Ein Schneider im Sturzflug

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
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Filbu
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Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 21. Oktober 2014, 00:04

Dunkle Herbstnacht. Regen prasselte laut gegen die Fensterscheiben. Still und kühl war es in dem Smial im Myrtenhof. Auf dem Küchentisch war noch das Frühstück angerichtet. Einige Fliegen machten sich über ein angebissenes Marmelandenbrot her. Draussen trommelten Regentropfen unrythmisch in großen Pfützen und ließen kaum ein anderes Geräusch die Nacht durchdringen. Doch da war etwas. Ein Schlurfen. Immer lauter werdend näherte es sich dem Smial im Myrtenhof 5. Ein freudiges Bellen begrüßte den grün gekleideten Hobbit, der sich mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze den Weg durch den Regen bahnte und erst vor dem bellenden Hund halt machte.
" Hallo meine Süße. Da bin ich wieder." sagte er leise und kniete zu Erdbeere hinunter die ihm prompt durchs Gesicht schleckte und ihn dann erwartungsvoll ansah.
" Nein. Ich hab sie wieder nicht gefunden. Vielleicht solltest du sie besser mal suchen. Du kannst das bestimmt viel besser als ich"
Ein Lächeln quälte sich ihm ins Gesicht und Erdbeere quittierte es ihm mit einem erneuten schlecken über seine Nase. Dann stemmte er sich aus der nassen Wiese hoch und machte Erdbeeres Leine los.
" Komm. Du darfst heute mit rein. Ich mag heute nicht alleine sein."
Freudig hüpfte Erdbeere um den Hobbit herum und wetzte direkt zur Haustür und verharrte in abwartender Haltung. Er schmunzelte und folgte ihr zur Haustür.
Die Stille im Smial wurde vom knackenden Schloß und der knarzenden Tür durchbrochen und das sechsbeinige Gespann trat hinein. Erdbeere machte es sich direkt vor dem Kamin bequem, auch wenn dieser noch keine Wärme ausströmte, wusste sie dass sich das gleich ändern würde.
Filbu schlug die Kapuze nach hinten und legte den tropfnassen Umhang über das Geweih welches er als Garderobe nutzte. Dann zündete er eine Öllampe an und der Feuerschein durchströmte den Raum. Seine Hand wanderte in seine Westentasche und brachte ein zerknittertes, durchweichtes Bild hervor. Er legte es auf einer Kommode ab ohne es nochmal zu betrachten. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm und er drehte sich doch noch einmal um und starrte auf das Bild.
" Wo bist du? Sags mir." sagte er und es schien für einen Moment als würde er wirklich auf eine Antwort warten. Er schlug seine Hände vors Gesicht und atmetete einige mal tief durch um sich anschließend durchs nasse Haar zu fahren. Einige widerspenstige Haarsträhnen fielen ihm wieder vor die Augen und er versuchte sie vergeblich wegzupusten. Dann kam ihm ein Gedanke. Post. Vielleicht hatte sie geschrieben. Er rannte beinahe los, blieb am Tischbein in der Küche hängen und ging polternd zu Boden. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor bis er sich aufraffte und von Erdbeere mit skeptischem Blick verfolgt zur Tür hinaus trat und den Briefkasten öffnete.
Da war Post. Sollte er wirklich von ihr sein? Nein. Aber dennoch eine erfreuliche Nachricht. Herr Umsturz hatte seinen Worten Taten folgen lassen und seinen Bruder mit Schalottes verschwinden, vertraut gemacht. Der Grenzer bat darum sich das Smial der Verschwundenen Person ansehen zu dürfen um mögliche Beweise oder Spuren zu sichern. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Jedoch auch nicht mehr.
Er legte den Brief neben Schalottes Bild. Heute Nacht würde er noch ein Schreiben aufsetzen. Je eher, desto besser. Am besten der Herr Umsturz würde sich gleich morgen umsehen. Ja. Morgen war ein guter Tag. Vormittags würde er sich nochmal in Michelbinge umhören und gegen Abend könnte Herr Umsturz dann seinen Dienst verrichten. Und arbeiten würde er...ja...wann würde er wieder arbeiten? Seit zwei Wochen hatte er die Nähstube nicht einmal aufgesucht. Keine Kunden mehr angenommen. Selbst dem Herrn dem er in Bree versprochen hatte ihm Kleidung im Efeubusch zu hinterlegen, ja selbst dem war er nicht nachgekommen. Er hatte sogar schon das Geld dafür bekommen. Er würde sich bald darum kümmern. Wenn er sie erst gefunden hatte, würde alles wieder in geordneten Bahnen laufen.
" Ich muss etwas essen. Sonst bin ich bald zu schwach zum suchen" murmelte er und öffnete die Tür zur Speisekammer. Gähnende Leere war alles was dort zu finden war.
" Na gut. Dann ess ich morgen bei Großmutter." Er schüttelte den Kopf. Nein, das war keine gute Idee. Sie würde wieder Fragen stellen. Fragen auf die er keine Antwort hatte. Warum ist sie fort Filbu? Hat sie denn nicht irgendwas gesagt? Besucht sie vielleicht nur Verwandte? Hast du sie vielleicht verärgert?
Die letzte Frage die ihm durch den Kopf drang blieb kurz hängen. Er schüttelte sie ab. Nein. Morgen würde er auf dem Markt in Michelbinge neue Lebensmittel kaufen um sich selbst was zu kochen. Mit diesem Gedanken trat er an die Kommode und öffntete die oberste Schublade. Eine Blechdose lag offen darin. Ein paar Kupfermünzen teilten sich den Platz in der Dose mit zwei Silbermünzen. Die Schublade flog krachend zu und er rauffte sich die Haare.
" Ich bin Pleite. Ich bin Pleite. Ich bin Pleite" wiederholte er mehrmals und in seinem Kopf hörte er seine eigenen Worte immer wieder.
Rücklagen hatte er keine. Er könnte das große Smial nebenan verkaufen welches er für seine angehende Familie erstanden hatte. Oder seinen Laden in Lindholz. So viele smials mussten auch unterhalten werden. Oder er würde...
Sein Blick wanderte durch den liebevoll eingerichteten Wohn und Schlafraum in seinem Smial. Die Goldwerts würden sicher einen guten Preis zahlen. Das hatten sie ja schon mehrmals angedeutet. Warum sollte er auch nicht verkaufen? Er war ohnehin kaum zuhause.
Von dem knarrzenden Türgriff wurde er aus den Gedanken gerissen und er konnte sehen wie sich der Griff langsam absenkte und die Tür aufgedrückt wurde. Ein Hobbit. Lange Haare waren schemenhaft zu erkennen. Dann trat die Gestalt hinein und sagte "Hallo Filbu"
"Du?" war alles was er erwiederte.
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Filbu
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 21. Oktober 2014, 17:36

"Hast du jemand anderen erwartet?"

Der Hobbit ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und marschierte ohne sich die Füße abzutreten durch die Küche zum Kamin und legte ein paar Hölzer zusammen um ein Feuer zu entfachen. Filbu beobachtete ihn dabei kopfschüttelnd.

"Fühl dich wie zuhause." sagte er mit ironischem Unterton "Was willst du eigentlich hier? Dir ist schon bewusst dass es mitten in der Nacht ist."

"Um so merkwürdiger dass du dich noch herumtreibst, Filbu. Ich hab dich am Eingang zur Siedlung gesehen und bin dir gefolgt. Nebenbei erwähnt, du siehst fürchterlich aus. Du solltest mal was essen."

Der langhaarige Hobbit entzündete das Feuer, setzte sich dann zu der Hündin und strich ihr sanft durch das kurzhaarige Fell.

"Was ich wann und wo mache geht dich nichts an. Kümmer dich um deine Angelegenheiten" raunzte Filbu und ging zur Haustür. "Und jetzt möchte ich gerne allein sein."

"Sag mal wo steckt eigentlich deine Verlobte? Die hab ich ja schon ewig nicht gesehen. Hat sie etwa kalte Füße bekommen?" sagte der langhaarige kichernd und blickte sich dann in dem Smial um. Es wirkte alles etwas leblos und die Ordnung und Sauberkeit die man von Filbu gewohnt war, schien nicht wirklich vorhanden zu sein.
"Filbu. Ist alles in Ordnung bei dir?"

Die Worte klangen ehrlich und aufrichtig. Filbu blickte kurz zu dem Bild auf der Kommode.

"Alles bestens. Seid wann interessiert es dich wie es mir geht?"

Für einen Moment herrschte Stille zwischen den beiden und das prasseln der Regentropfen an der Fensterscheibe bestimmte den Ton. Dann setzte sich Filbu an den Tisch und legte seinen Kopf darauf.

"Nichts ist in Ordnung. Rein gar nichts. Schalotte ist seit Wochen verschwunden. Mein Geschäft läuft nicht und ich komme wegen der ganzen Sucherei nicht zum arbeiten. Ich muss ein Smial verkaufen. Nein. Nichts ist in Ordnung."

Der andere lachte nur.

"Du musst ein Smial verkaufen? Warte mal. Dann hast du ja nur noch drei?"

"Zwei" sagte Filbu entschlossen

"Oh. Verstehe. Das ist natürlich eine tragische Lage. Was sollen denn die Leute denken?"

Er tippte mehrmals mit dem Zeigefinger an seine Schläfe um Filbu deutlich zu machen was er von dieser Sichtweise hielt.

"Sorge dich um deine Verlobte. Aber hör auf zu heulen wenn du dir nicht mehr aussuchen kannst in welchem Smial du wohnst. Sag mal.Gibt es einen Finderlohn für Schalotte? Also nicht das ich eine Idee hätte, aber vielleicht stolpere ich ja zufällig über sie. Dann wäre doch eine Belohnung angebracht. Findest du nicht auch?"

Filbu hob den Kopf und blickte den anderen misstrauisch an.

"Wenn du etwas über ihren Verbleib weißt und es mir verheimlichst, werde ich dich den Grenzern melden. Sag schon. Weißt du etwas?"

