Die Kuh auf dem Dach - Eine Hobbitgeschichte
Verfasst: Mittwoch 1. Mai 2019, 21:09
Kapitel I – Das Versprechen
Herno betrachtete das Stück Pergament lange in seinen Händen. Aus dem Ofen war das dumpfe knacken des Feuers zu vernehmen und die Vormittagssonne schickte ihre ersten Strahlen in die kleine Backstube.
„Wenn Sie nicht genug verkaufen können, Herr Holzinger dann mischt doch einfach Sägemehl in Eurer Brot. Hauptsache Ihr könnt Eure Schulden abbezahlen, dies ist der letzte Aufschub. Versteht Ihr mich?“
Die Worte des Prokuristen hallten noch, wie ein böser Geist durch den Raum, wie durch Hernos Kopf. „Sägemehl…“ der Hobbit schloss seine Augenlider und atmete tief durch. Wie lange würden sie diese Schikanen noch durchstehen? Er wischte sich ermattet über das von Mehl und Schweiß verklebte Gesicht und trat vor das kleine runde Fenster der Stube. Die Sonne war schon vor ein paar Stunden aufgegangen und kündigte einen heißen Sommertag an. Wie so viele in letzter Zeit.
Seit zehn Jahren… seit zehn Jahren arbeite ich jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden, ohne Pause, ohne Auszeit. Seit Vaters Tod habe ich keinen Fuß mehr in ein gutes Gasthaus gesetzt, alle Geburtstage meiner Freunde absagen müssen. Graues Haar kann ich schon mein eigen nennen, obwohl ich noch nicht einmal Jährig bin und jetzt soll ich auch noch für die Gier eines stinkreichen Geldverleihers aus Hobbingen, meinen Kunden Sägemehl ins Brot mischen? Das Pergament knirschte, als sich seine Hand zu einer Faust ballte. Schnelle Schritte unter ihm rissen ihn aus düsteren Gedanken. Gepolter und dann gedämpftes Husten. Mutter… sie nahm ihr Schicksal viel ruhiger und stoischer auf als er, dachte er sich. Sie war eben eine Bondolin, welche für ihre ruhige und geduldige Art bekannt waren, wohingegen die Holzinger schon immer ein stures Gemüt an den Tag gelegt hatten. Der Hobbit seufzte, sie versuchte es zu verstecken. Vor den Kunden im Laden und auch vor ihm aber Herno wusste, sie hatte nun auch denselben Husten bekommen wie Vater zu seiner Zeit. Das kommt vom verdammten Mehlstaub und vom ständigen Rauch der Öfen. Der junge Hobbit wendete sich vom Fenster ab und trat vor eine kleine Anrichte, ruckelnd öffnete er eine Schublade und musste sofort seine Hand bemühen um den überquellenden Inhalt an Zetteln, Briefen und Rechnungen an ihrem Ort behalten zu können. „Der letzte Aufschub…“ diesmal würden sie es nicht mehr schaffen können. Man würde ihnen die Backstube wegnehmen und damit auch ihr Zuhause.
Natürlich rein rechtlich hatte er keine Schulden, war er ja – jedenfalls für eine Weile noch – Unterjährig. Aber die Wirklichkeit sah anders aus. Vater hatte das Geld geborgt um die kleine aber sehr beliebte Backstube der Familie auszubauen. Alles schien wie nach Plan zu laufen und das Geschäft florierte, doch der Husten war der Anfang vom Ende. Beerdigungskosten mussten aufgebracht werden und bald war die Arbeit ohne Hilfe nicht mehr zu stemmen. Herno fühlte sich schuldig, er hatte alles gegeben und so sollte es nun enden? Gelächter und fröhliches Geplausche drang gedämpft vom Laden herauf, die helle Glocke an der Eingangstür kündigte von reichlich Kundschaft. Bald würde das nur mehr Erinnerung sein, dachte er sich und erstarrte für einen Moment als er plötzlich schnellere und sanftere Schritte von unten wahr nahm, welche die kleine Treppe hinauf huschten. Die Tür zur Stube öffnete sich und dunkelrote Locken suchten ihren Weg hindurch.
