Ein Schneider und sein Drache

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Filbu
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Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:31

Vorwort

Lindental - Schalottes Smial

Es war nicht das erste mal das die beiden stritten. Nein, in letzter Zeit war es wohl zur Gewonheit geworden. Kaum ging es um die Hochzeit krachte es zwischen den beiden, dass der Putz von der Wand bröckelte.

"Filbu das sind zu viele. Wie sollen wir das denn bezahlen? Machst du dir darüber auch Gedanken?"

Schalotte stemmte ihre Hände in die Hüften und blickte ihn scharf an. Er war sich sicher das es kaum jemanden gab der das besser konnte.
Aber sie konnte ihn damit nicht mehr einschüchtern.

"Mach dir über das Geld keine Gedanken. Das wird schon irgendwie gehen. Die Zwerge müssen eingeladen werden. Da führt kein Weg dran vorbei.
Auch einige Lange werden auf der Gästeliste stehen. Die Stammtischler sowieso. Und ebenso jeder Bekannte hier aus dem Südviertel."

Schalotte gab ein Schnaufen von sich und schüttelte ungläubig ihren Kopf.

"Und wenn du gleich schon dabei bist schreib doch noch ein paar Bilwisse auf die Gästeliste."

Sie ging immer noch kopfschüttelnd nach nebenan. Dann fing sie an die fein säuberlich geordneten Bücherregale neu zu sortieren.
Filbu trat in den Türsturz und beobachtete sie verständnislos. Er hatte dieses Thema langsam satt. Immer wieder sorgte es für Streit und innerlich wünschte er sich er würde ihrem Willen nachgeben können.

"Bilwisse brauchen wir nicht. Ich hab dir doch schon erlaubt die Sackheim-Beutlins einzuladen. Das ist so ziemlich das gleiche."

Er sah sie etwas herausfordernd an. Mehr als er eigentlich selber wollte. Aber er konnte sich den Kommentar nicht verkneifen. Wenn die anderen Gäste mitbekommen würden dass die Sackheim-Beutlins eingeladen waren, würde sich die Gästeliste ohnehin mindestens halbieren.

"Filbu Buchsbaum. Du bist ein unverschämter Kerl. Die Sackheim-Beutlins sind angesehene Leute. Im Gegenzug habe ich doch bereits zugesagt dass deine ganzen Flittchen aus dem Stammtisch kommen dürfen."

Filbu lief hochrot an und man musste fürchten das ihm gleich heißer Dampf aus den Ohren entweichen würde. Mehrmals setzte er an etwas zu erwiedern und brach immer wieder ab. Jetzt reichte es. Er würde das Thema jetzt ein für alle mal beenden.

"Es gibt im Stammtisch keine Flittchen. Du weißt ja gar nicht was du da redest. Aber weißt du was? Es reicht mir jetzt. Es wird gar keine Gäste geben. Niemanden. Einige mündliche Einladungen habe ich bereits ausgesprochen. Aber die werde ich alle zurücknehmen. Alle. Recht so?"

Sie hörte unvermittelt auf die Bücher zu sortieren und blickte ihn etwas verängstigt an. Ein paar Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.

"Filbu....."

Er machte eine schneidende Handbewegung.

"Nix Filbu. Du hast doch jetzt was du willst. Ich gehe jetzt schlafen. Das Thema ist beendet."

Damit wendete er sich ab und ging schnurstracks zum Bett. Schalotte blickte stumm auf das Buch in ihrer Hand. Konnte das möglich sein? Hatte er gerade die Hochzeit abgesagt? Sie tastete mit ihrer rechten Hand nach dem Stuhl. Sie musste sich setzen.
War sie zu weit gegangen? Würde er sich jetzt von ihr trennen? Er hatte sich klar ausgedrückt. Alle werden ausgeladen. Ohne Gäste, keine Hochzeit. Ja. Er würde sie verlassen. Da war sie sich sicher. Und jetzt legte er sich einfach so in ihr Bett als wäre nichts gewesen. Wie konnte er nur?
Sie musste weg...Jetzt...Nein....Noch nicht....Sie würde warten...wenn er schläft.

Filbu hatte sich derweil umgezogen und lag nun nachdenklich im Bett. Er war immer noch wütend. Aber auch erleichtert. Dann würde es halt keine Gäste geben. Man würde es ihm übel nehmen, aber besser als sich immer wieder mit Schalotte in die Haare zu kriegen. Er horchte auf, konnte aber kein Geräusch aus dem Nebenraum wahrnehmen.

"Schalotte? Kommst du nicht auch ins Bett?"

Sie seufzte hörbar, schloß ihre Augen um ihre Tränen zu unterdrücken und räusperte sich um nicht zu zittrig zu klingen. Wie konnte er nur so tun als wäre nichts gewesen?

"Doch doch. Ich muss hier nur ein bisschen aufräumen."

Er nickte. Vermutlich brauchte sie etwas Zeit um sich abzuregen. Morgen würde alles anders aussehen. Seine Augen schlossen sich und eine Weile später fiel er begleitet von dem Knistern des Kaminfeuers in den Schlaf.
Auf Zehenspitzen schlich sich Schalotte durch das Smial und suchte das nötigste zusammen. Dann packte sie alles in ein Bündel und stand abreisebereit in der Küche ihres Smials. Ein letzter Blick ins Schlafzimmer. Dann spürte sie Tränen über ihre Wange laufen. Mit ihrem Handrücken wischte sie sie weg, straffte dann ihr Kleid und trat dann leise aus der heimeligen Hobbithöhle hinaus in die kühle Nacht. Sie legte ihre Hände vors Gesicht. Ein Schluchzen durchdrang die Stille der Lindentaler Nacht und ließ Blundos Hund aufhorchen. Dann hörte er jemanden die Bachufertsraße entlang gehen.

Den Blick stur geradeaus machte sich Schalotte auf den Weg zum Ausgang der Siedlung. Wo sollte sie hin? Zu ihren Eltern konnte oder vielmehr, wollte sie nicht. Es gab nur eine Möglichkeit. Er würde sicher keine Luftsprünge machen, aber sie war sich sicher dass er ihr zur Seite stehen würde. Dann verschwand sie in der Dunkelheit der Nacht.


Am nächsten Morgen

Er wälste sich hin und her. Mühevoll öffnete sich eins seiner Augen, dann langsam auch das andere. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich plötzlich in ihm breit. Er war sich sicher das irgendwas nicht stimmte. Er tastete mit seiner Hand neben sich. Erst vorsichtig. Dann hektisch. Er legte den Kopf zur Seite. Da war niemand.

"Schalotte....?"
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Filbu
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:42

Einige Wochen später

Lindental


Dunkle Herbstnacht. Regen prasselte laut gegen die Fensterscheiben. Still und kühl war es in dem Smial im Myrtenhof. Auf dem Küchentisch war noch das Frühstück angerichtet. Einige Fliegen machten sich über ein angebissenes Marmelandenbrot her. Draussen trommelten Regentropfen unrythmisch in großen Pfützen und ließen kaum ein anderes Geräusch die Nacht durchdringen. Doch da war etwas. Ein Schlurfen. Immer lauter werdend näherte es sich dem Smial im Myrtenhof 5. Ein freudiges Bellen begrüßte den grün gekleideten Hobbit, der sich mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze den Weg durch den Regen bahnte und erst vor dem bellenden Hund halt machte.

" Hallo meine Süße. Da bin ich wieder." sagte er leise und kniete zu Erdbeere hinunter die ihm prompt durchs Gesicht schleckte und ihn dann erwartungsvoll ansah.
" Nein. Ich hab sie wieder nicht gefunden. Vielleicht solltest du sie besser mal suchen. Du kannst das bestimmt viel besser als ich"

Ein Lächeln quälte sich ihm ins Gesicht und Erdbeere quittierte es ihm mit einem erneuten schlecken über seine Nase. Dann stemmte er sich aus der nassen Wiese hoch und machte Erdbeeres Leine los.

" Komm. Du darfst heute mit rein. Ich mag heute nicht alleine sein."

Freudig hüpfte Erdbeere um den Hobbit herum und wetzte direkt zur Haustür und verharrte in abwartender Haltung. Er schmunzelte und folgte ihr zur Haustür.
Die Stille im Smial wurde vom knackenden Schloß und der knarzenden Tür durchbrochen und das sechsbeinige Gespann trat hinein. Erdbeere machte es sich direkt vor dem Kamin bequem, auch wenn dieser noch keine Wärme ausströmte, wusste sie dass sich das gleich ändern würde.
Filbu schlug die Kapuze nach hinten und legte den tropfnassen Umhang über das Geweih welches er als Garderobe nutzte. Dann zündete er eine Öllampe an und der Feuerschein durchströmte den Raum. Seine Hand wanderte in seine Westentasche und brachte ein zerknittertes, durchweichtes Bild hervor. Er legte es auf einer Kommode ab ohne es nochmal zu betrachten. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm und er drehte sich doch noch einmal um und starrte auf das Bild.

" Wo bist du? Sags mir." sagte er und es schien für einen Moment als würde er wirklich auf eine Antwort warten.

