oben schien das Sonnenlicht auf die Grabsteine. Ich sprach ein paar Gebete und bat um Erlaubnis und entschuldigte mich gleich für mein Stören und dann ging ich auf einem kleinen Pfad zu dem Hügelgrab. Zwischen den Steinen sah ich ab und zu eine Ratte vorbeihuschen. Manchmal dachte ich, etwas anderes gesehen zu haben. Aber dann war es doch immer nur eine Ratte. Als ich am Grab ankam, war es bereits Nachmittag. Bei all den Gräbern hatte ich den ganzen Tag über keinen wirklichen Appetit gehabt und rastete vor dem Grab nur kurz, um etwas zu essen. Dann suchte ich die Umgebung nach dem Mann ab. Ich hatte ein seltsames Gefühl. Eigentlich war das ja nur ein uralter Friedhof, aber irgendwie auch nicht… Ich wollte den Vater des Jungen jedenfalls so rasch wie möglich wieder finden. Leider hatte ich vor dem Grab keinen Erfolg. Die Sonne ging unter und ich schlug unter einem Felsen auf einer kleinen Anhöhe, oberhalb des Grabes, mein Lager auf. Als dann der Mond am Himmel stand, begann ich plötzlich von überall her ein abscheuliches Heulen zu hören. Es klang nicht wie das Heulen von Wölfen, es klang irgendwie viel schrecklicher. Glücklicherweise kam das Heulen von weiter weg, aber ich konnte in dieser Nacht dennoch kaum schlafen, ich war eigentlich immer mit einem Auge wach. Vielleicht war das auch besser so gewesen. Am nächsten Morgen aß ich rasch etwas und suchte dann nochmal um das Grab herum nach dem Mann. Er war wohl nicht draußen… Ich konnte den armen Jungen doch nicht ohne seinen Vater allein lassen! Ich musste also in das Grab hinein… Und dort nach dem Mann suchen. Ich sprach wieder einige Gebete und betrat dann das Hügelgrab. Innen war es ganz kühl und modrig, aber irgendwie war die Luft sonderbar frisch. Sicherlich dadurch, dass der Mann vor einigen Tagen das Grab geöffnet hatte. An den Wänden waren auch überall Fackeln angebracht, von denen einige noch brannten. Nun war ich mir sicher, dass der Mann noch in diesem Grab war. Vielleicht hatte er einfach nur die Zeit vergessen, das konnte ich mir gut vorstellen. Die abgebrannten Fackeln erneuerte ich und zündete sie wieder an. Eine nahm ich auf meinem Weg mit, um besser sehen zu können. Dann begann ich, das Grab zu erkunden. Ich fühlte mich schon fast wie dieser eine reisende und Abenteuer erlebende Gelehrte, von dem ich schon viele Geschichten gehört hatte. Das Grab war sehr alt. Und scheinbar war es schon öfter geplündert worden. Überall auf dem Boden lagen zerbrochene Steine und Scherben und in manchen Räumen waren die Platten auf den Steinsärgen beiseitegeschoben. Alles war voller Staub und in den Ecken hingen dicke Spinnweben. Manchmal sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung, das waren ein paar Ratten. Sie waren sicherlich mit dem Mann reingekommen oder es gab in den Wänden irgendwo kleine Löcher. Ab und an sah ich an den Wänden oder auf Vasen in den Räumen alte verwaschene Inschriften und Symbole. Während ich so durch die Gänge ging, und meinen Weg mit Kohle kennzeichnete, fragte ich mich, was wohl die beste Bestattungsart war. Begraben? Verbrennen? Ich hatte auch von sogenannten „Seebestattungen“ gehört, die von den Menschen, die am Meer leben, durchgeführt werden. Und diese großen Hügelgräber sind auch nochmal etwas ganz anderes als ein Friedhof. So eine Gruft ist schon sehr gruselig. Nun, das Grab, in dem ich mich befand, war nicht sonderlich groß, aber ich ließ mir auch Zeit, alles genau anzusehen und zu erforschen. Freiwillig würde ich ganz sicher nicht nochmal in so ein Grab steigen, oh nein! Da musste ich die Gelegenheit nutzen. Bald, endlich, nach langer Suche, entdeckte ich in einer Grabkammer einen Mann, der an die Wand gelehnt schlief. Aber nein, als ich näher heranging und er nicht auf meine Worte reagierte, sah ich, dass er am Kopf eine blutende Wunde hatte und bewusstlos war. Das Blut an seinem Kopf war schon getrocknet, also lag er wohl schon eine Weile dort. Ich versuchte ihn eilig zu wecken und als ich es geschafft hatte, gab ich ihm gleich Wasser und Essen. Der arme Kerl war schon halb ausgetrocknet und verhungert gewesen. Er wollte mir erstmal nicht sagen, was ihm widerfahren war, er wollte nur so schnell wie möglich raus aus diesem Grab. Ich wollte das auch und so beeilten wir uns zurück. Endlich erreichten wir dann den Ausgang und traten ins Freie hinaus. Der Mond stand bereits hoch am Himmel. So lange hatte ich also in diesem Grab nach dem Mann gesucht. Die Zeit schien wirklich stehen geblieben zu sein, dort unten unter der Erde und all dem Stein. Der Mann sah sich jedenfalls nervös um und kramte in seinen Taschen als würde er nach