Eine Heimkehr

Geschichten aus Tolkiens Welt vom Herrn der Ringe und anderen Werken.
Benutzeravatar
Eikoweis
Administrator
Beiträge: 5010
Registriert: Donnerstag 2. Januar 2014, 17:57
Zum Bewohnerprofil:: http://suedviertel.com/Board/SV_Charakt ... HARID=83#x
Wohnort: Lindental

Eine Heimkehr

Ungelesener Beitragvon Eikoweis » Dienstag 7. Oktober 2014, 13:51

Der Hobbit betrachtet sich in der Pfütze, die der lange Herbstregen in einer Bodensenke zurückgelassen hatte. Er ist alt geworden - das lange, graue und nasse Haar fällt ihm strähnig vor die Augen … die Haut im Gesicht ist faltig und von so einigen Narben geziert, an deren Ursprünge er nicht gerne zurückdenkt. Überhaupt versucht er Tag für Tag die Erinnerung an die vergangen Jahre zu vertreiben. Wie viele waren es gewesen? Er weiß es nicht - es kommt ihm vor wie ein ganzes Leben, das er fern der Heimat verbracht hatte. Wieder versucht er die Erinnerung fortzuwischen, wie den Staub von einem vergessenen Bücherschrank. Doch so einfach ist es nicht. Er schüttelt den Kopf. Sein ganzes Leben? Nein, da war etwas vorher - eine Frau, Kinder, Freunde … oder war das alles nur ein Traum?
Erst vor 2 Wochen war er in Bree angekommen - ein Ort von dem seine Eltern früher nur mit einem Stirnrunzeln und bösen Blicken gesprochen hatten. Aber darüber musste er schmunzeln … er hatte anderes gesehen … ganz anderes. Dagegen war dieser Ort das Paradies … aber zu laut war es … ja, viel zu laut. Wie sehnte er die Stille der Natur herbei als er beim Keilerbrunnen stand und das Treiben eines Marktes betrachtete. Gerede, Gejohle, Musik … das war ihm zu viel.
Dann hatte er fast sein letztes Geld zusammengekratzt um sich wenigstens ein wenig anständige Kleidung zu besorgen. Doch der Herr … wie hieß er noch - es fällt ihm nicht ein … hatte die Sachen nicht wie versprochen in den Efeubusch nach Hobbingen geliefert, wo er eine Woche später schließlich Rast machte. Nun war sein Geld fort und er sah immer noch so geschunden aus wie die vielen Jahre zuvor. Doch auch das hatte er mit einem Kopfschütteln bei Seite geschoben. Es machte nichts aus … nicht wirklich … er kannte es bereits betrogen und bestohlen zu werden.
Dann war er dem Weg weiter gefolgt bis er einige Tage später sein Ziel erreicht hatte – Lützelbinge. Hier, so sagte es ihm seine Erinnerung, hatte er sein Glück zurück gelassen. Doch die Reaktion der Leute war verletzender als so manche Wunde, die er in der Vergangenheit überstehen musste. Man wollte nicht mit ihm reden, betrachtete ihn mit verachtenden Blicken und die Kinder schienen ihn zu fürchten. Nur soviel hatte er erfahren: Seine Frau war schon vor vielen, langen Jahren fortgezogen - irgendwo ins Ostviertel … irgendwo … irgendwo? Er würde sie suchen, er würde sie finden … auch wenn es ihm schmerzhaft bewusst ist, dass er das was er all die Jahre gesucht hatte, auch nicht fand und nun wie ein Versager, der sein Leben fortgeworfen hat, heimkehrt. Heim? Wo ist das? Heim? Was ist das?
Dann wirft er einen Kiesel in die Pfütze und das Bild zerreißt in kleinen Wellen …

Kommentare

Benutzeravatar
Eikoweis
Administrator
Beiträge: 5010
Registriert: Donnerstag 2. Januar 2014, 17:57
Zum Bewohnerprofil:: http://suedviertel.com/Board/SV_Charakt ... HARID=83#x
Wohnort: Lindental

Re: Eine Heimkehr (RP)