Der langhaarige hob nur die Hände und setzte sich auf.

"Wenn ich was wüsste würd ich´s dir sagen. Ehrlich. Natürlich nur nach entsprechender Bezahlung."

Wieder drang ein leises Kichern durch das Smial und erfüllte Filbu mit Wut und Hilflosigkeit. Dann deutete er auf die Tür.

"Geh jetzt. Oder ich hole einen Grenzer."

"Nur die Ruhe, Filbu. Ich geh ja schon. Ach und was dein Smial angeht. Ich kann gern mit den Goldwerts reden. Ich könnte dir einen guten Preis aushandeln."

Filbu nickte kurz.

"Wenn du mich dann jetzt endlich in Ruhe lässt kannst du das machen. Aber sag ihnen das ich nicht unter 5 Goldstücken verkaufe. Nein. Sag besser gar nichts. Warte ab was sie für ein Angebot machen."

"Sehr wohl mein Bester. Ich mach das schon."

Dann trat er zur Tür hinaus und verschwand in der dunkeln Nacht.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Donnerstag 23. Oktober 2014, 17:20

Filbu starrte auf den Vertrag. Er wollte es jetzt schnell hinter sich bringen ohne groß zu überlegen was er da gerade machte. Aber da fehlte noch etwas. Die Verkaufssumme stand nicht auf dem Vertrag. Fragend blickte er auf zu Mikho.

"Da steht keine Verkaufssumme. Du wolltest einen guten Preis aushandeln hast du gesagt."

Mikho seufzte gespielt theatralisch und zog den Vertrag über den Tisch zu sich heran.

"Herr Goldwert hat die Summe absichtlich ausgelassen. Er war der Meinung ich sollte nochmal mit dir über den Preis reden. Stell dir vor, er wollte nur 2 Goldstücke für dein Smial bezahlen. Hab ihm aber gesagt, dass er sich so ein Angebot an den Hut stecken kann. Aber ich fürchte die von dir geforderten 5 Goldstücke wirst du nicht kriegen. Du wirst ihm entgegen kommen müssen."

Filbu stand auf und ging wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Küche. Mehrmals setzte er an um etwas zu sagen, beließ es aber jedes mal bei einem kurzen Seufzer. Am Kamin blieb er stehen und legte seine Hand an den verrauchten Kaminsims. Die roten Socken die er von Oxalia zum letzten Julfest bekommen hatte hingen daran. Er hatte sie immer mal fragen wollen wie sie auf den Gedanken gekommen war ihm Socken zu schenken. Immerhin taugten sie einigermaßen als Teesieb.

"Denkst du er würde sich auf 4 Goldstücke einlassen? Immerhin ist das hier beste Wohnlage. Alles was man braucht liegt vor der Tür. Und zum brauenden Fuchs ist es auch nicht weit. Also sag mir nicht das mein Angebot ein schlechtes ist."

Mikho hob unschuldig die Hände

"Vetter. Wenns nach mir ging würdest du 10 Goldstücke dafür bekommen. Aber das liegt nunmal nicht in meiner Hand. Deine Möbel wären übrigens im Preis inbegriffen."

Filbu lachte lauthals los. Es war ein verzweifeltes Lachen dem ein finsterer Blick folgte. Dann nickte er.

"Vielleicht rede ich besser selber mit Herr Goldwert. Ich bin doch kein dummer Zwien der sich die Butter vom Brot klauen lässt."

Mikho runzelte die Stirn und trippelte nun nervös mit den Fingerkuppen auf dem Tisch herum.

"Das....solltest du besser nicht tun. Weil..weil..du musst doch Schalotte suchen. Nein. Du solltest keine Zeit vergeuden, Filbu. Unterschreib den Vertrag. Dann kannst du dich um die wichtigen Dinge kümmern und ich kümmer mich um die unwichtigen. Wer braucht den ein Smial wenn ihm die Liebe seines Lebens verloren gegangen ist? Das ist alles nur Holz und Stein. Nichts von wahrem Wert. Schreib 4 Goldstücke in den Vertrag. Ich werde Herrn Goldwert schon überzeugen können."

Mikho lachte innerlich über seine eigenen Worte. So ein Geschwätz dachte er sich. Aber Filbu würde darauf anspringen. Da war er sich sicher. Der verzweifelte Schneider blickte nur stumm in das knisternde Kaminfeuer. Dann drehte er sich um, ging entschlossen zum Küchentisch, tunkte die Feder in das Tintenfass und beugte sich über den Vertrag.

"Du hast recht. Das erste mal sagst du etwas vernünftiges. Womöglich hat der Benimmunterricht bei Schalotte ja doch etwas gebracht. Also dann. 4 Goldstücke? So solls sein."

Dann setzte er die Verkaufssumme in die freigelassene Stelle und unterzeichnete den Vertrag mit seiner Unterschrift.
Mikho zog unvermittelt das Schriftstück zu sich heran, rollte es ein und verstaute es in seinem Beutel.

"Ich mach mich dann auch mal auf den Weg. Wir sollten keine Zeit verlieren. Du brauchst ja sicherlich dringend das Geld. In zwei Tagen bin ich wieder da. Bis dahin solltest du deine Sachen zusammenpacken. Je eher du hier raus bist, desto weniger musst du drüber nachdenken."

Filbu nickte, trat zu Mikho heran und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

"Mikho...danke für deine Mühe. Du bist mir wirklich eine Hilfe."

Mikho schaute auf die Hand. Die Berührung war ihm unangenehm. Er kam besser damit zurecht wenn sein Vetter ihn maßregelte. Daran hatte er sich gewöhnt. Er entzog sich zögerlich der Berührung und lächelte dabei fast schon entschuldigend.

"Keine Ursache. Familie ist Familie."

Dann öffntete er die Tür und trat hinaus. Filbu drückte die Tür hinter ihm zu. Das erste mal seit einigen Tagen verspürte er den Anflug eines guten Gefühls. Mikho hatte recht. Es gab nur einen Grund Trübsahl zu blasen. Und das war Schalottes Verschwinden. Sollten die Goldwerts doch glücklich mit seinem Smial werden. Holz und Stein. Mehr nicht. Er machte sich schnell daran ein paar Sachen zusammen zu packen.
Währenddessen schlurfte Mikho aus der Siedlung hinaus. Ein merkwürdiges Gefühl hatte ihn beschlichen nachdem er Filbus Smial verlassen hatte. Gerade war er um drei Goldstücke reicher geworden und sollte sich eigentlich darüber freuen. Aber das tat er nicht. Jetzt hatte er keine Wahl mehr. Außerdem brauchte er das Geld. Filbu würde schon klar kommen.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 28. Oktober 2014, 19:46

Schären

Mit eingezogenem Kopf trat er durch den steinernen Bogen. Es war weniger der Bogen als seine momentane Verfassung die ihn dazu veranlasste mit gesenktem Haupt durch die Lande zu streifen. Er konnte sich nicht daran erinnern überhaupt schon einmal in Schären gewesen zu sein. Warum auch? Weder kannte er hier Leute noch gab es hier irgendetwas, dass für ihn von Interesse gewesen wäre. Gleiches galt, da war er sich sicher, auch für Schalotte. Dennoch würde er an Türen klopfen und den Leuten ihr Bild unter die Nase halten. Was blieb ihm auch sonst für eine Wahl? Mehr konnte er nicht tun um sie wiederzufinden.

Schritt für Schritt schlurfte er durch das nicht allzu groß geratene Dorf und einige fleißige Dorfbewohner blickten ihm misstrauisch hinterher. Manch einer war gerade dabei sich auf den Weg in den Steinbruch zu machen. Sie verabschiedeten sich von ihren Familien und schulterten dann die Spitzhacke.
Ein kleines Mädchen lief, mit einem Leinenbeutel in der Hand, an ihm vorbei und lächelte ihm zu. Sie hatte feuerrotes gelocktes Haar und trug ein dunkelbraunes Leinenkleid.

„ Hallo Kleines.“ sagte Filbu und erwiderte das Lächeln.

Das Mädchen blieb unvermittelt stehen, blickte dann etwas unsicher in die Richtung des Steinbruchs.

„ Meine Mama sagt ich soll nicht mit Leuten reden die ich nicht kenne. Und euch kenne ich nicht.“

Sie machte noch einen Schritt zurück und schaute wieder zum Steinbruch.

„Deine Mama hat natürlich recht. Aber bestimmt meinte sie damit lange Leute. Du weißt schon. Leute die viel viel größer sind als wir.“

Filbu streckte die Arme in die Luft und versuchte möglichst groß zu erscheinen. Sein Versuch einen Menschen darzustellen quittierte das Mädchen mit einem weiteren Schritt zurück. Ihr Blick fiel auf seine Kleidung und in ihren Augen spiegelte sich wachsendes Interesse wider.

„ Ihr seid ja ganz grün. Seid ihr immer so grün?“

Filbu schmunzelte. Dann kniete er sich hin um mit dem Kind auf Augenhöhe zu sein.

„ Ja. Ich trage wirklich fast immer grün. Grün ist doch eine schöne Farbe. Meinst du nicht? Schau mal. Deine Augen sind auch grün. Genau wie meine.“

Sie rollte mit ihren Augen als wollte sie sich davon vergewissern das ihre Augen auch wirklich grün sind. Es sah wirklich lustig aus und Filbu schmunzelte über ihren Versuch.

„ Ich mag lieber rot. Rot ist viel schöner als grün.“

Filbu schluckte. Rot war nicht seine Farbe.Schon gar nicht bei Kleidung. Er versuchte seine Enttäuschung zu verbergen und zwang sich zu einem gespielten Lachen.

„ Rot sagst du? Ja das ist auch eine sch….eine sch….eine schöne Farbe. Ich kenne noch jemanden der rot gerne mag. Er trägt immer einen roten Hut. Sein Hut ist so groß dass man sich im Regen dazustellen könnte und man würde nicht nass werden.“

Auch wenn es leicht übertrieben war, er hielt Karabards Hut für viel zu groß geraten. Und dann noch in dieser unsäglichen Farbe.
Das kleine Mädchen kicherte. Offenbar gefiel ihr der Gedanke, zwei Hobbits unter einen Hut zu kriegen.

„ Das ist lustig. Ich will auch so einen Hut haben. Wie heißt du?“

Es entging ihm nicht das sie ihn duzte. Für gewöhnlich zog er es vor Herr Filbu oder Herr Buchsbaum genannt zu werden, doch er war sich unsicher darüber ob er das von einem Kind einfordern sollte. Bisher hatte er sich von Kindern meist ferngehalten. Sie waren laut, quirlig, unvernünftig und die meisten von ihnen gehorchten nicht aufs Wort. Nicht gerade die Eigenschaften die er wertschätzte.

„ Ich heiße Filbu. Und ich komme aus Lindental. Das liegt im schönen Südviertel. Und ich bin 35 Jahre alt. So jetzt weißt du wer ich bin. Und wie ist dein Name?“

Sie kicherte und schien sich gar nicht mehr einzukriegen. Das war wieder so ein Verhalten das er nicht verstand. Er hatte doch nichts lustiges gesagt.

„ Filbu ist wirklich ein lustiger Name. Wenn mein Papa mir auf dem Markt wieder einen Hasen kauft nenne ich ihn Filbu.“

Er stutzte. Ein Hase sollte seinen Namen tragen? Er schüttelte den Kopf und versuchte etwas ernster zu wirken.

„ Das ist aber kein Name für einen Hasen. Wie wäre es…also wie wäre es mit Bango. Das ist doch ein schöner Hasenname. Oder Fredo. Oder aber Beuno. So kann man Hasen auch nennen. Aber Filbu… das passt nicht denke ich.“

Sie verschränkte die Arme und schob ihre Unterlippe leicht nach vorne.

„ Ich will aber dass er Filbu heißt. Nicht Bango nicht Beuno und auch nicht Fredo. Nur Filbu.“

Er seufzte resignierend und nickte. Auf eine Diskussion über Hasennamen hatte er nun wirklich keine Lust. Außerdem war er überzeugt davon, dass eine Diskussion ohnehin nicht zu seinen Gunsten ausgehen würde.

„ Na gut. Dann nenn den Hasen halt Filbu. Es könnte ihn schlimmer treffen. Sag mal Kleines. Wie heißt du denn jetzt eigentlich?“

Ihr Schmollmund löste sich langsam und sie blickte wieder kurz zum Steinbruch, dann zu Filbu.

„ Ich heiße Mila und bin schon soooo alt.“

Dabei hielt sie eine Hand hoch und streckte alle Finger aus. Scheinbar war sie fünf Jahre alt. Er hätte sie älter geschätzt. Aber wann hatte er überhaupt schon mal das Alter eines Kindes eingeschätzt? Es gab wirklich spannenderes.

„ Mila. Das ist aber ein hübscher Name. Sag mal Mila. Darf ich dich mal was fragen?“

Ohne auf eine Antwort zu warten holte er ein Bild aus seiner Westentasche hervor. Sie nickte stumm und blickte interessiert zu dem Bild in seiner Hand.

„ Schau mal. Ich vermisse jemanden. Eine Dame. Vielleicht hast du sie mal gesehen. Sieh dir das Bild genau an.“

Er reichte ihr das Bild und sie nahm es vorsichtig an sich. Nach einem kurzen Blick darauf schüttelte sie den Kopf und hielt es ihm wieder hin.

„ Ne. Die kenn ich nicht. Die guckt aber böse. Guckt die immer so? Wer ist das denn?“

Er betrachtete das Bild und musste feststellen dass die Kleine Recht hatte. Schalotte hatte wirklich einen ernsten Gesichtsausdruck auf dem Bild.

„ Das ist meine Verlobte. Schon seit über einem Monat ist sie verschwunden. Und jetzt suche ich sie überall. Deswegen bin ich hier in Schären. Und du hast Recht. Sie guckt wirklich etwas böse auf dem Bild. Aber so ist sie nicht.“

Dann steckte er das Bild wieder weg und Enttäuschung machte sich in seinen Gesichtszügen breit.

„ Warum ist sie den weggelaufen? Hast du sie geärgert?“

Hatte er das? Er war sich nicht darüber bewusst dass es so war, aber ein Gefühl sagte ihm dass die Kleine nicht ganz Unrecht hatte. Sie hatten gestritten an dem Abend bevor sie verschwand. Er hatte dem keinen Wert beigemessen. Dafür schien ihm der Streit zu belanglos. Wegen Uneinigkeit über die Anzahl der einzuladenden Hochzeitsgäste wird man wohl kaum ohne ein Wort darüber zu verlieren, seine Sachen packen und in der Versenkung verschwinden. Nein. Das schien ihm zu abwegig.

„ Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht hab ich sie geärgert. Wenn ich sie finde werde ich sie wohl fragen.“

Sein Blick wurde leer und vor seinem inneren Auge formte sich das Bild einer Landstreicherin die ihn mit dreckverschmierten Gesicht anstarrte. Tränen liefen über ihre Wangen. In der Hand hielt sie ein dreckiges Kleid. Er kannte das Kleid. Er selbst hatte es gemacht. Dann fingen ihre Lippen an sich zu bewegen und Worte drangen an sein Ohr.

„Ich weiß wie du sie finden kannst. Filbu? Hörst du mir zu?“

Mila stupste ihn an und holten ihn damit aus seinen Gedanken zurück. Verwirrt starrte er sie an und erhob sich von seinen Knien.

„ Was sagst du da? Sie finden?“

Mila nickte. Sie schien ernsthaft darüber nachgedacht zu haben wie sie ihm helfen könnte.

„ Na ist doch einfach. Du gehst auf einen groooßen Berg und rufst ganz laut ihren Namen. Dann wird sie dich bestimmt hören.“

Filbu schmunzelte gequält. Für einen Moment hatte er wirklich erwartet das kleine Mädchen hätte ein Idee.

„ Das werde ich ausprobieren. Bestimmt wird sie es hören. Ich danke dir für deinen Ratschlag. Jetzt muss ich mich aber verabschieden. Ich werde das Bild mal rumzeigen. Vielleicht hat sie ja jemand anderes gesehen.“

"Mach das. Ich muss jetzt meinem Papa sein Frühstück bringen. Er hat es zuhause vergessen."

Im nächsten Moment war sie auch schon in Richtung Steinbruch verschwunden. Er blickte ihr eine Zeit lang hinterher. Der Steinbruch war wirklich riesig. Man hätte Schären gleich mehrmals darin aufstapeln können. Dann sah er hinauf zu dem Schärener Berg. Von da oben hatte man bestimmt eine gute Aussicht. Er dachte daran was das Mädchen gesagt hatte. "Geh auf einen Berg und ruf ganz laut ihren Namen." Das war natürlich Unsinn. Man würde sein Rufen keine 200 Fuß weit hören. Die Zeit konnte er sich wirklich sparen. Eine Weile stand er nur da und starrte den Berg an.

Drei Stunden später erreichte ein grün gekleideter Hobbit den Gipfel des Schärener Bergs.
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Filbu
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Sonntag 9. November 2014, 19:11

Er saß auf der kleinen Stufe vor der Tür des Familiensmials der Buchsbaums und hatte sich gerade eine Pfeife entzündet als er von Fern her Schritte hörte. Es war eindeutig dass sie lauter wurden und somit auf ihn zukamen. Er reckte seinen Hals etwas um in den Myrtenhof hineinzublicken. Seine Stirn runzelte sich zu einigen Falten und er versuchte mit angestrengtem Blick die Person auszumachen, die da offensichtlich schnurstracks auf ihn zukam.

"Aber das ist doch....." entfuhr es ihm und er verschluckte sich an dem Qualm in seinem Mund und bekam einen Hustanfall.

"Filbu Buchsbaum. Ich hab dir doch gesagt du sollst nicht rauchen." hörte er die Person sagen während sie gerade den Garten betrat und ihn dabei streng ansah.

Kein Zweifel. Sie war es. Schalotte kam schnellen Schrittes auf ihn zu und betrachtete Filbu erwartungsvoll. Er jedoch saß fassungslos auf dem Treppchen und traute seinen Augen nicht.

"Willst du deine Verlobte nicht in die Arme schließen nach der langen Zeit?"

Wie fremd gesteuert raffte er sich mit offen stehendem Mund auf und umarmte Schalotte fast mechanisch.

"Aber....aber...wo kommst du auf einmal her? Du warst verschwunden...unauffindbar....hab überall gesucht...nichts.....überall nichts und jetzt stehst du hier als wäre nichts gewesen."

Langsam drückte er sie von sich weg und sah sie mit vorwurfsvoller Miene an.

"Ich war auf Verwandtenbesuch in Stadel. Das sagst du doch auch immer. Stimmt´s? Jetzt mach dich mal lieber nützlich und mach mir die Tür auf. Ich hab Hunger bis unter die Arme."

Ein leichtes schmunzeln huschte über ihre Lippen und sie stubste Filbu an, der scheinbar immer noch nicht begreifen konnte. Zögerlich drehte er sich um und trat zur Tür. Er legte seine Hand auf den Türgriff und zog die schwere Eichentür zu sich. Dann blickte er über seine Schulter und der Schreck durchfuhr ihn wie ein Blitz. Sie war weg. Da war niemand. Unvermittelt bildete sich ein Kloß in seinem Hals und Tränen liefen ihm über die Wangen. Dann rüttelte etwas an ihm und er hörte eine Stimme.

"He. Du da. Wach auf. Aufwachen Junge. Du holst dir einen Sonnenbrand hier in der Mittagssonne. Sei nicht dumm."

Er schlug die Augen auf und das gleißende Licht blendete ihn. Dann legte sich ein Schatten vor die Sonne und er blickte einem älteren Mann in die Augen.