Er schlug seine Hände vors Gesicht und atmetete einige mal tief durch um sich anschließend durchs nasse Haar zu fahren. Einige widerspenstige Haarsträhnen fielen ihm wieder vor die Augen und er versuchte sie vergeblich wegzupusten. Dann kam ihm ein Gedanke. Post. Vielleicht hatte sie geschrieben. Er rannte beinahe los, blieb am Tischbein in der Küche hängen und ging polternd zu Boden. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor bis er sich aufraffte und von Erdbeere mit skeptischem Blick verfolgt zur Tür hinaus trat und den Briefkasten öffnete.
Da war Post. Sollte er wirklich von ihr sein? Nein. Aber dennoch eine erfreuliche Nachricht. Herr Umsturz hatte seinen Worten Taten folgen lassen und seinen Bruder mit Schalottes verschwinden, vertraut gemacht. Der Grenzer bat darum sich das Smial der Verschwundenen Person ansehen zu dürfen um mögliche Beweise oder Spuren zu sichern. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Jedoch auch nicht mehr.

Er legte den Brief neben Schalottes Bild. Heute Nacht würde er noch ein Schreiben aufsetzen. Je eher, desto besser. Am besten der Herr Umsturz würde sich gleich morgen umsehen. Ja. Morgen war ein guter Tag. Vormittags würde er sich nochmal in Michelbinge umhören und gegen Abend könnte Herr Umsturz dann seinen Dienst verrichten. Und arbeiten würde er...ja...wann würde er wieder arbeiten? Seit zwei Wochen hatte er die Nähstube nicht einmal aufgesucht. Keine Kunden mehr angenommen. Selbst dem Herrn dem er in Bree versprochen hatte ihm Kleidung im Efeubusch zu hinterlegen, ja selbst dem war er nicht nachgekommen. Er hatte sogar schon das Geld dafür bekommen. Er würde sich bald darum kümmern. Wenn er sie erst gefunden hatte, würde alles wieder in geordneten Bahnen laufen.

" Ich muss etwas essen. Sonst bin ich bald zu schwach zum suchen" murmelte er und öffnete die Tür zur Speisekammer.

Gähnende Leere war alles was dort zu finden war.

" Na gut. Dann ess ich morgen bei Großmutter." Er schüttelte den Kopf. Nein, das war keine gute Idee. Sie würde wieder Fragen stellen. Fragen auf die er keine Antwort hatte. Warum ist sie fort Filbu? Hat sie denn nicht irgendwas gesagt? Besucht sie vielleicht nur Verwandte? Hast du sie vielleicht verärgert?

Die letzte Frage die ihm durch den Kopf drang blieb kurz hängen. Er schüttelte sie ab. Nein. Morgen würde er auf dem Markt in Michelbinge neue Lebensmittel kaufen um sich selbst was zu kochen. Mit diesem Gedanken trat er an die Kommode und öffntete die oberste Schublade. Eine Blechdose lag offen darin. Ein paar Kupfermünzen teilten sich den Platz in der Dose mit zwei Silbermünzen. Die Schublade flog krachend zu und er rauffte sich die Haare.

" Ich bin Pleite. Ich bin Pleite. Ich bin Pleite" wiederholte er mehrmals und in seinem Kopf hörte er seine eigenen Worte immer wieder.

Rücklagen hatte er keine. Er könnte das große Smial nebenan verkaufen welches er für seine angehende Familie erstanden hatte. Oder seinen Laden in Lindholz. So viele Smials mussten auch unterhalten werden. Oder er würde...
Sein Blick wanderte durch den liebevoll eingerichteten Wohn und Schlafraum in seinem Smial. Die Goldwerts würden sicher einen guten Preis zahlen. Das hatten sie ja schon mehrmals angedeutet. Warum sollte er auch nicht verkaufen? Er war ohnehin kaum zuhause.
Von dem knarrzenden Türgriff wurde er aus den Gedanken gerissen und er konnte sehen wie sich der Griff langsam absenkte und die Tür aufgedrückt wurde. Ein Hobbit. Lange Haare waren schemenhaft zu erkennen. Dann trat die Gestalt hinein und sagte "Hallo Filbu"

"Du?" war alles was er erwiederte.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:44

Zur gleichen Zeit etwas weiter im Osten

Schalottes Finger verkrampften sich und ihre Zungenspitze suchte ihren Weg aus dem linken Mundwinkel, nur ganz zaghaft. Sie kniff die Augen zusammen und hob hin und wieder den rechten Ellenbogen. Als das erste Geräusch erklang, hielt sich ihr Gegenüber mit verzerrtem Gesicht die Ohren zu.

"Hör auf, so wird das nichts!"

Schalotte entspannte nur kurz ihr Gesicht.

"Ich schaffe das. Ich habe bisher alles in meinem Leben geschafft, warum nicht auch das?"

Dass ihre Worte nur einen Seufzer und ein Kopfschütteln ernteten, bekam sie nicht mehr mit, da sie sich umgehend wieder in die unbequem anmutende Pose begab. Der resignierende Hobbit stand auf und ging zum Ofen.

"Ich koche uns mal einen Tee."

Schalotte achtete unterdessen sehr penibel darauf, genau da ihre Finger zu haben, wo man es ihr angeraten hatte. Manchmal verschob sie ganz langsam den linken kleinen Finger, über den sie am wenigsten Kontrolle zu haben schien, um wenige Millimeter. Dabei verrutschte aber oft die restliche Hand, so dass sie von vorne anfangen musste und sich murmelnd immer wieder fragte, wer denn so ein furchtbar kompliziertes Ding erschaffen könne. Unverantwortlich fand sie das und unverständlich war ihr, dass ausgerechnet dieses Ding so unglaublich beliebt war.

"Warum bleibst Du nicht bei dem, was Du kannst, hm?"

Schalotte verdrehte innerlich die Augen und sah den Hobbit dann an.

"Und warum bleibst Du nicht mal bei einer Frau? Seit ich hier wohne, habe ich mehr Frauen kennengelernt als es im ganzen Südviertel zu geben scheint."

Der Hobbit lachte und schüttelte den Kopf.

"Ich glaube nicht, dass man das miteinander vergleichen kann. Aber ich weiß wohl, worauf Du hinaus willst."

Er lächelte sie an.

"Also. Du hältst da kein Rechnungsbuch in der Hand, sondern etwas lebendiges, etwas, das Deinen Geist auf eine wundervolle Reise entführt. Wenn Du die Saiten anschlägst, musst Du getragen werden. Du darfst nicht mehr darüber nachdenken, wo genau Deine Finger am Hals oder am Korpus sitzen müssen. Sie müssen sich instinktiv bewegen."

Schalotte schaute den Hobbit unverständlich an. Dann legte sie ihre Finger erneut an den Hals der Laute und versuchte dem Verlangen nach perfekter Haltung zu widerstehen. Es misslang und sie brauchte mehr als zehn Minuten, um den Griff anzulegen.

"Schalotte, wenn Du für jeden Akkord so lange brauchst, wird sich das Lied über Jahre hinziehen."

"Daran ist nichts auszusetzen, wenn es dann wenigstens richtig und gründlich gespielt wird." zischte Schalotte zurück und legte dann seufzend die Laute neben sich auf die Bank. Der Hobbit reichte ihr eine Tasse mit inzwischen kaltem Tee.

"Wir machen morgen weiter. Wie wäre es, wenn wir jetzt mal über Filbu reden? Du bist nun schon gute zwei Wochen hier und wir haben kaum über ihn gesprochen."

Schalotte schluckte und biss ihre Zähne aufeinander.

"Was gibt es da schon zu bereden? Er hält es für besser, wenn wir getrennte Wege gehen. Und ich bin sicher, das liegt nur an dieser... dieser..."

Der Hobbit hob beschwichtigend die Hände.

"Nicht wieder ausfallend werden, bitte. Ich habe schon von Deinen letzten Erzählungen ein ziemlich genaues Bild von dieser Frau. Und wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass das seine einzige Übertretung ist."

Schalotte schaute den Hobbit mit weit aufgerissenen Augen an.

"Wie bitte?"

"Lotti, Du musst jetzt stark sein."

"Ich bin immer stark! Mein ganzes Leben lang schon! Ich wünschte, es wäre mal anders!"

Er schreckte etwas zurück, lehnte sich dann aber wieder vor und nahm Schalottes Hand.

"Lotti, ich habe ihn neulich im Goldenen Barsch gesehen. Mit einer anderen Frau und er bezahlte alles für sie. Das Zimmer, das Essen, die Getränke."

Schalotte krallte sich in seine Hand. Ihr Augen röteten sich ein wenig, aber sie blieb standhaft.

"Wie konnte ich das in all der Zeit nicht bemerken? Er erschien mir so anständig und geradlinig. Und nun... nun stürzt alles in sich zusammen."
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:46

Zurück in Lindental

"Hast du jemand anderen erwartet?"

Der Hobbit ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und marschierte ohne sich die Füße abzutreten durch die Küche zum Kamin und legte ein paar Hölzer zusammen um ein Feuer zu entfachen. Filbu beobachtete ihn dabei kopfschüttelnd.

"Fühl dich wie zuhause." sagte er mit ironischem Unterton "Was willst du eigentlich hier? Dir ist schon bewusst dass es mitten in der Nacht ist."

"Um so merkwürdiger dass du dich noch herumtreibst, Filbu. Ich hab dich am Eingang zur Siedlung gesehen und bin dir gefolgt. Nebenbei erwähnt, du siehst fürchterlich aus. Du solltest mal was essen."

Der langhaarige Hobbit entzündete das Feuer, setzte sich dann zu der Hündin und strich ihr sanft durch das kurzhaarige Fell.