Ungelesener Beitragvon Eikoweis » Samstag 22. November 2014, 13:32

Mit müder werdendem Schritt wandert der alte Hobbit das letzte Stück Weg bevor er die Furt nach Balgfurt erreicht. Der Herbst hatte Einzug gehalten und ein leichter aber steter Nieselregen hatte seine Kleidung durchnässt. Erst jetzt zum Abend hatte der Regen aufgehört und die Wolken hatten einen Blick auf die untergehende Sonne freigegeben. Beim Wandern machte ihm die Nässe und Kälte nichts aus - schon lange nicht mehr. Aber in den letzten Jahren spürte er am Abend nach solchen Tagen vermehrt, dass seine Knochen das nicht mehr lange mitmachen würden. Dann schmerzten sie und ließen ihn nur unruhig schlafen.

Schließlich erreicht er das Dorf und als er die Lichter der Siedlung sieht, die der Dämmerung die Stirn bieten, schleicht sich ein Lächeln auf sein faltiges und vor Feuchtigkeit glänzendes Gesicht. Ein warmes Gefühl in seiner Brust scheint sich gegen die Kälte zu stemmen.
Hier ist es einfacher für Ihn als in seiner alten Heimat in Lützelbinge - man kennt ihn nicht und begegnet ihm zwar zurückhaltend aber doch nicht unhöflich oder unfreundlich. Er ist fremd hier - wie überall in den vergangenen Jahrzehnten - aber nirgendwo sonst war man Fremden gegenüber vorsichtiger als hier im Auenland ... auch dieser Gedanke lässt ihn schmunzeln. So treffen ihn prüfende und skeptische Blicke, doch wenden sich diese immer schnell wieder der eigentlichen Tätigkeit zu - ein Gespräch mit einem Nachbarn, die Fütterung der Schweine, das Spiel der Kinder und bedächtig gerauchte Pfeifen auf einer Bank. Zum ersten Mal seid langem, hatte er das Gefühl, dass er nach Hause kommt - in Vertrautes und fast Vergessenes.
Eine alte Dame mit ebenso weißem Haar, wie das seine, die gerade dabei ist, Laub zu fegen, spricht ihn schließlich an:

"Sucht Ihr etwas bestimmtes, mein Herr?"

(Hatte er schon einmal etwas anderes getan als zu suchen?)

"Ja, wenn ich ehrlich sein darf"

"Ehrlichkeit benötigt keine Erlaubnis - vielmehr ist sie eine Pflicht"

(Wäre er in der Vergangenheit immer ehrlich gewesen, würde er heute nicht mehr leben. Doch daran wollte er jetzt nicht mehr denken!)

"Dann ist meine Hoffnung, dass Ihr mir eine ehrliche Auskunft geben könnt. Ich suche eine alte Freundin und man sagt mir, dass ich sie im Ostviertel finden würde. Sie muss hier oder zumindest in der Gegend leben. Das ist meine Hoffnung"

"Ihr habt viel Hoffnung, wie mir scheint - und ich wiederum hoffe, dass ich sie nicht enttäuschen kann. Ich kenne das Ostviertel wie meine Besenkammer und hier kommt niemand vorbei, von dem die alte Holunderbeere nichts wüsste" dabei grinst sie verschmitzt.

"Ja das glaube ich gerne. Nun dann hoffe ich weiter, dass Ihr mir sagen könnt, ob und wo ich Risalla Lautenreißer in dieser Gegend finden kann."

Bei dem Namen zieht ein Schatten über das Gesicht, wie er es oft gesehen hatte, wenn er wieder einmal vergeblich einem Hinweis gefolgt war. Doch in diesem Fall musste er wohl einen anderen Ursprung haben.