"Sag mal Junge. Weinst du etwa? Du hast ja Tränen in den Augen. Wer hat denn so was noch gehört? Im Schlaf weinen."

Er packte Filbu am Arm und kicherte fröhlich vor sich hin während er ihm hoch half. Nur einen kurzen Moment hatte er sich hinlegen wollen. Es war nicht seine Absicht gewesen zu schlafen. Doch er war erschöpft und ausgelaugt. Vermutlich könnte er zwei Tage am Stück schlafen wenn er wollte.

"Entschuldigt vielmals. Das muss an der Sonne liegen. Das Licht treibt einem ja die Tränen in die Augen. Ich nehme an es ist um die Mittagszeit?"

Er blickte den Alten fragend an. Es musste Mittagszeit sein so wie die Sonne stand. Die Frage war überflüssig aber er würde sicher nicht mit einem wildfremden Herrn über seine Träume reden.

"Jaja. Sicher ist es das. Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Das Essen ist bestimmt schon fertig. Hast du Hunger? Meine Frau macht die besten Mehlklöße im ganzen Ostviertel. Zumindest denkt sie das. Ich lasse sie in dem glauben. Aber unter uns....ich hab neulich bei der Nachbarin welche gegessen....du verrätst mich doch nicht oder?"

Filbu seufzte innerlich. Er hatte nun wirklich keine Lust über die Essgewohnheiten der Waldhoffener Leute zu reden. Er schüttelte kurz den Kopf.

"Also was ich sagen wollte. Die Klöße von der Nachbarin sind besser. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Aber das bleibt unter uns. Verstanden?"

Er lachte lauthals los und stubste Filbu freundschaftlich gegen die Brust.

"Ja. Bleibt unter uns. Aber ich habe sowieso keinen Hunger. Weder auf die Klöße eurer Frau, noch auf die eurer Nachbarin. Ich will nur kurz nach Waldhof und dann weiter."

Der Alte blickte ihn fragend an und nickte dann aber verstehend.

"Na dann halte ich dich nicht länger auf Junge. Machs gut und pass auf das du dich nicht wieder in die Sonne legst. So wie du aussiehst bleibst du eh nicht lange auf den Beinen."

Er klopfte Filbu noch mal auf die Schulter und ging dann den Weg nach Waldhof hinein.
Filbu folgte ihm mit großem Abstand hinunter in die Talsenke in der Waldhof lag. Er war hier erst einmal gewesen. Das war nun schon eine Weile her. Auf dem Konzert der Mornies hatte er jedoch weniger die Augen für das eigentlich recht schöne Waldhof gehabt. So schien es ihm als würde er es zum ersten mal betreten. Niemand war zu sehen. Wen wundert´s? Mittagszeit war Essenszeit. Suchend blickte er sich um und sein Blick fand einen rothaarigen Hobbit der mit einer Hobbitdame vor einem Smial auf einer Bank saß. Es war recht offensichtlich das der Herr gerade damit beschäftigt war der Dame den Hof zu machen. Bei jedem zweiten Satz des Mannes liefen ihre Wangen rot an und sie blickte verschämt zur Seite.
Filbu rollte mit den Augen. So eine Liebelei hatte ihm gerade noch gefehlt. Er war gerade dabei kehrt zu machen als der Hobbit ihn erblickte und ihm zurief.

"Na wenn das nicht der Herr Buchsbaum ist. Was machen sie denn hier?"

Offensichtlich hatte ihn der Herr erkannt. Sogar seinen Namen kannte er. Mit geweckter Neugierde trat Filbu ein paar Schritte heran und nun erkannt er den Herrn ebenfalls. Was ihn jedoch nur wenig erfreute.

"Sie sind der Herr aus dem Goldenen Barsch. Stimmts?"

Der rothaarige nickte, blickte dann kurz zu seiner Smialtür und wieder zu Filbu zurück.

"So ist es. Der bin ich wohl. Und was wollen sie nun hier? Wohnen sie nicht im Südviertel?"
Filbu blickte ebenfalls kurz zu der Smialtür, aus der das klappern von Töpfen hervordrang.

"Doch. Da haben sie recht. Ich wohne im Südviertel. Ich bin nur hier um jemanden zu suchen. Ich klopfe an ein paar Türen und dann bin ich auch wieder weg."

Er blickte immer noch zu der Tür. Das klappern hatte aufgehört.

"Und wen suchen sie wenn ich fragen darf?"

Die Dame die eben noch in sämtlichen Rottönen leuchtete, blickte von einem zum anderen und schien etwas genervt von dem Neuankömmling zu sein.

"Ich suche meine Verlobte. Sie wird nun bald seit drei Monaten vermisst und es fehlt jede Spur von ihr. Waldhof ist das einzige Dorf im Auenland wo ich noch nicht gewesen bin. Wenn sie nicht hier ist weiß ich auch nicht mehr."

Der rothaarige blickte ihn mit ernster Miene an. Dann machte sich jedoch langsam ein Lächeln breit.

" Sie meinen diese Dame mit der sie sich im Goldenen Barsch vergnügt haben? Wie war doch gleich ihr Name?"

Filbu stutzte. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Das Fräulein hatte sich selber zu der Reise nach Bree eingeladen und ihn sogar dazu genötigt sowohl Speisen als auch Übernachtungskosten zu tragen.

"Ihr meint dieses Fräulein Pilea? Seid ihr denn wahnsinnig? Diese Dame hat mir auf der Reise nach Bree den letzten Nerv geraubt? Ununterbrochen hat sie geredet und mich sogar dazu genötigt ihr die Übernachtung im goldenen Barsch zu bezahlen. Wenn das meine Verlobte wäre, müsste ich um ihr verschwinden froh sein."

Filbu zückte das Bild von Schalotte aus seiner Westentasche und hielt es ihm hin. Der rothaarige nahm es zögernd an sich und blickte eine Weile darauf. Filbu konnte keine Regung in seinem Blick erkennen.

" Das heißt ihr habt mit diesem Fräulein aus dem Barsch keine...Vergnügungsreise gemacht?"

Er hielt Filbu das Bild wieder hin ohne wirklich darauf einzugehen. Die Dame die offenbar bei dem Herrn zu Besuch war erhaschte einen Blick auf das Bild und blickte dann erstaunt zu dem rothaarigen.

" Aber ist das nicht...." sagte sie leise und wurde barsch unterbrochen.

" Herr Buchsbaum, es war doch offensichtlich das sie an der Dame interessiert waren. Machen sie mir doch nichts vor." sagte er laut und warf der Dame zu seiner Seite einen merkwürdigen Blick zu.

" Das ist eine bodenlose Frechheit. Ich hatte sicher kein Vergnügen mit der Dame. Aber ich seh schon. Hier wird mir sicherlich nicht geholfen. Ihr kennt meine Verlobte also nicht?"

Die Dame an der Seite des rotharrigen blieb stumm und schaute fragend zu ihrem Buhler. Wieder klapperte es in dem Smial und Filbu lenkte seine Aufmerksamkeit abermals auf die Tür.

" Da drin ist noch jemand? Dürfte ich die Person auch noch fragen? Dann verschwinde ich und frage bei den Nachbarn weiter."

Der Hobbit machte einen Schritt zur Seite um Filbu den Weg zur Tür zu versperren.

"Das ist keine so gute Idee. Wißt ihr...das da drinnen ist meine Mutter. Sie kann euch bestimmt nicht helfen...weil...weil...sie ist blind. Genau. Blind ist sie. Sieht gar nix."

Es klapperten abermals Töpfe und Filbu seufzte.

"Die Ärmste scheint ja da drinnen große Schwierigkeiten zu haben. Vielleicht solltet ihr da besser zu Hilfe eilen."

Der rothaarige nickte etwas nervös und setzte einen Entschuldigenden Blick auf.

" Das mache ich sofort. Also dann Herr Buchsbaum. Eine erfolgreiche Suche wünsche ich euch noch."

Er stubste die Dame an seiner Seite an und sie verabschiedete sich, offenbar immer noch etwas irritiert, von Filbu, welcher sich dann ebenfalls verabschiedete und sich langsam von dem Smial entfernte. Dann hielt er plötzlich inne und zog ein paar Atemzüge durch seine Nase. Ein recht bekannter Duft. Es waren ohne Zweifel Kohlrouladen die mit ihren Ausdünstungen die Waldhofer Luft tränkten. Was gäbe ich nur dafür ihre Kohlrouladen essen zu dürfen, dachte er sich und schlurfte dann zur nächsten Haustür.

" Das Essen ist fertig. " drang es aus dem Smial des rothaarigen hervor und er und seine Begleitung folgten der Aufforderung unvermittelt.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Montag 10. November 2014, 18:34

Stock - Goldener Barsch

Stimmengewirr durchströmte den Schankraum des goldenen Barsches. Einige Leute scherzten munter miteinander, andere diskutierten hitzig und wiederrum andere tanzten zur Musik eines einzelnen Lautenspielers. Von alldem bekam er nur wenig mit. Lediglich in Gesellschaft einer Flasche Rotwein, saß er an einem Tisch etwas Abseits der anderen Gäste und sein Blick wanderte immer wieder über das Schriftstück das vor ihm lag. Dann tauchte er seine Feder in das kleine Tintenfass und setzte seinen Namen unter das Geschriebene. Die Schritte die sich ihm von hinten näherten bemerkte er nicht. Schwer atmend legte er die Feder zu seiner rechten auf den Tisch nieder. Seine Hand wanderte zu der Weinflasche, führte sie zu seinem Mund und füllte ihn mit der roten Flüssigkeit. Der rothaarige Hobbit stand etwas unentschlossen hinter ihm und überlegte ob er einen Blick auf den Brief riskieren sollte, entschied sich dann aber anders.

„Herr Buchsbaum. Schon sieht man sich wieder“ sagte er und führte seinerseits ein Glas Wein zum Mund.