"Was ich wann und wo mache geht dich nichts an. Kümmer dich um deine Angelegenheiten" raunzte Filbu und ging zur Haustür. "Und jetzt möchte ich gerne allein sein."

"Sag mal wo steckt eigentlich deine Verlobte? Die hab ich ja schon ewig nicht gesehen. Hat sie etwa kalte Füße bekommen?" sagte der langhaarige kichernd und blickte sich dann in dem Smial um. Es wirkte alles etwas leblos und die Ordnung und Sauberkeit die man von Filbu gewohnt war, schien nicht wirklich vorhanden zu sein.
"Filbu. Ist alles in Ordnung bei dir?"

Die Worte klangen ehrlich und aufrichtig. Filbu blickte kurz zu dem Bild auf der Kommode.

"Alles bestens. Seid wann interessiert es dich wie es mir geht?"

Für einen Moment herrschte Stille zwischen den beiden und das prasseln der Regentropfen an der Fensterscheibe bestimmte den Ton. Dann setzte sich Filbu an den Tisch und legte seinen Kopf darauf.

"Nichts ist in Ordnung. Rein gar nichts. Schalotte ist seit Wochen verschwunden. Mein Geschäft läuft nicht und ich komme wegen der ganzen Sucherei nicht zum arbeiten. Ich muss ein Smial verkaufen. Nein. Nichts ist in Ordnung."

Der andere lachte nur.

"Du musst ein Smial verkaufen? Warte mal. Dann hast du ja nur noch drei?"

"Zwei" sagte Filbu entschlossen

"Oh. Verstehe. Das ist natürlich eine tragische Lage. Was sollen denn die Leute denken?"

Er tippte mehrmals mit dem Zeigefinger an seine Schläfe um Filbu deutlich zu machen was er von dieser Sichtweise hielt.

"Sorge dich um deine Verlobte. Aber hör auf zu heulen wenn du dir nicht mehr aussuchen kannst in welchem Smial du wohnst. Sag mal.Gibt es einen Finderlohn für Schalotte? Also nicht das ich eine Idee hätte, aber vielleicht stolpere ich ja zufällig über sie. Dann wäre doch eine Belohnung angebracht. Findest du nicht auch?"

Filbu hob den Kopf und blickte den anderen misstrauisch an.

"Wenn du etwas über ihren Verbleib weißt und es mir verheimlichst, werde ich dich den Grenzern melden. Sag schon. Weißt du etwas?"

Der langhaarige hob nur die Hände und setzte sich auf.

"Wenn ich was wüsste würd ich´s dir sagen. Ehrlich. Natürlich nur nach entsprechender Bezahlung."

Wieder drang ein leises Kichern durch das Smial und erfüllte Filbu mit Wut und Hilflosigkeit. Dann deutete er auf die Tür.

"Geh jetzt. Oder ich hole einen Grenzer."

"Nur die Ruhe, Filbu. Ich geh ja schon. Ach und was dein Smial angeht. Ich kann gern mit den Goldwerts reden. Ich könnte dir einen guten Preis aushandeln."

Filbu nickte kurz.

"Wenn du mich dann jetzt endlich in Ruhe lässt kannst du das machen. Aber sag ihnen das ich nicht unter 5 Goldstücken verkaufe. Nein. Sag besser gar nichts. Warte ab was sie für ein Angebot machen."

"Sehr wohl mein Bester. Ich mach das schon."

Dann trat er zur Tür hinaus und verschwand in der dunkeln Nacht.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:48

Drei Tage später

Filbu starrte auf den Vertrag. Er wollte es jetzt schnell hinter sich bringen ohne groß zu überlegen was er da gerade machte. Aber da fehlte noch etwas. Die Verkaufssumme stand nicht auf dem Vertrag. Fragend blickte er auf zu Mikho.

"Da steht keine Verkaufssumme. Du wolltest einen guten Preis aushandeln hast du gesagt."

Mikho seufzte gespielt theatralisch und zog den Vertrag über den Tisch zu sich heran.

"Herr Goldwert hat die Summe absichtlich ausgelassen. Er war der Meinung ich sollte nochmal mit dir über den Preis reden. Stell dir vor, er wollte nur 2 Goldstücke für dein Smial bezahlen. Hab ihm aber gesagt, dass er sich so ein Angebot an den Hut stecken kann. Aber ich fürchte die von dir geforderten 5 Goldstücke wirst du nicht kriegen. Du wirst ihm entgegen kommen müssen."

Filbu stand auf und ging wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Küche. Mehrmals setzte er an um etwas zu sagen, beließ es aber jedes mal bei einem kurzen Seufzer. Am Kamin blieb er stehen und legte seine Hand an den verrauchten Kaminsims. Die roten Socken die er von Oxalia zum letzten Julfest bekommen hatte hingen daran. Er hatte sie immer mal fragen wollen wie sie auf den Gedanken gekommen war ihm Socken zu schenken. Immerhin taugten sie einigermaßen als Teesieb.

"Denkst du er würde sich auf 4 Goldstücke einlassen? Immerhin ist das hier beste Wohnlage. Alles was man braucht liegt vor der Tür. Und zum brauenden Fuchs ist es auch nicht weit. Also sag mir nicht das mein Angebot ein schlechtes ist."

Mikho hob unschuldig die Hände

"Vetter. Wenns nach mir ging würdest du 10 Goldstücke dafür bekommen. Aber das liegt nunmal nicht in meiner Hand. Deine Möbel wären übrigens im Preis inbegriffen."

Filbu lachte lauthals los. Es war ein verzweifeltes Lachen dem ein finsterer Blick folgte. Dann nickte er.

"Vielleicht rede ich besser selber mit Herr Goldwert. Ich bin doch kein dummer Zwien der sich die Butter vom Brot klauen lässt."

Mikho runzelte die Stirn und trippelte nun nervös mit den Fingerkuppen auf dem Tisch herum.

"Das....solltest du besser nicht tun. Weil..weil..du musst doch Schalotte suchen. Nein. Du solltest keine Zeit vergeuden, Filbu. Unterschreib den Vertrag. Dann kannst du dich um die wichtigen Dinge kümmern und ich kümmer mich um die unwichtigen. Wer braucht den ein Smial wenn ihm die Liebe seines Lebens verloren gegangen ist? Das ist alles nur Holz und Stein. Nichts von wahrem Wert. Schreib 4 Goldstücke in den Vertrag. Ich werde Herrn Goldwert schon überzeugen können."

Mikho lachte innerlich über seine eigenen Worte. So ein Geschwätz dachte er sich. Aber Filbu würde darauf anspringen. Da war er sich sicher. Der verzweifelte Schneider blickte nur stumm in das knisternde Kaminfeuer. Dann drehte er sich um, ging entschlossen zum Küchentisch, tunkte die Feder in das Tintenfass und beugte sich über den Vertrag.

"Du hast recht. Das erste mal sagst du etwas vernünftiges. Womöglich hat der Benimmunterricht bei Schalotte ja doch etwas gebracht. Also dann. 4 Goldstücke? So solls sein."

Dann setzte er die Verkaufssumme in die freigelassene Stelle und unterzeichnete den Vertrag mit seiner Unterschrift.
Mikho zog unvermittelt das Schriftstück zu sich heran, rollte es ein und verstaute es in seinem Beutel.

"Ich mach mich dann auch mal auf den Weg. Wir sollten keine Zeit verlieren. Du brauchst ja sicherlich dringend das Geld. In zwei Tagen bin ich wieder da. Bis dahin solltest du deine Sachen zusammenpacken. Je eher du hier raus bist, desto weniger musst du drüber nachdenken."

Filbu nickte, trat zu Mikho heran und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

"Mikho...danke für deine Mühe. Du bist mir wirklich eine Hilfe."

Mikho schaute auf die Hand. Die Berührung war ihm unangenehm. Er kam besser damit zurecht wenn sein Vetter ihn maßregelte. Daran hatte er sich gewöhnt. Er entzog sich zögerlich der Berührung und lächelte dabei fast schon entschuldigend.

"Keine Ursache. Familie ist Familie."

Dann öffntete er die Tür und trat hinaus. Filbu drückte die Tür hinter ihm zu. Das erste mal seit einigen Tagen verspürte er den Anflug eines guten Gefühls. Mikho hatte recht. Es gab nur einen Grund Trübsahl zu blasen. Und das war Schalottes Verschwinden. Sollten die Goldwerts doch glücklich mit seinem Smial werden. Holz und Stein. Mehr nicht. Er machte sich schnell daran ein paar Sachen zusammen zu packen.
Währenddessen schlurfte Mikho aus der Siedlung hinaus. Ein merkwürdiges Gefühl hatte ihn beschlichen nachdem er Filbus Smial verlassen hatte. Gerade war er um drei Goldstücke reicher geworden und sollte sich eigentlich darüber freuen. Aber das tat er nicht. Jetzt hatte er keine Wahl mehr. Außerdem brauchte er das Geld. Filbu würde schon klar kommen.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 6. Januar 2015, 00:49

Die Suche geht weiter

Schären

Mit eingezogenem Kopf trat er durch den steinernen Bogen. Es war weniger der Bogen als seine momentane Verfassung die ihn dazu veranlasste mit gesenktem Haupt durch die Lande zu streifen. Er konnte sich nicht daran erinnern überhaupt schon einmal in Schären gewesen zu sein. Warum auch? Weder kannte er hier Leute noch gab es hier irgendetwas, dass für ihn von Interesse gewesen wäre. Gleiches galt, da war er sich sicher, auch für Schalotte. Dennoch würde er an Türen klopfen und den Leuten ihr Bild unter die Nase halten. Was blieb ihm auch sonst für eine Wahl? Mehr konnte er nicht tun um sie wiederzufinden.