"Für seine Verwandten kann man nichts, doch seine Freunde sucht man sich selber aus. Ich verstehe nicht, warum Ihr ausgerechnete diese Dame (sie betonte das Wort auf eine merkwürdige Art) sucht, aber von mir aus - sie lebt nicht mehr hier. War jahrelang meine Nachbarin mit ihrem seltsamen Sohn ist aber schon vor Monaten weggezogen, nachdem zuerst ihr Sohn die Gegend verließ. Sie sollen jetzt im Südviertel wohnen - wo weiß ich nicht. Doch jetzt entschuldigt mich, ich habe einen Braten im Ofen und der braucht jetzt meine Zuwendung"

Mit diesen Worten dreht sie sich um und lässt den alten Wanderer verdattert stehen. Als sie die Tür erreicht, hält sie inne, dreht sich noch einmal um und sagt mit mitleidigem Blick:

"Ich wünsche Euch dennoch eine gute Reise"

Der alte Hobbit begreift nicht wirklich was da gerade geschehen war, aber es war ihm müßig geworden über das Verhalten anderer nachzudenken. Stattdessen denkt er nur: "Meine Wege waren oft krumm, aber selten waren sie so ein Hin-und-Zurück wie jetzt. Also wieder in die andere Richtung. Südviertel, mh, da soll doch auch dieser Fuchsbaum wohnen. Na, da kann ich ja vielleicht, erstmal mein Geld zurückholen"

Heute Abend würde er den Weg nicht mehr vorsetzen und seine Schlafmatte unter einem Baum aufschlagen.

"Aber Morgen, da geht es weiter - es geht immer weiter - aber irgendwann muss ich doch einmal ankommen …"

Kommentare

Benutzeravatar
Eikoweis
Administrator
Beiträge: 5010
Registriert: Donnerstag 2. Januar 2014, 17:57
Zum Bewohnerprofil:: http://suedviertel.com/Board/SV_Charakt ... HARID=83#x
Wohnort: Lindental

Re: Eine Heimkehr (RP)

Ungelesener Beitragvon Eikoweis » Sonntag 4. Januar 2015, 23:16

Waren die letzten Jahre seines Lebens stets beschwerlich, ungewiss und voller Gefahren, so waren sie dennoch ruhig zur meisten Zeit. Er hatte das Auenland als beschaulich und betulich und frei von Hektik in Erinnerung, doch entweder war die getrübt oder es hatte sich so einiges geändert im Lauf der Jahre. Vielleicht lag es aber auch an ihm, dass er die letzten Wochen kaum zu innerer Einkehr kam. Ständig geschah etwas neues, unerwartetes und nicht immer erfreuliches. Jedenfalls hatte er kaum Zeit gehabt, längere Eintragungen in sein altes, zerschlissenes Tagebuch vorzunehmen.

Der alte Hobbit atmet kräftig ein und zieht die frische Luft des Morgens durch die Nase. Ja, das hatte er vermisst - selbst an diesem Wintermorgen kann er noch das Leben des Auenlandes riechen. Er legt sich seine alte zerschundene Pfeife auf den Schoß, lässt ein wenig vom Alten Tobi darin verschwinden und drück das Blatt vorsichtig in den Kopf - nicht zu fest (dann hat die Pfeife keinen Zug) und nicht zu sanft (dann wird sie zu schnell heiß) Dann entzündet er sie an einem Holzspan und zieht den Rauch vorsichtig ein. Er lässt ihn seine Geschmacksnerven kitzeln bevor er ihn wieder in die Luft entlässt. Ein Ring will ihm heute nicht gelingen - dafür ist es nicht windstill genug. "Macht nichts" denkt er sich und kramt sein altes Tagebuch hervor - einige Seiten waren noch frei. Er beschließt, dass es die letzten wären, bevor er sich endlich ein neues besorgen würde. Mit einem abgegriffenen Kohlestift beginnt er zu schreiben:

"Liebes Tagebuch,
Du warst mir ein stets treuer Begleiter und hast Geschichten zu hören bekommen, die Du für alle Zukunft für Dich behalten sollst. Andere darfst Du gerne preisgeben - noch manches Hobbitkind wird sich darüber freuen, sie am Kaminfeuer vorgelesen oder erzählt zu bekommen.
Doch jetzt ist es Zeit, in gewisser Weise Abschied zu nehmen. Ich werde Dich an einem sicheren und trockenen (kennst Du das noch?) Ort aufbewahren und wenn Du mir gestattest, immer mal wieder in dir blättern. Doch für neue Worte ist kein Platz mehr und es ist vielleicht gut sie auf anderes Papier zu schreiben. Die Vergangenheit muss allmählich zur Vergangenheit werden, auch wenn sie sicherlich noch weit in die kommenden Tage hineinreichen wird.
Doch bevor ich Dir die Ruhe schenke, die Du verdient hast, möchte ich Dir noch von drei Dingen erzählen.
Zum einen ist da der Herr Buchstraum - er ist ein wirklich armer Kerl. Hat Schulden, seine Verlobte ist ihm fortgelaufen (das holt mich immer wieder ein) und überhaupt scheint er gar nicht so recht zu wissen, wie er den Morgen übersteht. Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich ihn traf, aber seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen. Ich kann nur hoffen, dass es ihm gut geht und er sein Glück findet. Ich war ja erst sehr zornig auf ihn, aber er hat mir dann doch noch etwas Kleidung geben können und irgendwie tat er mir dann doch leid. Allerdings hat er mich sehr erschreckt, weil er von Eikoweis erzählte - ja Du vermutest richtig. Es ist mein Sohn, der mitterweile ein eigenes Smial in Lindental bewohnt. Stell Dir das vor. Der kleine Hosenscheißer - naja heute wohl nicht mehr. Ich bin ihm noch nicht begegnet und weiß auch nicht recht ob es gut wäre. Das bringen die kommenden Wochen.
Zum zweiten hatte ich ungeheuer großes Glück - ich war doch einige Tage im Efeubusch bei meinem alten Freund - Herward Lehmhügel. Stellt Dir vor er will mir immer noch nicht sein Rezept für sein Distelbauch verraten, der alte Fuchs. Aber irgendwann bekomm ich das bestimmt aus ihm raus. Jedenfalls sagte er mir, dass der alte Herwin Hinterwald doch tatsächlich seine Brauerei in Quellenburg aufgeben möchte und er verzweifelt einen Nachfolger sucht, weil seine Söhne anderen Dingen nachgingen. Na, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie schnell ich wieder im Südviertel unterwegs war. Ganz schon heruntergekommen, kann ich Dir sagen - nicht nur Hewin, sondern auch sein Anwesen. Aber stell Dir vor er hat es mir überlassen - ich werde wohl noch einige Jahre Schulden abstottern müssen, aber ihm war es wichtig, dass das Ganze in gute Hände kommt. Er schien gar nicht zu wissen, dass ich überhaupt fort war. Schon etwas tüddelig, will ich meinen. Jedenfalls bin ich jetzt stolzer Besitzer der kleinen Braustube und werde daraus bestimmt etwas machen können. Zuerst einmal habe ich Ihr einen neuen Namen gegeben - "Leib- und Seelenwohl" Klingt doch fein, oder?
Und zum dritten - aber das mache ich jetzt ganz kurz, auch wenn es mir am schmerzhaftesten ist - ich habe meine Risalla wieder gefunden. Stell Dir vor, sie war gerade dabei selber nach Quellenburg zu ziehen. Aber als ich an ihre Haustür klopfte und sie aufmachte - schrie sie mich sofort an: "Verschwinde hier und nimm Deine Tochter gleich mit!" Mein Herz bekam einen ganz schönen Stich kann ich Dir sagen. Aber sie ist immer so impulsiv gewesen. Bestimmt wird sie sich wieder beruhigen und wir können wenigstens mal ein Wort miteinander wechseln. Aber das mit der Tochter - das hat mir wirklich einen Kloß in den Hals geschoben. Bestimmt hat sie sich in der Aufregung nur vertan und hat sich gerade mit Eikoweis verkracht. (Das konnte sie schon immer gut, musst Du wissen) Nun, ich hoffe, dass wir da noch einen Weg finden werden. Mein Herz sehnt sich so sehr danach. Ich bin doch eigentlich nur wegen ihr hier.
Doch werde ich jetzt enden. Hab noch einmal Dank für all die Jahre, die Du bei mir warst. Du hast ganz schön was mit gemacht. Wir beide wohl. Jetzt ruh Dich aus alte Freundin. Hast es Dir verdient!

Dein Harrdo Lautenreißer"

Der Hobbit schließt das Buch, legt es neben sich auf die Bank und entzündet seine Pfeife neu. Dann schickt er eine Rauchwolke in die Richtung, in der seine Frau jetzt wohnt. So nah und so fern zugleich.

Kommentare


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste