Eikoweis - ein ganz normaler Tag

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Eikoweis
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Eikoweis - ein ganz normaler Tag

Ungelesener Beitragvon Eikoweis » Donnerstag 3. November 2016, 00:33

Ein Sonnenstrahl fand seinen Weg durch den Vorhang des runden Smial-Fensters und traf Eikoweis direkt auf die geschlossenen Augen. Der Hobbit murrte, ohne wirklich zu erwachen und drehte sich zur dunklen Seite des Raumes. Vor dem Fenster begann derweil ein Grünfink damit, den neunen Tag zu begrüßen. Er knurrte vor sich hin „verdammte Vögel, verdammte Sonne“ und zog sich sein Kissen so über den Kopf, dass er weder etwas hören noch sehen konnte.
Selbstverständlich hatte er eigentlich überhaupt nichts gegen die Sonne oder die Vögel. Ganz im Gegenteil liebte er es auf der Bank vor seinem Smial zu sitzen und den kleinen gefiederten Freunden bei ihrem Abendgesang zu lauschen. Abends, ja Abends, aber Morgens fand er es nur allzu lästig. Dies mochte daher rühren, dass es dem erst vor einigen Monaten jährig gewordenen Hobbit regelmäßig schwer fiel, den Weg ins Bett zu finden. Während überall in der Siedlung nach und nach die Lichter in den Fenstern erloschen, saß er noch auf seiner Bank, schaute in den Sternenhimmel und blies graue Rauchringe in die Nacht. Dabei lies er seine Gedanken schweifen und grübelte darüber nach, wie er die letzte Pfeifenblatt–Ernte am besten verarbeiten konnte.
Seine Mutter, Risalla, hatte ihm immer wieder gesagt: „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ Doch dann war er halt lieber der Wurm, der sicher in seiner warmen Höhle und vor den Bedrohungen der Welt verschont blieb.
An diesem,wie er sagen würde, frühen Morgen, während in der Siedlung das Leben schon längst seinen täglichen Lauf genommen hatte, schlummerte er dank seines Geräusch- und Sichtschutzes wieder ein. Doch ein ruhiger Schlaf schien ihm nicht beschieden zu sein. Immer wieder stöhnte er leise auf und hätte man seine Stirn sehen können, wären dem Betrachter die kaltnassen Tropfen auf der selben aufgefallen.
Zwei und eine halbe Stunde später wachte der rothaarige Hobbit mit den leichten Sommersprossen schließlich doch auf und warf wie von einer Biene gestochen das Kissen in die Luft und die Bettdecke zur Seite. Er streckte alle Viere von sich – das war ganz und gar wörtlich zu verstehen – und während er seine Arme den neuen Tag zu fassen schienen, betrachtete er skeptisch seine breiten Füße und das zerzauste Fußhaar. Es schien alles in Ordnung zu sein und seine Befürchtung, dass der Drache in seinem Traum wirklicher als erwünscht gewesen war, verpuffte in einem tiefen Seufzer. „Drachen gab es und gibt es nicht! Nein, nein, nein! Weder hier noch sonst wo. Filbu sagt das auch immer! So ein Unfug den da einige Leute immer von sich geben! So etwas sollte verboten werden und ich werde dem zukünftigen Gemeinderat genau das vorschlagen. Wo kommen wir denn da hin, wenn sich jeder irgendwelche Albtraum-Märchen ausdenken darf und diese dann auch noch herum erzählt! Unfug!“
Mit diesen Worten kroch er aus dem Bett, blieb stehen und überlegte, ob nicht doch noch ein oder zwei kurze Augenblicke schlafen könnte. Dann entschied er sich dagegen. Der Tag würde lang werden, schließlich hatte er einige Verabredungen für Heute in sein kleines Büchlein geschrieben und auch seine Arbeit durfte nicht gänzlich vernachlässigt werden.
„Also, auf, auf! Nächste Nacht sehen wir uns wieder!“ Dabei grinste er in Richtung des Bettes und gähnte die letzte Müdigkeit davon.

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Re: Eikoweis - ein ganz normaler Tag

Ungelesener Beitragvon Eikoweis » Freitag 4. November 2016, 00:31

Nachdem Eikoweis so mühsam in den Tag gekrochen war, mutete das, was nun geschah, beinahe unheimlich an. In dem jungen Hobbit schien ein Vulkan auszubrechen, der gut zu seinen roten Haaren gepasst hätte, wenn der stille Betrachter der Szene denn über das nötige Wissen von feuerspeienden Bergen verfügte. Davon war aber zumindest in seinem Volk und in diesem Teil der Welt nicht auszugehen.
Eikoweis eilte zum Kamin, brachte schleunigst einige dünne Äste zum glimmen, hüpfte mit einem kleinen Bottich zur Tür, füllte diesen mit dem Wasser der vor dem Smial stehenden Tonne, sprang wieder herein, lief mit einem Teller zur Speisekammer, füllte ihn mit einem Berg süßer Leckereien, stellte ihn im Vorbeigehen auf den Tisch im Esszimmer, begab sich wieder zum Kamin, legte zwei Scheite auf die mittlerweile gewachsene Flamme, tobte wieder zum Bett, das er in Windeseile in einen ansehnlichen Zustand versetzte, nachdem er die Decke und die Kissen ausgeschüttelt hatte und kam nach einem erneuten Sprung zum Kamin endlich zum ersten Mal wieder zum Stehen.