Schritt für Schritt schlurfte er durch das nicht allzu groß geratene Dorf und einige fleißige Dorfbewohner blickten ihm misstrauisch hinterher. Manch einer war gerade dabei sich auf den Weg in den Steinbruch zu machen. Sie verabschiedeten sich von ihren Familien und schulterten dann die Spitzhacke.
Ein kleines Mädchen lief, mit einem Leinenbeutel in der Hand, an ihm vorbei und lächelte ihm zu. Sie hatte feuerrotes gelocktes Haar und trug ein dunkelbraunes Leinenkleid.

„ Hallo Kleines.“ sagte Filbu und erwiderte das Lächeln.

Das Mädchen blieb unvermittelt stehen, blickte dann etwas unsicher in die Richtung des Steinbruchs.

„ Meine Mama sagt ich soll nicht mit Leuten reden die ich nicht kenne. Und euch kenne ich nicht.“

Sie machte noch einen Schritt zurück und schaute wieder zum Steinbruch.

„Deine Mama hat natürlich recht. Aber bestimmt meinte sie damit lange Leute. Du weißt schon. Leute die viel viel größer sind als wir.“

Filbu streckte die Arme in die Luft und versuchte möglichst groß zu erscheinen. Sein Versuch einen Menschen darzustellen quittierte das Mädchen mit einem weiteren Schritt zurück. Ihr Blick fiel auf seine Kleidung und in ihren Augen spiegelte sich wachsendes Interesse wider.

„ Ihr seid ja ganz grün. Seid ihr immer so grün?“

Filbu schmunzelte. Dann kniete er sich hin um mit dem Kind auf Augenhöhe zu sein.

„ Ja. Ich trage wirklich fast immer grün. Grün ist doch eine schöne Farbe. Meinst du nicht? Schau mal. Deine Augen sind auch grün. Genau wie meine.“

Sie rollte mit ihren Augen als wollte sie sich davon vergewissern das ihre Augen auch wirklich grün sind. Es sah wirklich lustig aus und Filbu schmunzelte über ihren Versuch.

„ Ich mag lieber rot. Rot ist viel schöner als grün.“

Filbu schluckte. Rot war nicht seine Farbe.Schon gar nicht bei Kleidung. Er versuchte seine Enttäuschung zu verbergen und zwang sich zu einem gespielten Lachen.

„ Rot sagst du? Ja das ist auch eine sch….eine sch….eine schöne Farbe. Ich kenne noch jemanden der rot gerne mag. Er trägt immer einen roten Hut. Sein Hut ist so groß dass man sich im Regen dazustellen könnte und man würde nicht nass werden.“

Auch wenn es leicht übertrieben war, er hielt Karabards Hut für viel zu groß geraten. Und dann noch in dieser unsäglichen Farbe.
Das kleine Mädchen kicherte. Offenbar gefiel ihr der Gedanke, zwei Hobbits unter einen Hut zu kriegen.

„ Das ist lustig. Ich will auch so einen Hut haben. Wie heißt du?“

Es entging ihm nicht das sie ihn duzte. Für gewöhnlich zog er es vor Herr Filbu oder Herr Buchsbaum genannt zu werden, doch er war sich unsicher darüber ob er das von einem Kind einfordern sollte. Bisher hatte er sich von Kindern meist ferngehalten. Sie waren laut, quirlig, unvernünftig und die meisten von ihnen gehorchten nicht aufs Wort. Nicht gerade die Eigenschaften die er wertschätzte.

„ Ich heiße Filbu. Und ich komme aus Lindental. Das liegt im schönen Südviertel. Und ich bin 35 Jahre alt. So jetzt weißt du wer ich bin. Und wie ist dein Name?“

Sie kicherte und schien sich gar nicht mehr einzukriegen. Das war wieder so ein Verhalten das er nicht verstand. Er hatte doch nichts lustiges gesagt.

„ Filbu ist wirklich ein lustiger Name. Wenn mein Papa mir auf dem Markt wieder einen Hasen kauft nenne ich ihn Filbu.“

Er stutzte. Ein Hase sollte seinen Namen tragen? Er schüttelte den Kopf und versuchte etwas ernster zu wirken.

„ Das ist aber kein Name für einen Hasen. Wie wäre es…also wie wäre es mit Bango. Das ist doch ein schöner Hasenname. Oder Fredo. Oder aber Beuno. So kann man Hasen auch nennen. Aber Filbu… das passt nicht denke ich.“

Sie verschränkte die Arme und schob ihre Unterlippe leicht nach vorne.

„ Ich will aber dass er Filbu heißt. Nicht Bango nicht Beuno und auch nicht Fredo. Nur Filbu.“

Er seufzte resignierend und nickte. Auf eine Diskussion über Hasennamen hatte er nun wirklich keine Lust. Außerdem war er überzeugt davon, dass eine Diskussion ohnehin nicht zu seinen Gunsten ausgehen würde.

„ Na gut. Dann nenn den Hasen halt Filbu. Es könnte ihn schlimmer treffen. Sag mal Kleines. Wie heißt du denn jetzt eigentlich?“

Ihr Schmollmund löste sich langsam und sie blickte wieder kurz zum Steinbruch, dann zu Filbu.

„ Ich heiße Mila und bin schon soooo alt.“

Dabei hielt sie eine Hand hoch und streckte alle Finger aus. Scheinbar war sie fünf Jahre alt. Er hätte sie älter geschätzt. Aber wann hatte er überhaupt schon mal das Alter eines Kindes eingeschätzt? Es gab wirklich spannenderes.

„ Mila. Das ist aber ein hübscher Name. Sag mal Mila. Darf ich dich mal was fragen?“

Ohne auf eine Antwort zu warten holte er ein Bild aus seiner Westentasche hervor. Sie nickte stumm und blickte interessiert zu dem Bild in seiner Hand.

„ Schau mal. Ich vermisse jemanden. Eine Dame. Vielleicht hast du sie mal gesehen. Sieh dir das Bild genau an.“

Er reichte ihr das Bild und sie nahm es vorsichtig an sich. Nach einem kurzen Blick darauf schüttelte sie den Kopf und hielt es ihm wieder hin.

„ Ne. Die kenn ich nicht. Die guckt aber böse. Guckt die immer so? Wer ist das denn?“

Er betrachtete das Bild und musste feststellen dass die Kleine Recht hatte. Schalotte hatte wirklich einen ernsten Gesichtsausdruck auf dem Bild.

„ Das ist meine Verlobte. Schon seit über einem Monat ist sie verschwunden. Und jetzt suche ich sie überall. Deswegen bin ich hier in Schären. Und du hast Recht. Sie guckt wirklich etwas böse auf dem Bild. Aber so ist sie nicht.“

Dann steckte er das Bild wieder weg und Enttäuschung machte sich in seinen Gesichtszügen breit.

„ Warum ist sie den weggelaufen? Hast du sie geärgert?“

Hatte er das? Er war sich nicht darüber bewusst dass es so war, aber ein Gefühl sagte ihm dass die Kleine nicht ganz Unrecht hatte. Sie hatten gestritten an dem Abend bevor sie verschwand. Er hatte dem keinen Wert beigemessen. Dafür schien ihm der Streit zu belanglos. Wegen Uneinigkeit über die Anzahl der einzuladenden Hochzeitsgäste wird man wohl kaum ohne ein Wort darüber zu verlieren, seine Sachen packen und in der Versenkung verschwinden. Nein. Das schien ihm zu abwegig.

„ Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht hab ich sie geärgert. Wenn ich sie finde werde ich sie wohl fragen.“

Sein Blick wurde leer und vor seinem inneren Auge formte sich das Bild einer Landstreicherin die ihn mit dreckverschmierten Gesicht anstarrte. Tränen liefen über ihre Wangen. In der Hand hielt sie ein dreckiges Kleid. Er kannte das Kleid. Er selbst hatte es gemacht. Dann fingen ihre Lippen an sich zu bewegen und Worte drangen an sein Ohr.

„Ich weiß wie du sie finden kannst. Filbu? Hörst du mir zu?“

Mila stupste ihn an und holten ihn damit aus seinen Gedanken zurück. Verwirrt starrte er sie an und erhob sich von seinen Knien.

„ Was sagst du da? Sie finden?“

Mila nickte. Sie schien ernsthaft darüber nachgedacht zu haben wie sie ihm helfen könnte.

„ Na ist doch einfach. Du gehst auf einen groooßen Berg und rufst ganz laut ihren Namen. Dann wird sie dich bestimmt hören.“

Filbu schmunzelte gequält. Für einen Moment hatte er wirklich erwartet das kleine Mädchen hätte ein Idee.

„ Das werde ich ausprobieren. Bestimmt wird sie es hören. Ich danke dir für deinen Ratschlag. Jetzt muss ich mich aber verabschieden. Ich werde das Bild mal rumzeigen. Vielleicht hat sie ja jemand anderes gesehen.“

"Mach das. Ich muss jetzt meinem Papa sein Frühstück bringen. Er hat es zuhause vergessen."