Filbu verschluckte sich vor Schreck und prustete den ganzen Inhalt seines Mundraums über den Tisch. Ein feiner roter Regen legte sich über das Pergamentpapier und ließ eine Landschaft aus Flecken zurück. Wutentbrannt sprang Filbu hoch und raunzte den rothaarigen an.

„Seid ihr verrückt geworden mich so zu erschrecken? Seht was ihr angerichtet habt. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so sauber geschrieben und dann kommt ihr und macht alles zunichte. Respektloser Grobian.“

Filbu schob sich an dem Hobbit vorbei und ging hinüber zur Theke wo er sich einen Lappen geben ließ. Der rothaarige blickte ihm entschuldigend hinterher und war abermals versucht einen Blick auf den Brief zu werfen.

„ Wagt es nicht das zu lesen. Das geht euch nichts an. Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe und gesellt euch zu den anderen Gästen?“

Vorsichtig legte er das Schriftstück zur Seite und wischte mit dem nassen Lappen über den Tisch. Ab und an warf er dem rothaarigen einen strafenden Blick zu.

„ Tut mir leid Herr Buchsbaum. War sicher keine Absicht von mir. Schreibt einfach in den Brief dass es meine Schuld war. Was treibt ihr eigentlich hier? Sucht ihr immer noch eure Verlobte? “

Filbu schnaufte ein paar Mal durch um sich zu beruhigen.

„ Herr Pontoweis. Das war doch euer Name wenn ich mich recht erinnere. Ich werde sicher nichts von euch in diesen Brief erwähnen und was ich hier treibe geht euch nach wie vor nichts an. Meine Verlobte habe ich nicht gefunden. Und jetzt geht bitte und lasst mich in Ruhe“

Pontoweis ignorierte seine Bitte, setzte sich unbeeindruckt an den Tisch und füllte sein Glas mit Filbus Rotwein der ihn nur fassungslos anstarrte.

„ Setzt euch doch einfach und lasst uns ein wenig plauschen. Mir ist gerade nach einer Unterhaltung. Und ihr seht aus als könntet ihr etwas Ablenkung brauchen.“

Diese Ignoranz raubte Filbu fast den Atem, doch fehlte ihm schlichtweg die Kraft sich auf ein hitziges Wortgefecht einzulassen. So ließ er sich kopfschüttelnd auf dem Stuhl nieder und blickte Pontoweis fragend an.

„ Über was wollt ihr plauschen? Ich wüsste nicht was ich euch erzählen sollte. Aber gut. Wie ihr wollt. Ich war sowieso gerade fertig.“

Pontoweis sah hinüber zu dem Brief.

„ Ihr schreibt einen Brief in einem Gasthaus? Sieht man selten. Wem schreibt ihr denn?“

Filbu schüttelte nur den Kopf über die dreiste Frage und legte seine Hand schützend über das Papier.

„ Ihr seid selbst für einen Hobbit sehr neugierig. Zu neugierig wie ich finde. Aber wenn ihr es unbedingt wissen wollt..der Brief ist für meine Verlobte. Und fragt besser nicht. Ihr würdet es ohnehin nicht verstehen.“

Pontoweis stutzte und es schien sich fast etwas Nervosität bei ihm breit zu machen.

„Ich denke ihr wisst nicht wo sie sich befindet? Wie könnt ihr dann einen Brief an sie verschicken? Das versteh ich nun wirklich nicht.“
Filbu seufzte.

„Seht ihr. Das sagte ich doch. Deswegen solltet ihr erst gar nicht nachfragen. Ich weiß nicht wo sie ist und dennoch schreibe ich diesen Brief an sie. Und jetzt fragt nicht weiter nach. Bitte.“

Es lag ein leichtes flehen in der Bitte und Pontoweis schien zu verstehen, dass ein weiteres nachfragen mehr als unerwünscht war und ihm sicherlich auch keine weiteren Erklärungen einbrachte.

„Wie ihr meint. Sagt, habt ihr wirklich das ganze Auenland nach ihr abgesucht?“

Filbu nickte nur wortlos und genehmigte sich dann einen Schluck Wein. Der Inhalt der Flasche neigte sich langsam dem Ende zu.

„Ja. Das habe ich. Jedes Haus und jeden Hof. Sie ist unauffindbar. Aber dann suche ich halt nochmal..und nochmal..und nochmal wenn es sein muss.“

Filbu sah Pontoweis an und zum ersten Mal schien er mehr zu bemerken als das spitzbübische Mundwerk des Hobbits. Sein rundliches Gesicht mit den großen grünen Augen wirkte sehr sympathisch und sicher konnte er damit die Damen beeindrucken. Seine geordnete Frisur unterstrich seinen gepflegten Gesamteindruck. Das Rot seiner Haare war sehr kräftig und erinnerte ihn an Schalotte. Er erinnerte sich daran als er sie das erste Mal mit offenem Haar gesehen hatte und seine Gedanken verloren sich in einer sternklaren Nacht auf dem Bühl. Was würde er nur darum geben diese Nacht noch einmal zu erleben.

„ Habt ihr mal daran gedacht, dass sie gar nicht gefunden werden möchte? Ich meine, wenn sie nicht entführt wurde, wovon man im Auenland sicher ausgehen kann, hat sie euch aus freien Stücken verlassen. Seht ihr das denn nicht? Es liegt doch auf der Hand.“

Pontoweis zuckte kurz mit den Schultern und nippte dann an seinem Glas.

„ Selbst wenn dem so wäre, kann mich niemand daran hindern sie zu suchen. Mag sein dass sie aus freien Stücken gegangen ist. Ich weiß es nicht. Vielleicht hat sie auch jemand beeinflusst. So oder so. Es ändert für mich nichts. Ich weiß nun nicht mehr wo ich suchen soll. Aber solange meine Füße mich tragen werde ich weiter gehen und an Türen klopfen, mich auf Märkten nach ihr umsehen und den Grenzern und Bütteln den letzten Nerv rauben bis sie gefunden ist. Herr Pontoweis. Ich weiß nicht ob ihr wißt wie es sich anfühlt wenn man jemanden verloren hat, aber ich bin nur noch ein halber Hobbit für den nichts mehr von Bedeutung ist wenn er die andere Hälfte nicht wiederfindet. Versteht ihr das?“

Er legte seine Hände vors Gesicht und fragte sich warum er sich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen hatte. Der Kummer schien ihn zu übermannen und das in Gesellschaft eines fast Unbekannten.

„ Ich verstehe euren Kummer und eure Verzweiflung. Doch solltet ihr vielleicht wirklich darüber nachdenken die Entscheidung eurer Verlobten zu respektieren. Möglicherweise ist sie jetzt glücklicher.“

Filbu stemmte sich hoch und blickte Pontoweis wütend an.

„ Ich soll das einfach so hinnehmen? Ihr könntet mir genau so gut empfehlen mich in den Brandywein zu stürzen. Ich glaube ihr versteht rein gar nichts. Ich liebe Schalotte. Ich brauche sie. Aber warum erzähle ich euch das überhaupt? Von sowas habt ihr scheinbar keinen blassen Schimmer. Ich werde nun gehen. Einen schönen Abend noch.“

Er schnappte nach der Flasche und leerte sie. Dann legte er sie in seinen Reisebeutel und rollte den Brief zusammen welchen er dann ebenfalls fein säuberlich in dem Beutel verstaute.

„ Was habt ihr jetzt vor? Ihr wollt doch nicht zu so später Stunde noch ins Südviertel aufbrechen.“

Filbu legte den Beutel an und schüttelte den Kopf

„Nein. Natürlich nicht. Ich mache nur einen Spaziergang zum Brandywein hinunter. Also dann. Gute Nacht.“

Dann wendete er sich von Pontoweis ab, ging zur Theke, bezahlte den Wein und ging zügig zur Tür um den Goldenen Barsch zu verlassen.

„ Herr Buchsbaum. Ihr macht doch keine Dummheiten? Es geht eurer Verlobten sicher gut. Verliert jetzt nicht den Kopf“ sagte Pontoweis und blickte nun doch etwas besorgt Filbu hinterher.

„ Keine Angst. Ich mache nur einen Spaziergang. Mein Kopf wird sicherlich da bleiben wo er immer ist“ sagte er ohne sich umzudrehen und trat hinaus in die Nacht.

Die Tür fiel hinter ihm zu und Pontoweis leerte nun ebenfalls zügig sein Glas.

„Schreibs auf“ rief er zur Theke hinüber und folgte Filbu dann mit sicherem Abstand in die Nacht.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Montag 10. November 2014, 20:24

Am Brandywein

Das Wasser umspülte seine Füße und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es war kalt und ein komisches Gefühl legte sich in seine Magengegend. „Ihr macht doch keine Dummheiten?“ hatte Pontoweis gefragt. Ob dieser rothaarige unverschämte Kerl wirklich dachte, dass er sich etwas antun würde? So ein Unsinn. Oder? War er schon so verzweifelt? Der Brandywein war sicher tief genug und bei seinen Schwimmkünsten würde er sich sicher nicht lange über Wasser halten können. Er schüttelte den Gednaken schleunigst ab, trat einen weiteren Schritt in den Fluß hinein und für einen Moment drohte er auf einem glitschigen Stein den Halt zu verlieren, fing sich aber wieder. Ein Rascheln drang an sein Ohr und er fuhr herum. Der Mond stand hoch am Firmament und erhellte die Nacht. Es war dennoch niemand auszumachen. Wohl nur eine Katze dachte er sich. Oder ein Vogel. Oder beides. Sein Blick richtete sich wieder auf den Brandywein. Dann holte er die Flasche und den Brief aus seinem Bündel. Ein letztes Mal überflog er die Zeilen, rollte dann das Pergament zusammen und steckte es in die Flasche um diese dann letztlich mit einem Korken zu versehen. Zögerlich bückte er sich zum Wasser hinunter und legte die Flasche in die Strömung, hielt sie jedoch noch am Hals fest. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel, lief über seine Wange und fiel dann fast geräuschlos in den Brandywein. Weitere Tränen folgten. Seine Hand lockerte den Griff und er fühlte wie die Flasche an seinen Fingerspitzen vorbeiglitt und von dem fließenden Wasser mitgetragen wurde. Fort von ihm. Sie klimperte an Steinen. Zerbrach jedoch nicht. Filbu wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, legte sich zügig den Beutel um und stampfte aus dem Wasser. Nur fort von hier dachte er sich und ging auf schnellstem Weg zum Gasthaus zurück.