Die Maus, die in einem Loch in der Ecke des Schlafraums ihr beschauliches Heim hatte, begann endlich wieder zu Atmen, nachdem sie das Treiben starr vor Schreck beobachtet hatte, als sie gerade ihren Morgenspaziergang in die Speisekammer machen wollte. Sie nutzte den Moment der Stille und verschwand quietschend in ihrem Bau. Essen konnte sie auch später, denn so wichtig fand sie das plötzlich nicht mehr.

Eikoweis hingegen war zufrieden. Er hatte die wichtigsten aber nach seiner Einschätzung auch lästigsten Angelegenheiten des Morgens erledigt. „Ich will den Tag ja nicht mit solcherlei Dingen verbringen. Dafür ist er viel zu kurz!“ dachte er bei sich und hängte den Wasserbottich an eine Kette über dem inzwischen stattlichen anzusehenden Feuer. „Und Morgen geht es noch schneller! Jawoll!“
Er setzte sich an den Tisch, betrachtete seinen Teller und die Ruhe und Gelassenheit, die ihm ansonsten zu eigen war, hatte wieder die Oberhand gewonnen. Gleichzeitig überkam ihn beim Blick auf sein Frühstück eine gewisse Nachdenklichkeit und er überlegte, ob es klug sei, sich so viel aufzutischen. Natürlich hegte er diese Zweifel nicht aus Sorge, er könne die Portion nicht schaffen oder sein Hosen würden ihm eines Tages nicht mehr passen. Etwas anderes trieb seine Gedanken an.

Solange er denken konnte, hatte seine Mutter ihn ver- und umsorgt. In den Jahren seiner Jugend, als die zwei noch alleine ein Smial in Balgfurt bewohnt hatten, war er schließlich der Einzige um den sie sich kümmern musste. Und das tat sie mit großer Freude und leidenschaftlicher Hingabe.
Seinen Vater kannte er zu der Zeit nicht, war er doch verschwunden, wie seine Mutter immer wieder sagte, ohne aber näher - auch bei Nachfragen – auf diesen Umstand einzugehen. Und dass Eikoweis nicht das einzige Kind dieser resoluten aber im Herzen liebevollen Hobbitdame sein könnte, wäre ihm in diesen, nach seinem Gefühl lange vergangenen Tagen, nie in den Sinn gekommen.
Es war auch alles noch wie gewohnt von Statten gegangen als sie beide ins Südviertel nach Lindental gezogen waren. Zwar bewohnten sie nun zwei verschiedene Smials, doch hatte sie weiterhin das leibliche Wohl Ihres Sohnes und den Bestand seiner Speisekammer im Blick. Eikoweis, der glücklich über seine neue Selbstständigkeit jeden Tag genoß, brauchte sich über solcherlei Dinge bis vor Kurzem schlicht keine ernsten Gedanken machen.
Doch die letzte Zeit hatte so viele Veränderungen in sein Leben gebracht, dass er so manches Mal nicht von irgendwelchen Drachenträumen sondern von der Vorstellung aus dem Schlaf geschreckt wurde, dass eine Horde Zwerge vor seiner Haustür wilde Feste feiern würde, während Langbeiner seine Gemüsebeete im Garten zertrampelten.
Einer dieser neuen Umstände in seinem Leben war, dass seine Mutter nach Quellenburg fortgezogen war. Daran und an die Gründe dafür mochte er in diesem Augenblick aber nicht denken. Tatsache war jedoch, dass sich nach seinem Gefühl die Speisekammer schneller leerte, als sie sich füllte. Diese neue Erfahrung hatte ihm schon einiges Kopfzerbrechen bereitet und er musste dringend eine Lösung dafür finden.

Plötzlich grinste er und die Schwermut schien verflogen. Es kam ihm wieder in den Sinn, dass Mutter ihn heute zur Mittagszeit besuchen wollte. Er war sich sicher, dass sie auch heute einen gut gefüllten Weidenkorb mit vielen vorzüglich zubereiteten Speisen dabei haben würde.
„Womit Du Dich heute kannst versorgen, das heb nicht auf für Morgen“ lachte er auf und begann sein Mahl. Für diesen Moment konzentrierte er sich allein auf den Genuss von Blaubeertörtchen, Broten mit Himbeergelee, Honigkuchen und Apfelsaft.

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