Im nächsten Moment war sie auch schon in Richtung Steinbruch verschwunden. Er blickte ihr eine Zeit lang hinterher. Der Steinbruch war wirklich riesig. Man hätte Schären gleich mehrmals darin aufstapeln können. Dann sah er hinauf zu dem Schärener Berg. Von da oben hatte man bestimmt eine gute Aussicht. Er dachte daran was das Mädchen gesagt hatte. "Geh auf einen Berg und ruf ganz laut ihren Namen." Das war natürlich Unsinn. Man würde sein Rufen keine 200 Fuß weit hören. Die Zeit konnte er sich wirklich sparen. Eine Weile stand er nur da und starrte den Berg an.

Drei Stunden später erreichte ein grün gekleideter Hobbit den Gipfel des Schärener Bergs.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Mittwoch 7. Januar 2015, 17:22

Er saß auf der kleinen Stufe vor der Tür des Familiensmials der Buchsbaums und hatte sich gerade eine Pfeife entzündet als er von Fern her Schritte hörte. Es war eindeutig dass sie lauter wurden und somit auf ihn zukamen. Er reckte seinen Hals etwas um in den Myrtenhof hineinzublicken. Seine Stirn runzelte sich zu einigen Falten und er versuchte mit angestrengtem Blick die Person auszumachen, die da offensichtlich schnurstracks auf ihn zukam.

"Aber das ist doch....." entfuhr es ihm und er verschluckte sich an dem Qualm in seinem Mund und bekam einen Hustanfall.

"Filbu Buchsbaum. Ich hab dir doch gesagt du sollst nicht rauchen." hörte er die Person sagen während sie gerade den Garten betrat und ihn dabei streng ansah.

Kein Zweifel. Sie war es. Schalotte kam schnellen Schrittes auf ihn zu und betrachtete Filbu erwartungsvoll. Er jedoch saß fassungslos auf dem Treppchen und traute seinen Augen nicht.

"Willst du deine Verlobte nicht in die Arme schließen nach der langen Zeit?"

Wie fremd gesteuert raffte er sich mit offen stehendem Mund auf und umarmte Schalotte fast mechanisch.

"Aber....aber...wo kommst du auf einmal her? Du warst verschwunden...unauffindbar....hab überall gesucht...nichts.....überall nichts und jetzt stehst du hier als wäre nichts gewesen."

Langsam drückte er sie von sich weg und sah sie mit vorwurfsvoller Miene an.

"Ich war auf Verwandtenbesuch in Stadel. Das sagst du doch auch immer. Stimmt´s? Jetzt mach dich mal lieber nützlich und mach mir die Tür auf. Ich hab Hunger bis unter die Arme."

Ein leichtes schmunzeln huschte über ihre Lippen und sie stubste Filbu an, der scheinbar immer noch nicht begreifen konnte. Zögerlich drehte er sich um und trat zur Tür. Er legte seine Hand auf den Türgriff und zog die schwere Eichentür zu sich. Dann blickte er über seine Schulter und der Schreck durchfuhr ihn wie ein Blitz. Sie war weg. Da war niemand. Unvermittelt bildete sich ein Kloß in seinem Hals und Tränen liefen ihm über die Wangen. Dann rüttelte etwas an ihm und er hörte eine Stimme.

"He. Du da. Wach auf. Aufwachen Junge. Du holst dir einen Sonnenbrand hier in der Mittagssonne. Sei nicht dumm."

Er schlug die Augen auf und das gleißende Licht blendete ihn. Dann legte sich ein Schatten vor die Sonne und er blickte einem älteren Mann in die Augen.

"Sag mal Junge. Weinst du etwa? Du hast ja Tränen in den Augen. Wer hat denn so was noch gehört? Im Schlaf weinen."

Er packte Filbu am Arm und kicherte fröhlich vor sich hin während er ihm hoch half. Nur einen kurzen Moment hatte er sich hinlegen wollen. Es war nicht seine Absicht gewesen zu schlafen. Doch er war erschöpft und ausgelaugt. Vermutlich könnte er zwei Tage am Stück schlafen wenn er wollte.

"Entschuldigt vielmals. Das muss an der Sonne liegen. Das Licht treibt einem ja die Tränen in die Augen. Ich nehme an es ist um die Mittagszeit?"

Er blickte den Alten fragend an. Es musste Mittagszeit sein so wie die Sonne stand. Die Frage war überflüssig aber er würde sicher nicht mit einem wildfremden Herrn über seine Träume reden.

"Jaja. Sicher ist es das. Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Das Essen ist bestimmt schon fertig. Hast du Hunger? Meine Frau macht die besten Mehlklöße im ganzen Ostviertel. Zumindest denkt sie das. Ich lasse sie in dem glauben. Aber unter uns....ich hab neulich bei der Nachbarin welche gegessen....du verrätst mich doch nicht oder?"

Filbu seufzte innerlich. Er hatte nun wirklich keine Lust über die Essgewohnheiten der Waldhoffener Leute zu reden. Er schüttelte kurz den Kopf.

"Also was ich sagen wollte. Die Klöße von der Nachbarin sind besser. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Aber das bleibt unter uns. Verstanden?"

Er lachte lauthals los und stubste Filbu freundschaftlich gegen die Brust.

"Ja. Bleibt unter uns. Aber ich habe sowieso keinen Hunger. Weder auf die Klöße eurer Frau, noch auf die eurer Nachbarin. Ich will nur kurz nach Waldhof und dann weiter."

Der Alte blickte ihn fragend an und nickte dann aber verstehend.

"Na dann halte ich dich nicht länger auf Junge. Machs gut und pass auf das du dich nicht wieder in die Sonne legst. So wie du aussiehst bleibst du eh nicht lange auf den Beinen."

Er klopfte Filbu noch mal auf die Schulter und ging dann den Weg nach Waldhof hinein.
Filbu folgte ihm mit großem Abstand hinunter in die Talsenke in der Waldhof lag. Er war hier erst einmal gewesen. Das war nun schon eine Weile her. Auf dem Konzert der Mornies hatte er jedoch weniger die Augen für das eigentlich recht schöne Waldhof gehabt. So schien es ihm als würde er es zum ersten mal betreten. Niemand war zu sehen. Wen wundert´s? Mittagszeit war Essenszeit. Suchend blickte er sich um und sein Blick fand einen rothaarigen Hobbit der mit einer Hobbitdame vor einem Smial auf einer Bank saß. Es war recht offensichtlich das der Herr gerade damit beschäftigt war der Dame den Hof zu machen. Bei jedem zweiten Satz des Mannes liefen ihre Wangen rot an und sie blickte verschämt zur Seite.
Filbu rollte mit den Augen. So eine Liebelei hatte ihm gerade noch gefehlt. Er war gerade dabei kehrt zu machen als der Hobbit ihn erblickte und ihm zurief.

"Na wenn das nicht der Herr Buchsbaum ist. Was machen sie denn hier?"

Offensichtlich hatte ihn der Herr erkannt. Sogar seinen Namen kannte er. Mit geweckter Neugierde trat Filbu ein paar Schritte heran und nun erkannt er den Herrn ebenfalls. Was ihn jedoch nur wenig erfreute.

"Sie sind der Herr aus dem Goldenen Barsch. Stimmts?"

Der rothaarige nickte, blickte dann kurz zu seiner Smialtür und wieder zu Filbu zurück.

"So ist es. Der bin ich wohl. Und was wollen sie nun hier? Wohnen sie nicht im Südviertel?"
Filbu blickte ebenfalls kurz zu der Smialtür, aus der das klappern von Töpfen hervordrang.

"Doch. Da haben sie recht. Ich wohne im Südviertel. Ich bin nur hier um jemanden zu suchen. Ich klopfe an ein paar Türen und dann bin ich auch wieder weg."

Er blickte immer noch zu der Tür. Das klappern hatte aufgehört.

"Und wen suchen sie wenn ich fragen darf?"

Die Dame die eben noch in sämtlichen Rottönen leuchtete, blickte von einem zum anderen und schien etwas genervt von dem Neuankömmling zu sein.

"Ich suche meine Verlobte. Sie wird nun bald seit drei Monaten vermisst und es fehlt jede Spur von ihr. Waldhof ist das einzige Dorf im Auenland wo ich noch nicht gewesen bin. Wenn sie nicht hier ist weiß ich auch nicht mehr."

Der rothaarige blickte ihn mit ernster Miene an. Dann machte sich jedoch langsam ein Lächeln breit.

" Sie meinen diese Dame mit der sie sich im Goldenen Barsch vergnügt haben? Wie war doch gleich ihr Name?"

Filbu stutzte. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Das Fräulein hatte sich selber zu der Reise nach Bree eingeladen und ihn sogar dazu genötigt sowohl Speisen als auch Übernachtungskosten zu tragen.

"Ihr meint dieses Fräulein Pilea? Seid ihr denn wahnsinnig? Diese Dame hat mir auf der Reise nach Bree den letzten Nerv geraubt? Ununterbrochen hat sie geredet und mich sogar dazu genötigt ihr die Übernachtung im goldenen Barsch zu bezahlen. Wenn das meine Verlobte wäre, müsste ich um ihr verschwinden froh sein."

Filbu zückte das Bild von Schalotte aus seiner Westentasche und hielt es ihm hin. Der rothaarige nahm es zögernd an sich und blickte eine Weile darauf. Filbu konnte keine Regung in seinem Blick erkennen.