„Guten Morgen, tut mir leid ich bin spät dran aber Hollunderweiß wollte einfach per du nicht mit dem Abwasch weiter machen und wenn sie nicht abwäscht, kann ich nicht abtrocknen. Ach! Sie hat eine gefühlte Ewigkeit an einem einzigen Teller geschrubbt und bestimmt an ihr Liebchen gedacht und dann hat sie gemeint, nachdem ich gesagt habe sie soll endlich einen Zahn zulegen, dass ich mich nicht so aufführen solle da ich sowieso kein Geld von euch bekommen würde, wenn ich euch helfe. Kannst du dir das vorstellen? Ihre Zeit ist natürlich immer in Gold zu wiegen aber wenn… ist alles in Ordnung Holzi?“
Hazelnuss sah Herno besorgt an und zog die Schleife ihrer Schürze fest. „Du bist ja kreidebleich, bist du krank? Sag bitte nicht du hast schon wieder nicht gefrühstückt…“ die Hobbit zog ihre Augenbraun zu einem ernsten Blick zusammen. Herno erwiderte diesen mit einem bitteren Lächeln. „Bitte setzt dich Nüsschen, wir müssen reden.“ Die Hobbit blinzelte, sichtlich irritiert nahm sich aber gehorsam den kleinen Schemel, strich sich über das Kleid und setze sich langsam. „Ist etwas passiert? Bitte sag dass es nichts Schlimmes ist…“
„Wir müssen die Backstube Oberbühl schließen, ich denke wir werden noch zwei Wochen geöffnet bleiben aber dann ist es vorbei. Wir können einfach nicht mehr bezahlen und auch deine Hilfe, wie groß sie auch war – und wir sind dir ewig dafür dankbar - kann leider nichts daran ändern.“ Herno musste schlucken, wo nahm er nur diesen Mut, es gerade ihr so frei heraus zu sagen? Vielleicht weil es wohl das Schlimmste von allen war und es, als es über seine Lippen ging, auch für ihn zur Wirklichkeit wurde. Hazelnuss‘ Augen weiteten sich und ihre Schürze warf grobe Falten als sich ihre langen Finger darin verkrampften. Eine betretende Stille machte sich in der dunklen Stube breit, Mehlstaub tanzte im fahlen Lichtstrahl welches das kleine Fenster zu den beiden hinein lenkte und Herno durch seine Intensität Schweißperlen auf die Stirn trieb. Bitte weine jetzt nicht, flehte er in Gedanken zu sich, sonst muss ich es auch tun.
„Wie viel will dieser alte Bilwiss diesmal haben?“ sagte die Hobbit plötzlich mit entschlossener und ernster Stimme. Herno musste blinzeln, diese Reaktion hatte er ganz sicher nicht erwartet und sie warf ihn dermaßen aus der Fassung, dass er nur stutzig und mit offenem Mund dastehen konnte. „Vollkommen egal!“ die junge Hobbit sprang bei diesen Worten auf, wobei ihre Locken wild über die Schultern sprangen. „Wir schaffen das Herno! Wir retten die Backstube, das verspreche ich dir.“ Hernos Schultern senkten sich resigniert ab und er schüttelte den Kopf. „Hazelnuss“ begann er „Ich habe es dir schon so oft gesagt. Ich nehme von niemanden Geld an. Nicht von dir, nicht von Sigimund… von niemanden, ich…“ Er verstummte schlagartig. Zwei kühle blasse Hände hatten seine Wangen umbettet und hoben seinen Kopf leicht an, so dass er in zwei tiefblaue Augen blicken konnte. „Man darf niemals die Hoffnung aufgeben. Wir sind Freunde seit Kindheitstagen, was sage ich, du bist wie ein Bruder für mich, ich werde dich niemals im Stich lassen!“. Ihre Worte waren so ernst wie überaus sanft gesprochen, oder kam es ihm nur so vor? Er würde es nicht ums Herz bringen, wie sehr es sein Stolz auch geboten hätte, etwas darauf zu erwidern. Bitte lass nur deine Hände, nur noch einen Augenblick länger weilen, schoss ihm durch die schweißgetränkte Stirn. Zarte Fältchen an den Wangen kündigten in Hazelnuss' Gesicht ein mildes Lächeln an. „Siehst du“ sagte sie leise „Du bist nicht allein, wir stehen alle hinter dir und ich werde mir etwas einfallen lassen und jetzt krempeln wir die Ärmel hoch es gibt noch viel Brot das gebacken werden muss!“.