etwas suchen. Immer wieder holte er ein Stück Stein oder eine Scherbe raus und legte sie mit größter Sorgfalt vor dem Grab ab. Das war ganz sonderbar. Als er sich vergewissert hatte, nichts mehr in seinen Taschen zu haben, gingen wir zurück, zu seinem Lager in der Senke. Wir hörten wieder das furchterregende Heulen, aber der Mann schien ganz ruhig zu bleiben. Er meinte, es gäbe in diesen Höhen weitaus fürchterlichere Dinge als diese Bargheste, wie er sie nannte. Das sollten hundeartige Monster sein. Also Hundemonster. So wie Warge Wolfsmonster sind. So hat er es mir erklärt. Wir gingen die ganze Nacht über und erreichten im Morgengrauen den Rand der Höhen. Und ein Grauen war es, fürwahr! Plötzlich, mit einem Mal, brach vor uns die Erde auf und eine große menschenähnliche Gestalt erhob sich, eingehüllt in alte Fetzen, und ein gammliger Geruch trat in die Luft. Ich war ganz erstarrt vor Schreck und bleich wie Kreide! Und dem Mann schien es auch nicht besser zu gehen! Diese… Gestalt, die sprach dann sogar. Mit einer markerschütternden verzerrten Stimme, wie ein gruseliger Windhauch. Sie sagte mit dieser Stimme, und ich höre die Worte immer noch: „Du hast meine Ruhe gestört! Du hast mein Grab geschändet! Du hast meine Ehre gestohlen! Du wirst mir dafür dein Leben geben!“ Der Mann versuchte stotternd und voller Furcht, die Gestalt zu beschwichtigen, während diese eine knochige Hand nach uns ausstreckte und wir ängstlich zurückwichen. Der Mann entschuldigte sich tausendfach und flehte um Gnade und ich verdanke ihm wohl mein Leben, weil er mich mitgezogen hatte, sonst wäre ich wie angewurzelt stehen geblieben. Als ich dachte, dass es aus sei, erstarrte jedoch wie aus dem Nichts die grauenerregende Gestalt. Plötzlich wand sie sich, als hätte sie unerträgliche Schmerzen, kreischte auf, sodass uns das Blut in den Adern gefror, und sackte mit einem Ruck zu einem Haufen Staub und Lumpen zusammen. Genau in dem Moment, als die Sonne aufgegangen war. Für einen Augenblick hatte ich gedacht, eine blaue Feder zwischen den Steinen aufleuchten gesehen zu haben, aber da hatte ich mich sicherlich geirrt. Die Gestalt war verschwunden und der Mann und ich nahmen unsere Beine in die Hand und rannten schnurstracks in die Senke und zu dem Zelt. Nachdem wir verschnauft hatten, bedankte sich der Mann aufs Herzlichste bei mir und ich erklärte, dass er das nur seinem Sohn zu verdanken hatte. Während er mich verwirrt ansah, sah ich mich verwundert um. Weit und breit war keine Spur von dem Jungen zu finden. Wo war er? Der Mann sagte mir, dass er gar keinen Sohn habe. Wie? Aber ich konnte mir das doch nicht einfach eingebildet haben, oder? …oder? Der Mann, der sich mir nun als Hernod Glimmziegel vorstellte, versuchte mich zu beruhigen und stellte fest, dass es egal war, weshalb ich ihn gefunden hatte, denn ich hatte ihn gefunden und das allein zählte. Da hatte er recht. Er wäre ohne mich da unten in dem Grab gestorben… Ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Hernod erzählte mir dann, dass er in dem Grab tatsächlich nach Schmuckstücken gesucht hatte und gerade wieder rausgehen wollte, als er sich umdrehte und so eine untote Gestalt wie die, der wir begegnet waren, vor ihm stand und ihn bewusstlos schlug. Er wäre dort unten einer der Toten geworden, und so war ich wirklich froh, ihn gerettet haben zu können. Hernod hatte mich schließlich danach auch gerettet. Wir beschlossen, gemeinsam nach Bree zu gehen und dort wollte er mich zu einem großartigen Frühstück einladen. Also machten wir uns auf den Weg, durch die Senke und auf der Straße gen Osten nach Bree. Wir ließen den Wald und die Hügelgräber überaus gern hinter uns und der Weg nach Bree kam uns gar nicht so lang vor. Hernod bestand darauf, im Tänzelnden Pony einzukehren und bezahlte mir für die Nacht sogar ein Zimmer dort! Aus diesem Zimmer schreibe ich Dir übrigens gerade. Nun, wir verbrachten den ganzen Tag im heiteren Schankraum und wollten beide eindeutig für die nächste Zeit nur lebende Personen sehen. Mit den bitteren Erinnerungen im Hinterkopf konnten wir zum Abend hin den Tag sogar ordentlich genießen. Dann erzählte mir Hernod, dass er als nächstes in die Einsamen Lande im Osten reisen wollte. Dort gäbe es auch Ruinen, aber ohne all die Gräber. Ich meinte zu ihm, dass ich vielleicht nachgereist kommen würde. Zuerst gab es da ein paar Dinge, die ich in Bree erledigen wollte. Wir verabredeten uns in der Verlassenen Herberge, einem Gasthaus. Nun, ich bin wohlauf. Ich hoffe, euch geht es auch so! Und ich hoffe, Dir geht es gut, lieber Bruder! Grüße alle recht herzlich!
Deine Maiglockli