" Das heißt ihr habt mit diesem Fräulein aus dem Barsch keine...Vergnügungsreise gemacht?"

Er hielt Filbu das Bild wieder hin ohne wirklich darauf einzugehen. Die Dame die offenbar bei dem Herrn zu Besuch war erhaschte einen Blick auf das Bild und blickte dann erstaunt zu dem rothaarigen.

" Aber ist das nicht...." sagte sie leise und wurde barsch unterbrochen.

" Herr Buchsbaum, es war doch offensichtlich das sie an der Dame interessiert waren. Machen sie mir doch nichts vor." sagte er laut und warf der Dame zu seiner Seite einen merkwürdigen Blick zu.

" Das ist eine bodenlose Frechheit. Ich hatte sicher kein Vergnügen mit der Dame. Aber ich seh schon. Hier wird mir sicherlich nicht geholfen. Ihr kennt meine Verlobte also nicht?"

Die Dame an der Seite des rotharrigen blieb stumm und schaute fragend zu ihrem Buhler. Wieder klapperte es in dem Smial und Filbu lenkte seine Aufmerksamkeit abermals auf die Tür.

" Da drin ist noch jemand? Dürfte ich die Person auch noch fragen? Dann verschwinde ich und frage bei den Nachbarn weiter."

Der Hobbit machte einen Schritt zur Seite um Filbu den Weg zur Tür zu versperren.

"Das ist keine so gute Idee. Wißt ihr...das da drinnen ist meine Mutter. Sie kann euch bestimmt nicht helfen...weil...weil...sie ist blind. Genau. Blind ist sie. Sieht gar nix."

Es klapperten abermals Töpfe und Filbu seufzte.

"Die Ärmste scheint ja da drinnen große Schwierigkeiten zu haben. Vielleicht solltet ihr da besser zu Hilfe eilen."

Der rothaarige nickte etwas nervös und setzte einen Entschuldigenden Blick auf.

" Das mache ich sofort. Also dann Herr Buchsbaum. Eine erfolgreiche Suche wünsche ich euch noch."

Er stubste die Dame an seiner Seite an und sie verabschiedete sich, offenbar immer noch etwas irritiert, von Filbu, welcher sich dann ebenfalls verabschiedete und sich langsam von dem Smial entfernte. Dann hielt er plötzlich inne und zog ein paar Atemzüge durch seine Nase. Ein recht bekannter Duft. Es waren ohne Zweifel Kohlrouladen die mit ihren Ausdünstungen die Waldhofer Luft tränkten. Was gäbe ich nur dafür ihre Kohlrouladen essen zu dürfen, dachte er sich und schlurfte dann zur nächsten Haustür.

" Das Essen ist fertig. " drang es aus dem Smial des rothaarigen hervor und er und seine Begleitung folgten der Aufforderung unvermittelt.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Mittwoch 7. Januar 2015, 17:23

Zur gleichen Zeit ganz in der Nähe

Schalotte rührte schaute noch einmal in den Bräter, wo die Kohlrouladen schmorten. Zufrieden nickte sie und überprüfte dann auch noch die Salzkartoffeln, denen sie noch eine weitere Prise Salz gönnte. Alles verlief nach Plan, wie immer.

Mit einer gekonnten Drehung wendete sie sich nun dem Küchenregal zu und seufzte. Wie konnte man nur so respektlos mit seinen Sachen umgehen? Sie holte tief Luft und nahm einen Fleischtopf aus dem Regal in der Küche und stellte ihn auf den Tisch. Die anderen Töpfe und Schalen schienen sich davon inspiriert zu fühlen und rutschten klappernd nach. Mit Mühe konnte Schalotte ein größeres Unglück verhindern. Sie hielt mit der linken Hand das Geschirr fest und versuchte gleichzeitig mit der rechten einen weiteren Topf herauszuholen. Es gelang ihr zwar, aber ein kleines Butterpfännchen fand dennoch den Weg an ihrer Hand vorbei. Instinktiv versuchte Schalotte den Sturz mit der linken Hand abzufangen, ließ dafür aber die anderen Töpfe los. Sofort setzten die sich in Bewegung und während Schalotte mit der linken Hand das Butterpfännchen fing, legte sie in einer fließenden Bewegung den zuvor aus dem Regal gezogenen Schmortopf aus der rechten Hand auf den Boden, schnellte nach oben und hielt die restlichen Töpfe davon ab, sich zu ihm zu gesellen.

Sie schaute sich um. Der Tisch stand etwas weiter weg als ihre Arme reichten, zumindest, wenn sie eine Hand an den Töpfen lassen musste und so dem Tisch den Rücken zukehrte. Sie kniff die Augen etwas zusammen und begann das Butterpfännchen leicht zu schwingen. Im richtigen Moment ließ sie es los und es landete mit einem weiteren Klappern auf dem Tisch. Als Schalotte sich triumphierend wieder umdrehte, trat sie mit dem rechten Fuß in den am Boden stehenden Schmortopf, erschrak, verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Nach einem kleinen Augenblick des Schrecks sah sie nach oben und robbte sich umgehend zur Seite, den Schmortopf noch am Fuß. Die anderen Töpfe verließen mit lautem Klirren und Klappern das Regal und landeten neben Schalottes Füße.

Sie dachte einen Augenblick darüber nach, um Hilfe zu rufen, aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, so gesehen zu werden. Sie raffte sich auf, klopfte sich den Staub vom Kleid und brachte ihre Haare in Ordnung. Dann atmete sie noch einmal tief durch und hob alle Töpfe auf und stapelte sie nach Größe in erster Linie und nachrangig nach Wichtigkeit geordnet auf dem Tisch.

Plötzlich drang der Geruch angebrannter Kohlrouladen an ihre Nase. 'Nicht schon wieder!', dachte sie. Schnell riss sie Bräter von der Feuerstelle und versuchte die Kohlrouladen zu retten. Schließlich füllte sie sie mit der etwas sehr dunklen Seite nach unten in eine Schüssel. Die Kartoffeln bekamen noch etwas Salz, bevor sie sie abgoss und ebenfalls in eine Schüssel gab.

Schalotte schaute zum Fenster und rief: "Das Essen ist fertig!" Dann nahm sie einen Lappen und wischte das Regal aus, als ihr Gastgeber hereinkam.

"Was ist denn hier los? Ich habe draußen einen Bockländerlärm gehört!"

Schalotte deutete auf die Töpfe.

"Wie kannst Du nur so nachlässig mit Deinen Töpfen umgehen? Überhaupt sieht es in Deinen Regalen aus wie bei Weißfuß in der Speisekammer!"

Er seufzte.

"Lotti, jetzt lass das doch mal. Ich erkenne mein Smial bald nicht wieder."

Schalotte nahm den sauberen Schmortopf und stellte ihn ins Regal. Anschließend schob sie ihn mit dem Zeigefinger noch gerade, so dass er genau auf die Regalkante ausgerichtet war.

"Glaubst Du denn, dass Deine Damen diese Rumpelkammer mögen? Du solltest mir dankbar sein."

Der rothaarige Hobbit verdrehte kurz die Augen und ging dann einen Schritt auf Schalotte zu. Er nahm ihre beiden Hände, warf kurz einen Blick auf die Verkohlrouladen, wie er sie gegenüber seinen Freunden immer nannte, und die salzigen Salzkartoffeln, welche er meistens als Kartoffelsalz bezeichnete, und schaute schließlich Schalotte eindringlich an.

"Ich mache uns jetzt einen Tee und dann unterhalten wir uns."

"Willst Du denn gar nichts essen?"

Er räusperte sich und winkte ab. "Noch nicht, lass uns erst reden."

"Aber dann wird es doch kalt."

Schalotte schaute dann resignierend auf den Topfstapel und nickte. Sobald sie wieder freie Hände hatte, räumte sie so schnell wie möglich, aber so ordentlich wie nötig die Töpfe ins Regal, während ihr Gastgeber den Tee kochte. Beinahe zeitgleich waren sie fertig und setzten sich in die Stube.

"Ich hatte gerade Besuch." Er schenkte Tee ein und reichte Schalotte eine Tasse.

"Ja, ich weiß. Wie hieß sie noch? Sagamalda? Merkwürdiger Name. Du solltest Dich nicht mit Mädchen aus dem Bocklan..."

Er hob die Hand und schaute Schalotte ernst an.

"Nein, von Deinem Verlobten!"

Schalotte blinzelte, brachte aber kein Wort heraus.

"Er kam vorbei, zeigte mir ein Bild von Dir und fragte mich, ob ich Dich gesehen hätte. Malda hätte Dich beinahe verraten, aber Lotti, er war schon überall im Auenland auf der Suche nach Dir. Waldhof war seine letzte Hoffnung."

Schalotte konnte nicht antworten. Ihr schossen Erinnerungen und Gedanken durch den Kopf, die selbst sie nicht so schnell ordnen konnte wie ein paar Töpfe.

"Und die Dame aus dem Barsch, von der ich Dir erzählt habe, war gar nicht seine Geliebte."

Schalotte zuckte bei dem Wort Geliebte kurz zusammen.

"... sie hat sich ihm einfach angeschlossen und unentwegt geredet und ihn für alles bezahlen lassen. Unter uns, das hätte ich nicht mit mir machen lassen."