Herno betrachtete das Stück Pergament lange in seinen Händen. Aus dem Ofen war das dumpfe knacken des Feuers zu vernehmen und die Vormittagssonne schickte ihre ersten Strahlen in die kleine Backstube.
„Wenn Sie nicht genug verkaufen können, Herr Holzinger dann mischt doch einfach Sägemehl in Eurer Brot. Hauptsache Ihr könnt Eure Schulden abbezahlen, dies ist der letzte Aufschub. Versteht Ihr mich?“
Die Worte des Prokuristen hallten noch, wie ein böser Geist durch den Raum, wie durch Hernos Kopf. „Sägemehl…“ der Hobbit schloss seine Augenlider und atmete tief durch. Wie lange würden sie diese Schikanen noch durchstehen? Er wischte sich ermattet über das von Mehl und Schweiß verklebte Gesicht und trat vor das kleine runde Fenster der Stube. Die Sonne war schon vor ein paar Stunden aufgegangen und kündigte einen heißen Sommertag an. Wie so viele in letzter Zeit.
Seit zehn Jahren… seit zehn Jahren arbeite ich jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden, ohne Pause, ohne Auszeit. Seit Vaters Tod habe ich keinen Fuß mehr in ein gutes Gasthaus gesetzt, alle Geburtstage meiner Freunde absagen müssen. Graues Haar kann ich schon mein eigen nennen, obwohl ich noch nicht einmal Jährig bin und jetzt soll ich auch noch für die Gier eines stinkreichen Geldverleihers aus Hobbingen, meinen Kunden Sägemehl ins Brot mischen? Das Pergament knirschte, als sich seine Hand zu einer Faust ballte. Schnelle Schritte unter ihm rissen ihn aus düsteren Gedanken. Gepolter und dann gedämpftes Husten. Mutter… sie nahm ihr Schicksal viel ruhiger und stoischer auf als er, dachte er sich. Sie war eben eine Bondolin, welche für ihre ruhige und geduldige Art bekannt waren, wohingegen die Holzinger schon immer ein stures Gemüt an den Tag gelegt hatten. Der Hobbit seufzte, sie versuchte es zu verstecken. Vor den Kunden im Laden und auch vor ihm aber Herno wusste, sie hatte nun auch denselben Husten bekommen wie Vater zu seiner Zeit. Das kommt vom verdammten Mehlstaub und vom ständigen Rauch der Öfen. Der junge Hobbit wendete sich vom Fenster ab und trat vor eine kleine Anrichte, ruckelnd öffnete er eine Schublade und musste sofort seine Hand bemühen um den überquellenden Inhalt an Zetteln, Briefen und Rechnungen an ihrem Ort behalten zu können. „Der letzte Aufschub…“ diesmal würden sie es nicht mehr schaffen können. Man würde ihnen die Backstube wegnehmen und damit auch ihr Zuhause.
Natürlich rein rechtlich hatte er keine Schulden, war er ja – jedenfalls für eine Weile noch – Unterjährig. Aber die Wirklichkeit sah anders aus. Vater hatte das Geld geborgt um die kleine aber sehr beliebte Backstube der Familie auszubauen. Alles schien wie nach Plan zu laufen und das Geschäft florierte, doch der Husten war der Anfang vom Ende. Beerdigungskosten mussten aufgebracht werden und bald war die Arbeit ohne Hilfe nicht mehr zu stemmen. Herno fühlte sich schuldig, er hatte alles gegeben und so sollte es nun enden? Gelächter und fröhliches Geplausche drang gedämpft vom Laden herauf, die helle Glocke an der Eingangstür kündigte von reichlich Kundschaft. Bald würde das nur mehr Erinnerung sein, dachte er sich und erstarrte für einen Moment als er plötzlich schnellere und sanftere Schritte von unten wahr nahm, welche die kleine Treppe hinauf huschten. Die Tür zur Stube öffnete sich und dunkelrote Locken suchten ihren Weg hindurch.