Das Augenpaar des Hobbits hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Schon seit dem Gasthaus hatte es ihn verfolgt. Hatte gesehen wie er einen Fuß in den Brandywein setzte. Wie er beinahe den Halt verlor und ins Wasser gefallen wäre, wie er die leere Weinflasche mit dem Brief versehrt und sie dem Fluss überlassen hatte. Pontoweis hatte dann keinen Moment gezögert und sich möglichst leise aus seiner Deckung bewegt um dem Brandywein flussabwärts zu folgen. Als er sich sicher war, dass Filbu ihn nicht mehr hören würde, rannte er los und spitzte gleichzeitig die Ohren um ein Geräusch aus dem Fluss zu hören. Das Geräusch von klimperndem Glas an Steinen. Er hörte nichts. Lief weiter. Die Nacht war hell erleuchtet aber es war ihm nicht möglich irgendwas auf dem Fluss zu erkennen. Zumindest nichts dass nach einer Flasche aussah. Dann hielt er inne. War da etwas gewesen? Er war sich sicher etwas gehört zu haben. Er machte ein paar Schritte ins Wasser und horchte wieder. „Klimper“ Da wars wieder. Es musste weiter Flussabwärts sein. Er stampfte aus dem Wasser und lief weiter. Immer wieder hielt er inne und horchte. Lief weiter. Horchte. Dann ganz deutlich. „Klimper, Klirr, Klimper“ Es hörte gar nicht mehr auf. Sie musste sich irgendwo verfangen haben. Dann sah er den Grund. Er war ohne es zu merken in einen Nebenarm des Brandywein gelaufen über den ein kleines steinernes Brückelchen führte. Die Flasche schlug immer wieder gegen den Stein und fand den Weg durch den Bogen der Brücke nicht. Pontoweis lief auf die Brücke, sprang dann hinunter ins kühle Nass und tauchte bis zum Hals in das Wasser. Er war ein guter Schwimmer aber zu dieser Jahreszeit war der Brandywein wahrlich kein Vergnügen. Nur ein paar Schritte dann hatte er sie. Schlammig fühlte der Boden sich an und mit jedem Schritt hatte er das Gefühl immer tiefer in den Schlamm einzudringen. Er versuchte nach der Flasche zu greifen doch sie entschwand seinen Fingern und tauchte unter. Dann tauchte sie wieder auf und er packte wieder zu. Dieses mal erwischte er ihren Hals und hatte sie schließlich sicher in seinem Griff. Er blickte sich um und konnte kaum fassen was er da tat. Bis zum Hals im Brandywein. Er würde sich den Tod holen zu dieser Jahreszeit. Und alles wegen einem lächerlichen Brief. Aber die Neugierde hatte ihn gepackt und irgendwie hatte er das leise Gefühl, diesen Buchsbaum falsch eingeschätzt zu haben. Womöglich wusste er mehr wenn er den Brief zu lesen bekam. Egal wie. Aber sie war ihm was schuldig. Mühsam kroch er fast auf allen Vieren an den Uferrand und versuchte anschließend die Nässe aus seiner Kleidung zu wringen, was kaum möglich war. Es fröstelte ihn gehörig doch seine Neugierde war zu groß um erst nach Hause zu laufen. Er suchte den Weg zum goldenen Barsch nach einer Straßenlaterne ab und wurde recht schnell fündig. Im Schein der Laterne hatte er das Gefühl etwas Wärme zu spüren. Aber das war wohl viel mehr reine Einbildung. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Laterne und zog dann den Korken aus der Flasche und drehte sie auf den Kopf. Mit dem kleinen Finger stocherte er dann nach dem Brief, bekam ihn schließlich zu fassen und zog ihn aus der Flasche. Das Pergament war schon etwas klamm. Womöglich hätte es das Treiben im Wasser gar nicht lange überlebt. Er schnaufte einmal durch, rollte das Pergament aus und begann zu lesen. Seine Miene wurde ernst und seine Augen größer. Ein paar mal setzte er den Brief ab seufzte, las weiter, schüttelte den Kopf und steckte ihn dann schließlich weg.

"Jetzt nichts wie nach Hause bevor ich mir den Tod hole." murmelte er und lief quer über die Wiesen Richtung Waldhof.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Freitag 14. November 2014, 00:55

Lindental

Er zog die Kapuze seines Umhangs tiefer ins Gesicht nachdem ihm ein ums andere mal der Wind den Regen wie ein Ohrfeige ins Gesicht klatschte. Es schien fast so als wollte das Wetter ihm an diesem Abend den Rest geben. Wieder einmal kehrte er nach erfolgloser Suche nach Lindental zurück und wieder einmal suchte er zuerst den Weg zu Schalottes Smial. Nach seiner ersten Suche vor einigen Wochen war er noch voller Hoffnung sie zuhause anzutreffen. An diesem Abend war er sich sicher, wieder einmal nur Stille und Einsamkeit anzutreffen.
Als er an Oxalias Smial vorbeikam hielt er kurz inne. Es war schon dunkel, aber es brannte kein Licht. Wenn er recht überlegte, hatte er auch sie schon ewig nicht gesehen. Sicher hatte es sie wieder mal nach Bree gezogen. Es wäre ja nicht das erste mal. Für gewöhnlich hätte er diesem Gedanken zumindest eine gerümpfte Nase oder ein leichtes Kopfschütteln folgen lassen. Doch nicht einmal dazu schien er in der Lage.

Er folgte dem Weg weiter um die leichte Rechtsbiegung und ein ums andere mal trat er durch tiefe Wasserpfützen ohne es wirklich zu bemerken. Wieder hielt er inne und sah hinüber zu Blundo Smial. Auch hier kein Licht.

"Zum Donnerwetter noch mal, hat diese Straße einen Fluch auf sich?" brummelte er vor sich hin.

Er überlegte wann er Blundo das letzte mal gesehen hatte. Er kam nicht drauf. Es musste Monate her sein. Wo steckten sie denn alle? Für einen Augenblick dachte er darüber nach ob es wohl eine Verbindung zwischen dem Verschwinden der drei Nachbarn geben könnte. Aber das schien doch mehr als abwegig zu sein. Oder sollte Schalotte vielleicht mit Blundo....nein, das würde sie nicht tun. Andererseits hatte er ihr schon mal seine Hühner und seinen Hund anvertraut. Dafür dass Schalotte Hunde hasste, hatte sie sich der Aufgabe doch allzu gewissenhaft angenommen.

"Sei nicht albern Filbu. Hör auf so ein Unsinn zu denken. Blundo ist sicher nur im Efeubusch und zählt gerade die Krüge die er geleert hat. Dieser Trunkenbold." sagte er um sich zu beruhigen.

Dann ließ er seinen Blick langsam nach links schweifen und für einige Sekunden hielt er den Atem an. Seine Augen öffneten sich schlagartig und er konnte Licht aus den Fenstern von Schalottes Smial schimmern sehen. Sein Atem wurde schneller und er hatte das Gefühl sein Herz würde Luftsprünge machen.

"Sie ist da...sie ist wieder da...Schalotte...gleich bin ich bei dir" rief er zu dem Smial hinüber, schlug seine Kapuze zurück und rannte los.

Er war keinen Schritt gelaufen als das Licht plötzlich wieder erlosch und ihn wieder zum stehen brachte.

"Was...ist das...da war doch grad" sagte er fast schon panisch und sah sich hektisch um. Dann sah er die Lichtquelle die ihm nur etwas vorgegaukelt hatte. Eine Straßenlaterne. Sie hatte sich genau im richtigen Winkel ihren Lichtschimmer über die Fensterscheibe gesucht und Filbu einen hoffnungsvollen Moment beschert. Und einen niederschmetternden noch dazu.
Er zog seinen Reisebeutel von der Schulter und warf ihn mit voller Wucht und einer gehörigen Portion Wut im Bauch, in die Richtung der Laterne.

"Der Blitz soll dich treffen du dummes Stück Holz" fluchte er und stieß einen schluchzenden Laut aus.

Dann mahnte er sich zur Vernunft. Jemand könnte ihn sehen. Was sollten denn die Leute denken? Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht hörte er Schritte aus der Eggenstraße näher kommen. Schnell raffte er den Beutel und lief zum Smial hinüber. Dann steckte er den Schlüssel in das Schloss, drehte und drückte von einem knarzenden Geräusch begleitet den Griff nach unten. Eine durchdringende Kälte schlug ihm entgegen als er das Smial betrat und sich umblickte.

"Schalotte..? Ich bin.....wieder zuhause" sagte er und die letzten Worte wurden zu einem leisen flüstern und verstummten zu einem Gemurmel. Dann erschlafften seine Schultern und er ließ sein Bündel zu Boden sinken. Die Tür fiel hinter ihm zu und er zuckte unweigerlich zusammen. Er hatte nicht wirklich eine Antwort erwartet und doch traf ihn die Erkenntnis immer noch alleine zu sein wie der Fußtritt eines ausgewachsenen Keilers.

Sein erster Blick, wenn er das Smial nach längerer Suche wieder betrat, galt zuerst einem Bild welches Schalotte mit ihrer Schwester zeigte. Er hatte es absichtlich in Schräglage gebracht, wohl wissend, das Schalotte es umgehend gerade rücken würde sobald sie das Smial betrat. Doch es hing unverändert auf einer Seite tiefer als auf der anderen.

" Es ist sinnlos. Sie wird nicht wiederkommen."

