Der grüne Drache

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Filbu
Doppelmoralapostel
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Der grüne Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Donnerstag 22. Juni 2017, 23:54

Filbu marschierte aufgeregt durch das Buchsbaumsche Smial von einem Bücherregal zum anderen und durchwühlte die säuberlich nach Größe angeordneten Bücher.

„Irgendwo muss es doch sein. Der Bilwiss soll mich holen wenn ich es nicht finde.“ fluchte er und räumte ein Buch nach dem anderen aus den Regalen.

Er hielt inne und fasste sich nachdenklich ans bartlose Kinn. Seit der Hochzeit, die plötzlich wie ein Sommergewitter über ihm hereingebrochen war, konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Unvorbereitet hatte es ihn erwischt und es war alles so schnell gegangen, dass es ihm schier den Atem geraubt hatte.

„Du wolltest diese Frau und jetzt hast du sie Filbu Buchsbaum. Hadere nicht mit dem Schicksal.“ sagt er zu sich als müsse er seine Entscheidung vor sich selbst rechtfertigen. Es waren nicht seine eigenen Zweifel sondern die seiner Mithobbits die ihn manchmal unsicher machten.

„Sie ist ein Drache“ „Sie hat Haare auf den Zähnen“ „Sie ist schlimmer als Lobelia Sackheim-Beutlin“ „Überleg dir das gut, Filbu“

Die Stimmen hallten durch seinen Kopf. Die wenigsten trauten sich ihm direkt zu sagen wie sie über seine Verlobte...nein...über seine Frau, dachten. Aber das Getuschel und die skeptischen, gelegentlich sogar verängstigten Blicke die ihr bedacht wurden sobald sie irgendwo auftauchte, sagten mehr als Worte.

Er wischte die schweren Gedanken weg. Sollen sie doch reden.

,,Ha. Da ist es.“ rief er freudestrahlend aus, als er ein großes, in grünes Leder gebundenes Buch in den Händen hielt.
Merkwürdig, dachte er. Manchmal schien das Leben vorbestimmt. Bisher war ihm diese, fast schon irrwitzige Übereinstimmung, nie aufgefallen.

„Puff, der grüne Drache“ prangte der Titel des Schriftwerks auf dem Buchdeckel. Ein Kinderbuch aus längst vergangenen Tagen, welches seine Mutter ihm sicher einige hunderte Male vorgelesen haben musste. Eigentlich war es die einzige Geschichte an die er sich erinnerte. Vor allem aber war es das darin enthaltene Kinderlied, welches die Geschichte von Puff dem grünen Drachen sehr gut auf den Punkt brachte. Als jähriger Hobbit wusste er natürlich dass Drachen nur ein Hirngespinnst waren. Aber als Kind kam ihm die Geschichte so wirklich vor,als würde er selber auf dem Rücken des feuerspeienden Flugwesens reiten können.

Er schlug die allerletzte Seite des Buches auf, wo in wunderschönen geschwungenen Buchstaben das Lied geschrieben stand. Als er die Melodie mit einem leisen Summen anstimmte, war ihm als höre er seine Mutter dazu singen. Er schluckte den Kloß im Hals hinunter und rügte sich dafür dass schon wieder so viel Zeit vergangen war, seit seinem letzten Heimatbesuch.

Er klappte das Buch zu und murmelte vor sich hin.

„Das ist genau das richtige Lied für das Drachenfest. Vielleicht kennt ja der eine oder andere auch die Geschichte von Puff.“ sagte er in Gedanken

Zügig räumte er die Bücher, sicher nicht mehr so sorgfältig wie er sie vorgefunden hatte, in die Regale, klemmte sich das Drachenbuch unter den Arm und machte sich auf den Weg zur Haustür.

Als er in die kleine Eingangshalle trat machte er kurz halt und blickte an die Wand gegenüber der Haustür. Dort prangte das Bild des Grünen Drachen. Er hatte sich nie gefragt wie die Wasserauer eigentlich auf den Namen ihres Gasthauses gekommen waren. Ob Puff etwas damit zu tun hatte? Vielleicht hat es ihn ja wirklich gegeben, dachte er und musste innerlich lachen.

„Diese grünen Drachen ziehen sich scheinbar durch mein ganzes Leben“ murmelte er und wurde von einem Hüsteln aufgeschreckt. Ihr wisst schon. Nicht dieses Hüsteln was darauf hindeutet das eine Erkältung im Anflug ist. Nein, es war eher ein “Was-hast-du-wieder-angestellt-Filbu“-Hüsteln.

Schalotte stand hinter ihm in dem runden Türbogen. In einem merkwürdigen Winkel sah man den im Zimmer hinter ihr an der Decke hängenden Kerzenleuchter. Es wirkte wie eine kleine Krone mit Feuerschein auf ihrem Kopf und wäre er nicht schon ähnliche Bilder gewohnt, wäre es durchaus begründet gewesen die Flucht zu ergreifen.

„Hase, was hast du mit den Büchern gemacht?“ fragte sie völlig überflüssig da sie ohnehin schon genau wusste was er mit den Büchern angestellt hatte. Aber so sind Drachen halt. Sie nutzen jede Gelegenheit um ein bisschen Feuer zu speien. Er schmunzelte bei dem Gedanken und hielt triumphierend sein Buch in die Höhe.

„Ich hab was gefunden“ sagte er.

„Soso. Gefunden hast du was. Und dafür hast du meine schöne Ordnung durcheinandergebracht? Jetzt kann ich wieder von vorne anfangen. Was hast du denn da für ein Buch? Seit wann liest du überhaupt?“ fragte sie skeptisch.

,,Oh...ähem...das Buch heißt..."Piff der gelbe Singvogel"...das ist ein Kinderbuch. Tulpeline wollte sich das ausleihen. Ich bring es ihr nur vorbei.“ sagte Filbu zögerlich und ließ das Buch hinter seinem Rücken verschwinden.

,,Tulpeline liest Kinderbücher? Hase, tu mir den Gefallen und erzähl das nicht herum. Nicht das ihr Ruf als Grenzerin darunter leidet. Sie macht ihre Sache doch sonst so gut. Es wäre zu schade.“ sagt sie

und fügte noch hinzu „und bleib nicht so lang. Es ist gleich Abendmahl.“

Filbu deutete ein zackiges salutieren an und öffnete die Tür‘.

„ Du kannst dich auf mich verlassen, Maus. Ich würde nie etwas herumerzählen das Tulpeline schaden könnte.“ sagte er und verschwand durch die Tür.

Als er außer Sichtweite war, machte er einen Bogen durch die Siedlung und ging entschlossenen Schrittes zur Musikstube hinüber. Zeit zum üben.
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