Pontoweis lachte kurz auf, verstummte dann aber, als er eine Träne in Schalottes Auge erkennen konnte.

"Lotti? Warum weinst Du denn? Das sind doch gute Nachrichten!"

Schalotte schüttelte den Kopf.

"Er sucht nach mir? Immer noch? Aber das verstehe ich nicht. Er wollte sich doch trennen! Er hat es mir selbst gesagt!"

Sie wischte sich über das Gesicht und schaute Pontoweis irritiert an.

"Vielleicht hast Du das nur falsch verstanden."

Wieder schüttelte Schalotte den Kopf und strich dann eine Strähne ihres Haars zurück in Reih und Glied.

"Ich bin so verwirrt, Pontoweis. Ich fühle mich gerade, als sei ich in den Brandywein gesprungen und hätte erst dann bemerkt, dass ich nicht schwimmen kann. War es falsch, einfach zu gehen? Oder hat er es sich nur deshalb anders überlegt?"

Pontoweis spitzte nachdenklich die Lippen. "Ich habe das Gefühl, er liebt Dich, Lotti. Von ganzem Herzen."

Schalotte blieb einen Augenblick standhaft, vergrub dann aber ihr Gesicht in ihre Hände und begann ohne Scham zu weinen und zu schluchzen.

"Ich ihn auch, ich doch auch! Wie konnte es nur so weit kommen? Ich vermisse ihn und ich fühle mich schuldig. So verflucht schuldig!"

Pontoweis erschrak kurz. Hatte sie gerade geflucht? Das hatte er noch nie von Schalotte gehört und er war sicher, dass er sich nur verhört hatte. Er schüttelte den Gedanken ab und nahm sie in den Arm.

"Mach Dir keine Vorwürfe. Weißt Du was? Ich werde heute in den Goldenen Barsch gehen. Ich bin sicher, er wird sich dort einquartieren, bevor er ins Südviertel zurückkehrt."

Schalotte blickte auf und schaute Pontoweis mit roten Augen an. "Und dann?"

"Ich werde ihn prüfen. Ihn und seine Liebe zu Dir."

Wieder vergrub Schalotte das Gesicht in ihre Hände. "Ich habe Angst vor dem, was herauskommen könnte. Was, wenn Du Dich in Deiner Annahme irrst?"

Pontoweis seufzte leise.

"Dann kaufen wir Dir hier in Waldhof ein kleines Smial."

Schalotte weinte nun noch lauter. Offenbar waren das keine tröstenden Worte.

"Ist schon gut. Vertrau mir, ich habe ein Gespür für Hobbitherzen. Komm, wir essen erstmal etwas ..."

Er schaute zu den Kohlrouladen und den Salzkartoffeln und fügte hastig hinzu: "... aber etwas leichtes, ist besser fürs Gemüt."
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Mittwoch 7. Januar 2015, 17:23

Stock - Goldener Barsch

Stimmengewirr durchströmte den Schankraum des goldenen Barsches. Einige Leute scherzten munter miteinander, andere diskutierten hitzig und wiederrum andere tanzten zur Musik eines einzelnen Lautenspielers. Von alldem bekam er nur wenig mit. Lediglich in Gesellschaft einer Flasche Rotwein, saß er an einem Tisch etwas Abseits der anderen Gäste und sein Blick wanderte immer wieder über das Schriftstück das vor ihm lag. Dann tauchte er seine Feder in das kleine Tintenfass und setzte seinen Namen unter das Geschriebene. Die Schritte die sich ihm von hinten näherten bemerkte er nicht. Schwer atmend legte er die Feder zu seiner rechten auf den Tisch nieder. Seine Hand wanderte zu der Weinflasche, führte sie zu seinem Mund und füllte ihn mit der roten Flüssigkeit. Der rothaarige Hobbit stand etwas unentschlossen hinter ihm und überlegte ob er einen Blick auf den Brief riskieren sollte, entschied sich dann aber anders.

„Herr Buchsbaum. Schon sieht man sich wieder“ sagte er und führte seinerseits ein Glas Wein zum Mund.

Filbu verschluckte sich vor Schreck und prustete den ganzen Inhalt seines Mundraums über den Tisch. Ein feiner roter Regen legte sich über das Pergamentpapier und ließ eine Landschaft aus Flecken zurück. Wutentbrannt sprang Filbu hoch und raunzte den rothaarigen an.

„Seid ihr verrückt geworden mich so zu erschrecken? Seht was ihr angerichtet habt. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so sauber geschrieben und dann kommt ihr und macht alles zunichte. Respektloser Grobian.“

Filbu schob sich an dem Hobbit vorbei und ging hinüber zur Theke wo er sich einen Lappen geben ließ. Der rothaarige blickte ihm entschuldigend hinterher und war abermals versucht einen Blick auf den Brief zu werfen.

„ Wagt es nicht das zu lesen. Das geht euch nichts an. Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe und gesellt euch zu den anderen Gästen?“

Vorsichtig legte er das Schriftstück zur Seite und wischte mit dem nassen Lappen über den Tisch. Ab und an warf er dem rothaarigen einen strafenden Blick zu.

„ Tut mir leid Herr Buchsbaum. War sicher keine Absicht von mir. Schreibt einfach in den Brief dass es meine Schuld war. Was treibt ihr eigentlich hier? Sucht ihr immer noch eure Verlobte? “

Filbu schnaufte ein paar Mal durch um sich zu beruhigen.

„ Herr Pontoweis. Das war doch euer Name wenn ich mich recht erinnere. Ich werde sicher nichts von euch in diesen Brief erwähnen und was ich hier treibe geht euch nach wie vor nichts an. Meine Verlobte habe ich nicht gefunden. Und jetzt geht bitte und lasst mich in Ruhe“

Pontoweis ignorierte seine Bitte, setzte sich unbeeindruckt an den Tisch und füllte sein Glas mit Filbus Rotwein der ihn nur fassungslos anstarrte.

„ Setzt euch doch einfach und lasst uns ein wenig plauschen. Mir ist gerade nach einer Unterhaltung. Und ihr seht aus als könntet ihr etwas Ablenkung brauchen.“

Diese Ignoranz raubte Filbu fast den Atem, doch fehlte ihm schlichtweg die Kraft sich auf ein hitziges Wortgefecht einzulassen. So ließ er sich kopfschüttelnd auf dem Stuhl nieder und blickte Pontoweis fragend an.

„ Über was wollt ihr plauschen? Ich wüsste nicht was ich euch erzählen sollte. Aber gut. Wie ihr wollt. Ich war sowieso gerade fertig.“

Pontoweis sah hinüber zu dem Brief.

„ Ihr schreibt einen Brief in einem Gasthaus? Sieht man selten. Wem schreibt ihr denn?“

Filbu schüttelte nur den Kopf über die dreiste Frage und legte seine Hand schützend über das Papier.

„ Ihr seid selbst für einen Hobbit sehr neugierig. Zu neugierig wie ich finde. Aber wenn ihr es unbedingt wissen wollt..der Brief ist für meine Verlobte. Und fragt besser nicht. Ihr würdet es ohnehin nicht verstehen.“

Pontoweis stutzte und es schien sich fast etwas Nervosität bei ihm breit zu machen.

„Ich denke ihr wisst nicht wo sie sich befindet? Wie könnt ihr dann einen Brief an sie verschicken? Das versteh ich nun wirklich nicht.“
Filbu seufzte.

„Seht ihr. Das sagte ich doch. Deswegen solltet ihr erst gar nicht nachfragen. Ich weiß nicht wo sie ist und dennoch schreibe ich diesen Brief an sie. Und jetzt fragt nicht weiter nach. Bitte.“

Es lag ein leichtes flehen in der Bitte und Pontoweis schien zu verstehen, dass ein weiteres nachfragen mehr als unerwünscht war und ihm sicherlich auch keine weiteren Erklärungen einbrachte.

„Wie ihr meint. Sagt, habt ihr wirklich das ganze Auenland nach ihr abgesucht?“

Filbu nickte nur wortlos und genehmigte sich dann einen Schluck Wein. Der Inhalt der Flasche neigte sich langsam dem Ende zu.

„Ja. Das habe ich. Jedes Haus und jeden Hof. Sie ist unauffindbar. Aber dann suche ich halt nochmal..und nochmal..und nochmal wenn es sein muss.“

Filbu sah Pontoweis an und zum ersten Mal schien er mehr zu bemerken als das spitzbübische Mundwerk des Hobbits. Sein rundliches Gesicht mit den großen grünen Augen wirkte sehr sympathisch und sicher konnte er damit die Damen beeindrucken. Seine geordnete Frisur unterstrich seinen gepflegten Gesamteindruck. Das Rot seiner Haare war sehr kräftig und erinnerte ihn an Schalotte. Er erinnerte sich daran als er sie das erste Mal mit offenem Haar gesehen hatte und seine Gedanken verloren sich in einer sternklaren Nacht auf dem Bühl. Was würde er nur darum geben diese Nacht noch einmal zu erleben.

„ Habt ihr mal daran gedacht, dass sie gar nicht gefunden werden möchte? Ich meine, wenn sie nicht entführt wurde, wovon man im Auenland sicher ausgehen kann, hat sie euch aus freien Stücken verlassen. Seht ihr das denn nicht? Es liegt doch auf der Hand.“

Pontoweis zuckte kurz mit den Schultern und nippte dann an seinem Glas.

„ Selbst wenn dem so wäre, kann mich niemand daran hindern sie zu suchen. Mag sein dass sie aus freien Stücken gegangen ist. Ich weiß es nicht. Vielleicht hat sie auch jemand beeinflusst. So oder so. Es ändert für mich nichts. Ich weiß nun nicht mehr wo ich suchen soll. Aber solange meine Füße mich tragen werde ich weiter gehen und an Türen klopfen, mich auf Märkten nach ihr umsehen und den Grenzern und Bütteln den letzten Nerv rauben bis sie gefunden ist. Herr Pontoweis. Ich weiß nicht ob ihr wißt wie es sich anfühlt wenn man jemanden verloren hat, aber ich bin nur noch ein halber Hobbit für den nichts mehr von Bedeutung ist wenn er die andere Hälfte nicht wiederfindet. Versteht ihr das?“

Er legte seine Hände vors Gesicht und fragte sich warum er sich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen hatte. Der Kummer schien ihn zu übermannen und das in Gesellschaft eines fast Unbekannten.

„ Ich verstehe euren Kummer und eure Verzweiflung. Doch solltet ihr vielleicht wirklich darüber nachdenken die Entscheidung eurer Verlobten zu respektieren. Möglicherweise ist sie jetzt glücklicher.“

Filbu stemmte sich hoch und blickte Pontoweis wütend an.

„ Ich soll das einfach so hinnehmen? Ihr könntet mir genau so gut empfehlen mich in den Brandywein zu stürzen. Ich glaube ihr versteht rein gar nichts. Ich liebe Schalotte. Ich brauche sie. Aber warum erzähle ich euch das überhaupt? Von sowas habt ihr scheinbar keinen blassen Schimmer. Ich werde nun gehen. Einen schönen Abend noch.“

Er schnappte nach der Flasche und leerte sie. Dann legte er sie in seinen Reisebeutel und rollte den Brief zusammen welchen er dann ebenfalls fein säuberlich in dem Beutel verstaute.

„ Was habt ihr jetzt vor? Ihr wollt doch nicht zu so später Stunde noch ins Südviertel aufbrechen.“

Filbu legte den Beutel an und schüttelte den Kopf

„Nein. Natürlich nicht. Ich mache nur einen Spaziergang zum Brandywein hinunter. Also dann. Gute Nacht.“

Dann wendete er sich von Pontoweis ab, ging zur Theke, bezahlte den Wein und ging zügig zur Tür um den Goldenen Barsch zu verlassen.

„ Herr Buchsbaum. Ihr macht doch keine Dummheiten? Es geht eurer Verlobten sicher gut. Verliert jetzt nicht den Kopf“ sagte Pontoweis und blickte nun doch etwas besorgt Filbu hinterher.

„ Keine Angst. Ich mache nur einen Spaziergang. Mein Kopf wird sicherlich da bleiben wo er immer ist“ sagte er ohne sich umzudrehen und trat hinaus in die Nacht.

Die Tür fiel hinter ihm zu und Pontoweis leerte nun ebenfalls zügig sein Glas.

„Schreibs auf“ rief er zur Theke hinüber und folgte Filbu dann mit sicherem Abstand in die Nacht.
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Re: Ein Schneider und sein Drache

Ungelesener Beitragvon Filbu » Mittwoch 7. Januar 2015, 17:24

Kurze Zeit später

Am Brandywein

Das Wasser umspülte seine Füße und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es war kalt und ein komisches Gefühl legte sich in seine Magengegend. „Ihr macht doch keine Dummheiten?“ hatte Pontoweis gefragt. Ob dieser rothaarige unverschämte Kerl wirklich dachte, dass er sich etwas antun würde? So ein Unsinn. Oder? War er schon so verzweifelt? Der Brandywein war sicher tief genug und bei seinen Schwimmkünsten würde er sich sicher nicht lange über Wasser halten können. Er schüttelte den Gednaken schleunigst ab, trat einen weiteren Schritt in den Fluß hinein und für einen Moment drohte er auf einem glitschigen Stein den Halt zu verlieren, fing sich aber wieder. Ein Rascheln drang an sein Ohr und er fuhr herum. Der Mond stand hoch am Firmament und erhellte die Nacht. Es war dennoch niemand auszumachen. Wohl nur eine Katze dachte er sich. Oder ein Vogel. Oder beides. Sein Blick richtete sich wieder auf den Brandywein. Dann holte er die Flasche und den Brief aus seinem Bündel. Ein letztes Mal überflog er die Zeilen, rollte dann das Pergament zusammen und steckte es in die Flasche um diese dann letztlich mit einem Korken zu versehen. Zögerlich bückte er sich zum Wasser hinunter und legte die Flasche in die Strömung, hielt sie jedoch noch am Hals fest. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel, lief über seine Wange und fiel dann fast geräuschlos in den Brandywein. Weitere Tränen folgten. Seine Hand lockerte den Griff und er fühlte wie die Flasche an seinen Fingerspitzen vorbeiglitt und von dem fließenden Wasser mitgetragen wurde. Fort von ihm. Sie klimperte an Steinen. Zerbrach jedoch nicht. Filbu wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, legte sich zügig den Beutel um und stampfte aus dem Wasser. Nur fort von hier dachte er sich und ging auf schnellstem Weg zum Gasthaus zurück.

Das Augenpaar des Hobbits hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Schon seit dem Gasthaus hatte es ihn verfolgt. Hatte gesehen wie er einen Fuß in den Brandywein setzte. Wie er beinahe den Halt verlor und ins Wasser gefallen wäre, wie er die leere Weinflasche mit dem Brief versehrt und sie dem Fluss überlassen hatte. Pontoweis hatte dann keinen Moment gezögert und sich möglichst leise aus seiner Deckung bewegt um dem Brandywein flussabwärts zu folgen. Als er sich sicher war, dass Filbu ihn nicht mehr hören würde, rannte er los und spitzte gleichzeitig die Ohren um ein Geräusch aus dem Fluss zu hören. Das Geräusch von klimperndem Glas an Steinen. Er hörte nichts. Lief weiter. Die Nacht war hell erleuchtet aber es war ihm nicht möglich irgendwas auf dem Fluss zu erkennen. Zumindest nichts dass nach einer Flasche aussah. Dann hielt er inne. War da etwas gewesen? Er war sich sicher etwas gehört zu haben. Er machte ein paar Schritte ins Wasser und horchte wieder. „Klimper“ Da wars wieder. Es musste weiter Flussabwärts sein. Er stampfte aus dem Wasser und lief weiter. Immer wieder hielt er inne und horchte. Lief weiter. Horchte. Dann ganz deutlich. „Klimper, Klirr, Klimper“ Es hörte gar nicht mehr auf. Sie musste sich irgendwo verfangen haben. Dann sah er den Grund. Er war ohne es zu merken in einen Nebenarm des Brandywein gelaufen über den ein kleines steinernes Brückelchen führte. Die Flasche schlug immer wieder gegen den Stein und fand den Weg durch den Bogen der Brücke nicht. Pontoweis lief auf die Brücke, sprang dann hinunter ins kühle Nass und tauchte bis zum Hals in das Wasser. Er war ein guter Schwimmer aber zu dieser Jahreszeit war der Brandywein wahrlich kein Vergnügen. Nur ein paar Schritte dann hatte er sie. Schlammig fühlte der Boden sich an und mit jedem Schritt hatte er das Gefühl immer tiefer in den Schlamm einzudringen. Er versuchte nach der Flasche zu greifen doch sie entschwand seinen Fingern und tauchte unter. Dann tauchte sie wieder auf und er packte wieder zu. Dieses mal erwischte er ihren Hals und hatte sie schließlich sicher in seinem Griff. Er blickte sich um und konnte kaum fassen was er da tat. Bis zum Hals im Brandywein. Er würde sich den Tod holen zu dieser Jahreszeit. Und alles wegen einem lächerlichen Brief. Aber die Neugierde hatte ihn gepackt und irgendwie hatte er das leise Gefühl, diesen Buchsbaum falsch eingeschätzt zu haben. Womöglich wusste er mehr wenn er den Brief zu lesen bekam. Egal wie. Aber sie war ihm was schuldig. Mühsam kroch er fast auf allen Vieren an den Uferrand und versuchte anschließend die Nässe aus seiner Kleidung zu wringen, was kaum möglich war. Es fröstelte ihn gehörig doch seine Neugierde war zu groß um erst nach Hause zu laufen. Er suchte den Weg zum goldenen Barsch nach einer Straßenlaterne ab und wurde recht schnell fündig. Im Schein der Laterne hatte er das Gefühl etwas Wärme zu spüren. Aber das war wohl viel mehr reine Einbildung. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Laterne und zog dann den Korken aus der Flasche und drehte sie auf den Kopf. Mit dem kleinen Finger stocherte er dann nach dem Brief, bekam ihn schließlich zu fassen und zog ihn aus der Flasche. Das Pergament war schon etwas klamm. Womöglich hätte es das Treiben im Wasser gar nicht lange überlebt. Er schnaufte einmal durch, rollte das Pergament aus und begann zu lesen. Seine Miene wurde ernst und seine Augen größer. Ein paar mal setzte er den Brief ab seufzte, las weiter, schüttelte den Kopf und steckte ihn dann schließlich weg.

"Jetzt nichts wie nach Hause bevor ich mir den Tod hole." murmelte er und lief quer über die Wiesen Richtung Waldhof.
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