Dann ging er hinüber zum Kamin und bereitete ein paar Holzscheite vor. Er ließ Schlageisen und Feuerstein mehrmals aufeinander treffen und die Funken entzündeten den Zunder zu einer schwach lodernden Glut. Mit etwas Distelwolle die er noch darüber legte brachte er das ganze dann zu einem kleinen Feuer an dem er sich unvermittelt die Hände rieb.

Eine Weile kniete er regungslos vor dem Feuer und blickte ohne einen klaren Gedanken zu fassen hinein. Ein lautes knistern holte ihn aus seiner Starre und die Glut die dabei auf seinen Füßen landete tat den Rest dabei. Fluchend und den Fuß von sich weg schlagend hüpfte er durch das Smial und er musste dabei zusehen, wie an seinem rechten Fuß, ein Haar nach dem anderen, sich in Wohlgefallen auflöste. Er erhaschte im Augenwinkel einen Eimer Wasser, schlug gekonnt einen Haken um den Küchentisch herum, machte einen für Hobbitverhältnisse beachtlichen Satz, und landete mit seinem qualmenden Fuß in dem kühlen Nass.

" Der Bilwiss soll dich holen du blödes Feuer." fauchte er hinüber zur Feuerstelle und betrachtete nun seinen gelöschten Fuss. Alles in Ordnung. Er sollte nun besser schnell ins Bett gehen bevor noch schlimmeres passierte. Nach Hause würde er nicht mehr gehen und Schalotte hatte sicher nichts dagegen wenn er hier übernachten würde. Auch wenn sie es niemals gut geheißen hatte. Es war durchaus schon vorgekommen. Er erinnerte sich an die vielen Nächte auf dem Teppich. Ein schmunzeln huschte über seine Lippen und er ging hinüber zu dem Bett und setzte sich. Eine Laute lag noch darauf und er erinnerte sich daran sie dort liegen gelassen zu haben. Es war ihm nur noch selten zumute ein Lied mit ihr anzustimmen aber er hatte auf der Suche im Ostviertel in einer schlaflosen Nacht ein Lied geschrieben und so entschied er sich den Abend mit dem Klang der Laute zu beenden. Er schlug die ersten Töne an und begann leise vor sich hinzusummen.

Währenddessen betrat eine Gestalt Schalottes Grundstück und vernahm sowohl Licht als auch Musik aus dem Inneren des Smials. Sie ging zügig zu der Tür , öffnete und setzte leise einen Schritt hinein. Eine Weile stand sie nur da und lauschte dem Lautenspiel. Dann verklangen die letzten Töne und sie räusperte sich.

Filbu zuckte zusammen ließ die Laute aus der Hand gleiten und blickte auf.

Rote Haare...grünes Kleid.....dann wurde ihm schwarz vor Augen und er sackte in sich zusammen.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Dienstag 18. November 2014, 00:32

Lindental

Fast ungebremst stürzte Filbu in das Familiensmial der Buchsbaums und die Tür schien sich beinah aus den Angeln zu heben als sie krachend gegen die Wand flog.

"Dieser hinterhältige Hund. Dem werd ich beibringen was es heißt einen Buchsbaum an der Nase herumzuführen" sagte er und lief kopflos durch die Räume. Hier und da packte er etwas in seinen Beutel. Dann stürmte er in die Küche und wühlte in einem der Küchenschränke. Es klapperte und rumpelte. Töpfe fielen ihm entgegen und purzelten über den Boden. Ohne wirklich von der Unordnung die er verursachte Kenntnis zu nehmen bückte er sich weiter in den Schrank hinein und kam mit einem triumphierenden Lächeln wieder aus dem ihm hervor.

"Das hier wird ihn sicher zum reden bringen" murmelte er und blickte dabei zu der großen Bratpfanne in seiner Hand.

Die Pfanne fand gerade so noch Platz in seinem Beutel, ohne dass sie besonders auffallen würde. Mispel hatte ihm verboten Gewalt einzusetzen. Aber ein paar gezielte Schläge mit der Pfanne würde er sich nicht verkneifen können.

"Mispel" sagte er seufzend.

Es war keine Stunde her, als sie Schalottes Smial betreten hatte, während er nichts ahnend die Laute spielte. Als er sie bemerkt hatte, dachte er für einen Moment Schalotte vor sich zu haben. Ihm wurde schwummerig, seine Beine versagten ihren Dienst und ließen ihn wie einen Sack Kartoffeln zu Boden plumpsen. Er hatte sich zwar schnell wieder aufgerafft und der Teppichkante die Schuld für seine Bruchlandung gegeben. Doch er war sich sicher das Mispel ihm das nicht abgekauft hatte.

Das sie nichts über Schalottes verschwinden wusste, zeigte eindeutig wie schlecht das Verhältnis zwischen den Geschwistern war. Er wusste selbst nicht woran es lag, aber er mochte Mispel nicht. Wenigstens hatte sie ihm einen entscheidenden Hinweis, wenn auch unbeabsichtigt, gegeben, als sie ihren Bruder erwähnte. Es hatte einen Moment gedauert bis er realisiert hatte das Mispels Bruder notgedrungen auch Schalottes Bruder sein musste. Schalotte hatte ihn nie erwähnt. Nach dem Gespräch mit Mispel wusste er auch warum. Er war ein Schürzenjäger der seine Damen häufiger wechselte als manch ein Wegscheider zählen konnte. Mit so jemanden in der Familie konnte man sich wahrlich nicht brüsten. Das wusste er selber nur zu gut.

Erschöpft und dennoch voller Tatendrang verschnürte er seine Laute an dem Beutel, schulterte ihn, trat zur Tür hinaus und zog sie hinter sich zu.
Er war sich sicher, dass er sie nun finden würde. Es war offensichtlich wo sie steckte. Jedoch missfiel ihm der Gedanke etwas, das Mispel sich selbst dazu eingeladen hatte, ihn zu begleiten. Offenbar hatte sie Sorge um ihren Bruder. Zu Recht.
Sie hatten sich am Ausgang der Siedlung verabredet. Für einen Moment dachte er darüber nach wie er ungesehen an ihr vorbeikommen könnte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Dann lief er los und mit jedem Schritt stieg seine Hoffnung wieder, Schalotte nun endlich zu finden.


Auf dem Weg nach Wasserau - Eine Stunde später

"Herr Buchsbaum was klappert da in ihrem Beutel? Sie haben doch nicht wirklich eine Bratpfanne eingepackt, oder?" fragte sie und blickte ihn dabei misstrauisch an

"Ach wo. Das ist nur...das ist nur...meine Klarinette." antwortete er ohne ihren Blick zu erwidern.

"Wenn ihr mich hinters Licht führen wollt, werde ich euch das übel nehmen. Mein Bruder hatte sicher einen Grund für sein handeln. Also seht es ihm nach." sagte sie mit ruhiger Stimme

"Euer werter Herr Bruder hat mich getäuscht, nachgestellt, angelogen und er wollte mich davon abbringen weiter nach Schalotte zu suchen. Wenn das nicht alles Grund genug ist, ihn mit meiner Bratpfanne bekannt zu machen, dann weiß ich auch nicht."

"Herr Buchsbaum" sagte sie empört "Dann habt ihr sie also doch dabei?"

"Was? Ich? Naja...was ist wenn wir Hunger kriegen und etwas unterwegs kochen müssen?"

Mispel blieb stehen, verschränkte die Arme und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

"Her damit. Sofort. Wir gehen keinen Schritt weiter ehe ihr mir nicht die Pfanne gebt." sagte sie entschlossen.

"Aber...wenn....ich könnte sie sanft einsetzten...nur ein bisschen hauen...er würd´s kaum merken....ehrlich."

Mispel blieb unverändert stehen und sah ihn weiter auffordernd an. Er schien zu merken dass es keinen Sinn hatte weiter mit ihr zu diskutieren.

"Na gut. Aber wenn er sich nicht entschuldigt, kriege ich sie wieder und verpass ihm eine Abreibung."

Er holte die Pfanne aus dem Beutel und reichte sie ihr.

"Auch das werdet ihr nicht tun. Ihr solltet euch was schämen Herr Buchsbaum. Anstatt euch zu freuen Schalotte bald wieder zu sehen, denkt ihr nur darüber nach wie ihr es meinem Bruder heimzahlen könnt. Das spricht nicht gerade für euch." antwortete sie ihm und verschnürte die Pfanne an ihrem Bündel.

Dann ging sie weiter und ließ Filbu mit nachdenklicher Miene zurück. Sie hatte wohl recht. Er sollte sich freuen. Das tat er auch. Aber er war Schalotte schon einmal so nah gewesen und dieser Halunke hatte ihn ohne mit der Wimper zu zucken belogen. Dass er wütend war musste Mispel doch verstehen können.

"Kommen sie Herr Buchsbaum. Oder wollen sie dort Wurzeln schlagen? Bis zum Grünen Drachen brauchen wir noch gute zwei Stunden. Nicht das wir kein Zimmer mehr kriegen" rief sie ihm zu.

"Jaja. Komme ja schon. Und damit das klar ist. Wir werden uns sicher kein Zimmer teilen." sagte er bestimmt und hörte Mispel nur kichern

"Das wäre ja noch schöner." murmelte sie und verdrehte die Augen.
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Re: Ein Schneider im Sturzflug

Ungelesener Beitragvon Filbu » Freitag 21. November 2014, 13:02

Wasserau – Zum Grünen Drachen

Es war tiefste Nacht und nur noch ein paar Straßenlaternen setzten ihr Licht in die Dunkelheit. Er wäre am liebsten weiter gegangen, doch auch ihm kroch die Müdigkeit in die Knochen und ein ums andere mal zuckten seine Augenlieder zusammen um dem Schlaf zu entgehen.

Mispel hielt ihr Tempo hoch. Wohl auch um selber nicht zu sehr der Trägheit zu verfallen. Sie hatte wenig gesprochen in der letzten Stunde und er war nicht unglücklich darüber. Er freute sich jetzt nur noch auf ein warmes Zimmer mit einem kuscheligen Bett.

„ Und ihr habt sie wirklich im ganzen Auenland gesucht, Herr Buchsbaum?“ sagte sie aus dem nichts heraus.

Er sah sie etwas verdutzt an, nickte dann aber kurz.

„ Ja. Im ganzen Auenland. Langsam frage ich mich, warum mir niemand einen Hinweis gegeben hat. Jemand muss sie doch gesehen haben.“ antwortete er

Mispel machte ein betretenes Gesicht und blickte ihn fast schon mitleidig an.

„ Herr Buchsbaum. Ich weiß dass ihr meiner Schwester mehr als zugetan seid. Aber auch ihr werdet nicht von der Hand weisen können das sie nicht oft mit Sympathiebekundungen zu tun hat. Vielleicht wollten die Leute einfach nichts damit zu tun haben.“

Er schüttelte energisch den Kopf und blickte sie verständnislos an.

„ Ich weiß nicht wovon ihr da redet. Schalotte ist eine liebenswerte Dame und sie hat sicher viele Freunde auf ihrer Reise gefunden.“ sagte er

Mispel schmunzelte und er meinte einen zufriedenen Seufzer von ihr zu vernehmen.

„Ihr seid mir schon ein merkwürdiger Hobbit, Herr Buchsbaum. Aber wohl genau der richtige für meine Schwester. Wenn sie denn noch der gleichen Meinung ist. “

Sie standen nun vor der Tür zum Grünen Drachen und Mispel räusperte sich kurz. Filbu sah sie einen Augenblick irritiert an, dann fiel ihm ein was sie wollte. Ein peinlicher Moment der seine Wangen rot färbte. Jetzt vergaß er schon seine Manieren. Schleunigst machte er einen Satz nach vorne und hielt ihr die Tür auf.

„ Nach euch. Aber das mit dem merkwürdigen Hobbit habe ich überhört“ sagte er und deutete ihr durch die Tür zu gehen.

Leichtfüßig machte sie einen Satz über die Türschwelle und bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln. Filbu folgte ihr ins Innere des Gasthauses und schüttelte sich sogleich durch, als ihm die Wärme entgegenströmte. Gäste waren keine mehr anwesend. Nicht ungewöhnlich zu solch später Tageszeit oder sollte man wohl besser Nachtzeit sagen. So oder so. Sie waren mit dem Wirt der gerade über die Tische wischte, die einzigen im großen Gastraum. Mispel hüstelte gekünstelt um die Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Wir haben geschlossen“ sagte der Wirt ohne sich umzudrehen

„Wir suchen ein Zimmer Herr Wirt. Und wir gehen auch direkt zu Bett. Eure Arbeit ist also gleich getan. Wir werden euch nicht lange aufhalten.“ sagte Mispel

Filbu blickte sie leicht verärgert an. Er mochte es nicht, wenn eine Dame ihm die Wortführung abnahm. Sowas war Männersache. Er trat einen Schritt nach vorne um dies zu unterstreichen.

„Genau. Ein Zimmer zum übernachten. Sonst nichts. Wir werden euch kaum Zeit kosten und gehen direkt zu Bett“ fügte er hinzu

Der Wirt klatschte den Lappen auf den Tisch und wendete sich ihnen zu. Er wirkte genervt.

„Warum plappert ihr das nach was die Dame gesagt hat? Denkt ihr ich höre schlecht? Ihr seid wohl aus dem Ostviertel, häh?“ raunzte er Filbu an und blickte dann zu Mispel.

„Ihr wollt also ein Zimmer? Ein gemeinsames Zimmer nehme ich dann mal an.“ sagte er und blickte beide fragen an

Für einen Moment blinzelten Filbu und Mispel nur, um dann beinahe im Chor eine deutliches „Nein“ zu erwidern.

„Wir wollen getrennte Zimmer“ sagte Filbu „gemeinsames Zimmer kommt nicht in Frage“ fügte Mispel hinzu „das wäre ja noch schöner“ antwortete Filbu „was sollen denn die Leute denken?“ sagte Mispel

Filbu blickte sie erstaunt an. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl dass Mispel wirklich Schalottes Schwester sein könnte. Bisher schienen sie nichts gemeinsam zu haben. Aber die Art und Weise wie sie den letzten Satz gesagt hatte machte eine Verwandtschaft doch recht deutlich.

„Tja. Dann muss ich die Herrschaften leider enttäuschen. Vor einer guten Stunde hat jemand das andere Zimmer bezogen. Es ist nur noch eins frei. Ich wünsche dann noch eine Gute Nacht. Vielleicht ist im Efeubusch ja noch was frei.“

Er steckte sich den Lappen an den Bund seiner Schürze und ging hinüber zur Theke. Filbu und Mispel blickten sich ratlos an.

„Schaut mich nichts so an Herr Buchsbaum. Das kommt nicht in Frage. Ich bin eine verheiratete Frau und ihr seid der Verlobte meiner Schwester.“ gab sie zu bedenken

„Was ihr nicht sagt. Ich hätte es fast vergessen wenn ihr mich nicht daran erinnert hättet. Ich habe sicherlich kein großes Interesse mit euch ein Zimmer zu teilen. Also wenn euch etwas besseres einfällt dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt es zu sagen."

Sie schwieg und wog sich etwas unruhig von einem auf das andere Bein.

„ Ich weiß nichts anderes. Ich möchte weder zurück noch möchte ich weiter gehen. Ich bin müde. Ich nehme das Zimmer und ihr sucht euch einen Stall in dem ihr schlafen könnt“ sagte sie und ein schmunzeln huschte ihr übers Gesicht

„Das kommt nicht in Frage. Ich bin doch kein Vieh.“ antwortete er und richtete sich dann an den Wirt. „Herr Wirt, hat das Zimmer getrennte Betten?“

Ein resignierendes Schnaufen ging von dem Wirt aus.

„Die Betten stehen zusammen, aber man kann sie auseinanderschieben. Nehmt ihr das Zimmer jetzt oder nicht? Ich werde jetzt schließen.“

Filbu nickte entschieden.

„Wir nehmen es.“ sagte er

„Nein. Das tun wir nicht“ fügte Mispel hinzu
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„Doch das tun wir. Und jetzt gebt Ruh. Ich hab das entschieden und so ist es nun.“ antwortete er

„ Wenn meine Schwester das erfährt wird sie Jahre nicht mit mir reden und euch einen Kopf kürzer machen. Ist euch das klar?“ flüsterte sie

Der Wirt legte den Schlüssel auf die Theke und deutete den beiden näher zu kommen.

„Hier. Der Schlüssel. Bezahlt wird morgen früh. Ich geh jetzt ins Bett. Und das solltet ihr auch tun.“

Er verabschiedete sich mit einem brummigen „Gute Nacht“ und verschwand aus dem Gastraum des Drachens. Filbu schnappte sich den Schlüssel und verschwand zu den Zimmern. Mispel folgte ihm kopfschüttelnd.

Nach wenigen Minuten hatten sie das Zimmer bezogen. Die Betten so weit es nur ging auseinandergeschoben und sich umgezogen. Dafür musste Filbu das Zimmer verlassen. Als er von Mispel wieder hineingebeten wurde war sie unter der hohen Daunendecke verschwunden und nur noch ihr Kopf war zu sehen. Filbu trat an sein Bett heran und legte sich die Kleidung für den nächsten Tag zurecht. Dann schnappte er sich seine Laute und klimperte leise ein paar Töne vor sich hin. Mispel blickte neugierig zu ihm hinüber.

„Wenn ihr spielt, dann spielt auch richtig, Herr Buchsbaum. Wie wäre es mit einem Stück von den Grünfinken. Ich hab schon viel über die Kapelle des Stammtisches gehört.“

Filbu strich mit stolz geschwellter Brust über die Saiten der Laute. Er hatte schon Lange nicht mehr mit den Finken gespielt. Aber als ehemaliger Kapellmeister waren ihm die Lieder natürlich ins Gedächtnis gebrannt.

„Na gut. Wie wäre es mit dem Distelbauchreigen. Passt nicht wirklich in den Grünen Drachen. Aber das wird euch sicher gefallen. Eins unserer besten Stücke.“

Mispel nickte und spitzte die Ohren. Dann schlug Filbu in die Saiten und der Lautenklang verdrängte die nächtliche Stille. Mispel wippte mit ihrem Fuß, passend zum Takt, unter der Decke. Plötzlich trommelte es gegen die Zimmertür und eine Stimme war zu hören die jedoch unter dem Gepolter unterging. Filbu ließ vor Schreck die Laute fallen und Mispel zog sich quiekend die Decke über den Kopf. Dann herrschte Stille. Das war bestimmt der Wirt dem das nächtliche Musizieren gegen den Strich ging. Filbu fasste sich ein Herz und machte vorsichtig ein paar Schritte zur Tür hin. Dann legte er sein Ohr an die Tür und konnte gerade noch hören wie sich jemand eilig entfernte. Er drückte die Klinge, öffnete die Tür einen Spalt breit und steckte seinen Kopf hinaus. Niemand da.

„Wer war das?“ fragte Mispel flüsternd

Filbu drückte die Tür wieder zu und kletterte dann leise in sein Bett.

„Ich glaube das war der Wirt. Der hatte eben schon keine gute Laune. Bestimmt hab ich mit dem Lautenspiel das Fass zum überlaufen gebracht. Wir sollten jetzt schlafen. Also. Gute Nacht.“ sagte er, rollte sich in die Decke ein und drehte sich zur Wand, die das Nebenzimmer von ihrem Zimmer trennte.

„Gute Nacht Herr Buchsbaum. Schlaft gut.“ antwortete sie

Dann war alles still. Filbu ließ den ereignisreichen Tag nochmal an sich vorbeiziehen. Er hatte die begründete Hoffnung Schalotte am nächsten Tage wieder zu sehen. Und auch wenn es bis nach Waldhof noch einen ganzen Tagesmarsch brauchte, hatte er das Gefühl ihr jetzt schon ganz nah zu sein. Mit dem Gedanken schlief er zufrieden ein.
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