„Guten Morgen, tut mir leid ich bin spät dran aber Hollunderweiß wollte einfach per du nicht mit dem Abwasch weiter machen und wenn sie nicht abwäscht, kann ich nicht abtrocknen. Ach! Sie hat eine gefühlte Ewigkeit an einem einzigen Teller geschrubbt und bestimmt an ihr Liebchen gedacht und dann hat sie gemeint, nachdem ich gesagt habe sie soll endlich einen Zahn zulegen, dass ich mich nicht so aufführen solle da ich sowieso kein Geld von euch bekommen würde, wenn ich euch helfe. Kannst du dir das vorstellen? Ihre Zeit ist natürlich immer in Gold zu wiegen aber wenn… ist alles in Ordnung Holzi?“
Hazelnuss sah Herno besorgt an und zog die Schleife ihrer Schürze fest. „Du bist ja kreidebleich, bist du krank? Sag bitte nicht du hast schon wieder nicht gefrühstückt…“ die Hobbit zog ihre Augenbraun zu einem ernsten Blick zusammen. Herno erwiderte diesen mit einem bitteren Lächeln. „Bitte setzt dich Nüsschen, wir müssen reden.“ Die Hobbit blinzelte, sichtlich irritiert nahm sich aber gehorsam den kleinen Schemel, strich sich über das Kleid und setze sich langsam. „Ist etwas passiert? Bitte sag dass es nichts Schlimmes ist…“
„Wir müssen die Backstube Oberbühl schließen, ich denke wir werden noch zwei Wochen geöffnet bleiben aber dann ist es vorbei. Wir können einfach nicht mehr bezahlen und auch deine Hilfe, wie groß sie auch war – und wir sind dir ewig dafür dankbar - kann leider nichts daran ändern.“ Herno musste schlucken, wo nahm er nur diesen Mut, es gerade ihr so frei heraus zu sagen? Vielleicht weil es wohl das Schlimmste von allen war und es, als es über seine Lippen ging, auch für ihn zur Wirklichkeit wurde. Hazelnuss‘ Augen weiteten sich und ihre Schürze warf grobe Falten als sich ihre langen Finger darin verkrampften. Eine betretende Stille machte sich in der dunklen Stube breit, Mehlstaub tanzte im fahlen Lichtstrahl welches das kleine Fenster zu den beiden hinein lenkte und Herno durch seine Intensität Schweißperlen auf die Stirn trieb. Bitte weine jetzt nicht, flehte er in Gedanken zu sich, sonst muss ich es auch tun.
„Wie viel will dieser alte Bilwiss diesmal haben?“ sagte die Hobbit plötzlich mit entschlossener und ernster Stimme. Herno musste blinzeln, diese Reaktion hatte er ganz sicher nicht erwartet und sie warf ihn dermaßen aus der Fassung, dass er nur stutzig und mit offenem Mund dastehen konnte. „Vollkommen egal!“ die junge Hobbit sprang bei diesen Worten auf, wobei ihre Locken wild über die Schultern sprangen. „Wir schaffen das Herno! Wir retten die Backstube, das verspreche ich dir.“ Hernos Schultern senkten sich resigniert ab und er schüttelte den Kopf. „Hazelnuss“ begann er „Ich habe es dir schon so oft gesagt. Ich nehme von niemanden Geld an. Nicht von dir, nicht von Sigimund… von niemanden, ich…“ Er verstummte schlagartig. Zwei kühle blasse Hände hatten seine Wangen umbettet und hoben seinen Kopf leicht an, so dass er in zwei tiefblaue Augen blicken konnte. „Man darf niemals die Hoffnung aufgeben. Wir sind Freunde seit Kindheitstagen, was sage ich, du bist wie ein Bruder für mich, ich werde dich niemals im Stich lassen!“. Ihre Worte waren so ernst wie überaus sanft gesprochen, oder kam es ihm nur so vor? Er würde es nicht ums Herz bringen, wie sehr es sein Stolz auch geboten hätte, etwas darauf zu erwidern. Bitte lass nur deine Hände, nur noch einen Augenblick länger weilen, schoss ihm durch die schweißgetränkte Stirn. Zarte Fältchen an den Wangen kündigten in Hazelnuss' Gesicht ein mildes Lächeln an. „Siehst du“ sagte sie leise „Du bist nicht allein, wir stehen alle hinter dir und ich werde mir etwas einfallen lassen und jetzt krempeln wir die Ärmel hoch es gibt noch viel Brot das gebacken werden muss!“.